Straubinger, 20.08.2005
Grenzland im Würgegriff der Bürokraten
EU-Osterweiterung Thema im Medienzelt - Die Chancen sehen – Deregulierung dringend

Straubing. Die EU-Osterweiterung ist seit über einem Jahr tägliche Lebensrealität, die Gefühle vor allem der Menschen in den ostbayerischen Grenzlandgemeinden sind jedoch noch immer höchst ambivalent - woher das kommt und was dagegen zu tun ist, war am Freitag Thema der Diskussionsrunde im Medienzelt auf der Ostbayernschau in Straubing. Eine Hauptforderung an die Politik kristallisierte sich dabei deutlich heraus: Viele Vorschriften müßten entsorgt und der übliche Behörden-Marathon zur Sprintstrecke werden, wenn man mit den tschechischen Nachbarn mithalten will.

"Wir wollen ein gemeinsamer Wirtschaftsraum werden", betonte Reinhold Macho, Bürgermeister von Furth im Wald", aber wir haben ungleiche Bedingungen. Das Resultat ist ein mulmiges Gefühl der Bürger. "Bei der von Bernhard Stuhlfelner, Ressortleiter Niederbayern/Oberpfalz beim Straubinger Tagblatt, moderierten Diskussionsrunde wurden von den sechs Teilnehmern einige Beispiele für diese ungleichen Bedingungen genannt, etwa in der Förderpolitik. Macho erzählte von einem Betrieb, der bei einer Ansiedlung in Furth im Wald nach vielen Behördengängen eine Förderung von 28 Prozent auf die Investitionskosten bekomme. Einen Kilometer weiter, hinter der Grenze, gebe es nicht nur 50 Prozent Zuschuß, sondern auch ein billigeres Grundstück und billigere Arbeitskräfte.

Waldmünchens Bürgermeister Franz Löffler forderte, es müsse wenigstens festgelegt werden, daß ein Betrieb, der sich nur einfach nach drüben verlagere, von Förderung ausgeschlossen sei - als größter Netto-Zahler der EU finanzierten die Deutschen ihm ansonsten sogar noch den Anreiz zum Weggehen. Als positiv wertete Löffler, daß das Lohnniveau in Tschechien schneller gestiegen sei als gedacht. Dem konnte der niederbayerische, IHK-Vizepräsident und Einzelhändler Gerhard Hennig nur zustimmen: "Der Faktor Lohnniveau wird sich in den nächsten Jahren weiter abmildern."

Wie unbürokratisch und schnell vieles in Tschechien im Vergleich zu Deutschland vonstatten geht, das jedoch ist es, was den Ostbayern Magenschmerzen macht. Die Diskutanten wiesen auf die durch kein Gesetz eingeschränkten Ladenöffnungszeiten hin, und Macho führte den Arena-Park an, der rund 500 Meter hinter der Grenze entstehen wird: mit 18 000 Quadratmetern Verkaufsfläche, während laut Macho für Furth höchstens 2 500 Quadratmeter genehmigungsfähig wären und auch das nur in einem "wahnsinnigen Instanzenweg, und da drüben entscheidet das der Bürgermeister einer Gemeinde mit 700 Einwohnern".

Die Gefahr solcher Auswüchse der EU-Osterweiterung nicht erkannt zu haben, kreidete Macho der Politik an. Der Tanktourismus gehe auf gleiches Versäumnis zurück und schade täglich Tankstellen und deutschem Staat, "nur weil Deutschland es nicht geschafft hat, einen Ausgleich für die Grenzbewohner zu schaffen", wie Löffler anfügte. Selbst falls der Schnitzer demnächst noch ausgebügelt werde, komme das zu spät: "In meiner Stadt waren sechs Tankstellen, jetzt ist es noch eine."

Michael Engl, Sprecher der Grenzspediteure, erzählte davon, daß für einen Fahrer, der krank wird, der tschechische Staat bereits ab dem ersten Krankheitstag die Kosten übernimmt. "Die Lohnnebenkosten drüben - das ist kein Vergleich." Er hat inzwischen auch in Tschechien einen Fuhrpark. In Deutschland gehe der Trend jetzt dazu, sich zu spezialisieren, bei ihm zum Beispiel "weg von den Planenfahrzeugen, die jeder hat". Denn die Lastwagen der tschechischen Spediteure könnten inzwischen mit den deutschen mithalten.

Ein Aspekt, über den sich Franz Former, stellvertretender Grenzbeauftragter der bayerischen Polizei, beim Punkt Verkehrssicherheit durchaus erfreut zeigte: Die Zahl der Mängel sei insgesamt deutlich zurückgegangen. Zolloberamtsrat Konrad Unger erinnerte sich mit Schrecken daran, "wie man früher beim Anlassen des Diesels in einer schwarzen Rauchwolke stand".

Immer schon gut funktioniert hat die Zusammenarbeit mit Tschechien laut Unger im Zollwesen. Sowohl, als der Krieg am kältesten war, als auch nach der Grenzöffnung. Er erwähnte etwa große Funde von Rauschgift und "Millionen von Zigaretten". Die mobilen Kontrollen funktionierten. Former erläuterte die verdachtsunabhängige Kontrolle von Reisenden, Autos und Gepäck und betonte, Verbrecher reisten aber nicht nur aus dem Osten zu uns - sondern genauso in umgekehrter Richtung:" Straftäter gibt es überall."

Daß nur gemeinsam die Probleme zu meistern sein werden, klang aus allen Schluß-Plädoyers - gepaart durchaus mit Hoffnung: "Die Schere geht langsam wieder zusammen", gab sich etwa Engl optimistisch, allerdings, so war er sich mit den anderen Diskussionsteilnehmern einig, sei ein langer Atem nötig, man dürfe nicht zu früh aufgeben.

Macho rief alle dazu auf, die Chancen stärker in den Vordergrund zu rücken, statt immer nur von den Risiken zu reden, nötig seien auf deutscher Seite "hochinnovative Produkte", da man auf dem Billigsektor nicht mithalten könne. Hennig brachte außerdem den Service-Gedanken und Kundenfreundlichkeit ins Spiel.

Fazit des Moderators: Es gebe keinen Grund zur Panik, die Grenzregionen hätten nicht nur Probleme, sondern "enorme Chancen und Möglichkeiten in neuen Räumen und Dimensionen". Dazu müsse jedoch angepackt werden, und ohne Unterstützung werde es nicht gehen. -map-

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