Straubinger, 30.März2006
Den Metropolen mit Profil entgegentreten
Staatsministerin Emilia Müller beim Jahresempfang der ostbayerischen Wirtschaft

Regensburg. Neue wichtige Chancen, aber auch zu bewältigende Risiken - so legte Staatsministerin Emilia Müller die Osterweiterung und den Stand Europas allgemein am Dienstag beim Jahresempfang der Wirtschaft im Kolpinghaus dar. Die aktuelle Krise in der EU müsse so rasch wie möglich überwunden werden. Bedenkenträger seien hierbei am falschen Ort. Und nicht gewünscht.

Das Rad der Globalisierung würde sich immer schneller drehen, was Unbehagen bei vielen Menschen in Ostbayern hervorrufe und sich teilweise auch gegen den Europäischen Einigungsprozess richte. "Wir müssen vermitteln, dass es keine Alternative zur Europäisierung und Globalisierung gibt, denn durch Export profitiert Ostbayern maßgeblich von der Öffnung der Märkte", erklärte Emilia Müller. Sie betonte "mit aller Deutlichkeit", dass die EU nicht Teil des Problems der Globalisierung, sondern Teil der Lösung sei. Europa sei als eine Wertegemeinschaft gegründet worden und die europäische Einigung sei als Erfolgsprojekt für Frieden, Freiheit und Wohlstand dringend nötig. "Wir müssen die aktuelle Krise der EU so rasch wie möglich überwinden."

Vor allem sprach sich die Ministerin dafür aus, Subsidiarität zu verwirklichen und die Aufgaben in der EU zu verteilen. Ebenso als immens wichtig sieht sie eine verantwortliche Gestaltung der EU-Erweiterung, der "Wiedervereinigung Europas". Hier liege der Schlüssel zum Erfolg für Ostbayern. "Uns eröffnen sich große neue Chancen auf dem Weltmarkt." Durch die Osterweiterung seien die bayerischen Ausfuhren in die neuen Mitgliedsstaaten von 1993 bis 2004 um 360 Prozent gestiegen, die Zahl der Importe um 280 Prozent.

Große Kompetenz

"Bayern besitzt große Kompetenz in Ost-West-Beziehungen und das ist unser entscheidender Wettbewerbsvorteil." Man müsse sich in Ostbayern mit Westböhmen zusammenschließen, ein eigenes Profil und genügend Format entwickeln, um sich gegen Metropolregionen wie München, Nümberg und Prag zu behaupten.

"Das ist keine Vision, das ist Realität und wir sollten diese Idee so schnell wie möglich gemeinsam umsetzen", erklärte die Ministerin unter Beifall der zahlreichen Gäste des Jahresempfangs. 100 Millionen Euro seien bereits bereitgestellt worden, um Unternehmen im Grenzgebiet zu Tschechien für die Erweiterung fit zu machen.

Diese neuen Entwicklungen seien jedoch nicht ohne Forderungen an Brüssel zu sehen: "Die Verlagerung von Betrieben darf nicht durch EU-Strukturfonds gefördert werden." Hier müsse man darauf achten, dass nur die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze unterstützt werde. "Wenn ein geförderter Betrieb innerhalb von sieben Jahren geschlossen wird, soll er die erhaltenen Strukturfondsmittel zurückzahlen müssen", betonte die Ministerin.

Mit Blick auf die Gesamtsituation der EU führte sie an, dass man "Europa nicht überdehnen" dürfe und künftige Erweiterungen von der strikten Erfüllung der Beitrittsvoraussetzungen durch die Bewerber abhängig gemacht werden müssten. Eine gute Beitrittsperspektive hätten bei noch zu bescheinigenden Fortschritten Rumänien und Bulgarien, ebenso liefen begrüßenswerte Aufnahmeverhandlungen mit Kroatien. Gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei sprach sich Emilia Müller jedoch aus. "Dies würde die Aufnahmefähigkeit der EU weit überfordern." Eine wünschenswerte und notwendige Anbindung an die Türkei müsse anders erfolgen. "Die Privilegierte Partnerschaft ist für beide Seiten eine realistische Alternative."

Leider zeige die Lissabon-Strategie mit dem Ziel, die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen, bisher wenig Erfolg. Daher sei die Reform der Strategie zu begrüßen und die beschlossenen Maßnahmen müssten konsequent umgesetzt werden. "Europa muss zur Lokomotive werden." Eine Durchsetzung des Binnenmarktes sei oberstes Gebot. "Am Binnenmarkt hängt, ob Europa funktioniert oder nicht."

Die Ministerin bescheinigte am Ende ihrer Ausführungen der Region Ostbayern beste Chancen, vor allem im Bereich der Cluster-Strategie. Abschließend führte sie die drei wichtigsten Stärken in Deutschland an: "Qualifizierte Arbeitnehmer, gute Infrastruktur und sehr hohe Rechtssicherheit."

Bedenkenträgern gegenüber neuer Ideen müsse man sofort entgegentreten. "Wir sollten mehr auf unsere Stärken und Ideen vertrauen. Denn wir haben es in der Hand, Europa zu einem starken globalen Akteur zu machen." -hac-

 

Straubinger, 29.März2006
Hartz IV macht Betroffene ärmer

Die Einführung von Hartz IV hat aus Sicht der Nationalen Armutskonferenz die Situation der Betroffenen dauerhaft verschlechtert. Zu diesem Schluss kommt die NAK in einer am Dienstag in Berlin vorgelegten sozialpolitischen Bilanz. "Armut breitet sich aus", sagte NAK-Sprecher Hans-Jürgen Marcus. Kinder unter 15 Jahren seien besonders betroffen. Rund 90 Prozent der HartzIV-Bescheide seien falsch, die Behörden oft überfordert. Die NAK forderte eine Anhebung der Regelleistung von 345 auf 420 Euro.

Die Ausbreitung von Armut sei eine "zentrale Konsequenz aus Hartz IV", sagte Marcus. Aus Sicht der NAK habe sich die Situation für den großen Teil der Hartz-IV-Empfänger, "dramatisch verschlechtert". So habe sich die Zahl der auf Sozialhilfeniveau lebenden Kinder von einer Million im Jahr 2005 auf 1,5 Millionen erhöht.

Die Gesetze zu Hartz IV böten "wenig Rechtssicherheit" und würden "überall anders gehandhabt", sagte Marcus. Nach der Reform der Sozialgesetze seien die Mindeststandards rapide zurückgesetzt worden. Die "Instrumente des Forderns" seien weit besser ausgebaut als die des Förderns.

Die Konsequenz bekommen unter anderem karitative Einrichtungen zu spüren. "Es gibt einen ungeheuer großen Zulauf ", sagte Marcus. Die Pauschale für einmalige Anschaffungen reiche nicht aus. Sie müsse oft im Alltag verbraucht und könne nicht etwa angespart werden. Wo Anschaffungen nötig seien, müssten diese über Kredite finanziert werden, der Einstieg in die Verschuldungsspirale beginne. Marcus nannte als ein Beispiel schwangere Frauen: Wenn es bereits ältere Kinder in der Bedarfsgemeinschaft gebe, würden Kinderbetten oder Babykleidung vielfach nicht gewährt. Kinderwagen müssten auf Pump gekauft werden, das Kind werde praktisch schon mit Schulden geboren.

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