Straubinger, 2.Dez 2004, Kommentar
LOB VERDIENT

VON KAI ALTENHOF

In vielen staatlichen Institutionen können Missstände nicht abgestellt werden, weil die sprichwörtliche Krähe der anderen kein Auge aushackt. Dass dagegen so gut wie nichts unternommen werden kann, ist gerade vor dem Hintergrund, dass dabei häufig Steuergelder vergeudet werden, unerträglich.

Im Fall der Bundesagentur für Arbeit geht es zudem um Millionen menschlicher Schicksale. Doch nun fordert ein Politiker sogar, jemanden zu bestrafen, der sich gegen dieses staatliche Amigo-System auflehnt. SPD-Chef Müntefering hält es für "unsolidarisch", dass BA-Verwaltungsratschef Peter Clever öffentlich gesagt hat, seine Behörde liefere schlechte Arbeit ab und fordert jetzt Clevers Ablösung.

"Der Mann ist dort fehl am Platze", sagt Müntefering. Doch umgekehrt wird ein Schuh daraus. Jeder, der in der Führungsspitze der Nürnberger Agentur nichts gegen die Probleme unternimmt oder sie sogar auf Politikergeheiß ignoriert, sollte sich einen anderen Job suchen. Danach wäre er allerdings wiederum schlecht beraten, sich an seinen ehemaligen Arbeitgeber zu wenden. Denn dass die staatliche Arbeitsvermittlung in Deutschland nicht besonders effektiv arbeitet, ist bekannt. Clever hat also nicht einmal ein Geheimnis verraten. Er hatte den Mut, die Wahrheit zu sagen. Doch die will in Berlin niemand hören. Im Grunde hätte Clever Anerkennung verdient.

Nach der Reaktion des SPD-Vorsitzenden ist nun nicht mehr so rätselhaft, warum die Zahl der Arbeitslosen nicht zurückgeht. Sicherlich, gegen den durch die anhaltende Konjunkturschwäche verursachten Abbau an Arbeitsplätzen können die Arbeitsvermittler nicht allzu viel ausrichten. Doch sie können dafür sorgen, dass die freien Stellen - und die gibt es auch in Deutschland noch zuhauf - mit Arbeitslosen besetzt werden.

Da scheint die folgende Idee unfassbar: Während die Bundesagentur in Nürnberg - mit sich selbst beschäftigt -vor sich hindümpelt, fordert die Zuwanderungskommission, Arbeitskräfte nach Deutschland zu holen. Nicht Clever ist untragbar. Leute wie Müntefering sind es.

Verwaltungsratschef kritisiert den
zähen Umbau der Bundesagentur

Clever gibt der Bundesregierung die Schuld - Rücktritt gefordert

Frankfurt/Main. (AP/dpa) Mit Kritik am schleppenden Umbau der Bundesagentur für Arbeit (BA) hat sich BA-Verwaltungsratschef Peter Clever selbst in die Schusslinie gebracht. Bundeskanzler Gerhard Schröder zeigte sich am Mittwoch verärgert, SPD-Chef Franz Müntefering legte dem Arbeitgebervertreter den Rücktritt nahe. Clever hatte gesagt, die Agentur sei bei Qualität und Quantität der Vermittlung kaum weiter als vor zwei, drei Jahren. Die Schuld dafür gab er der Bundesregierung, die die BA mit der Umstellung auf das Arbeitslosengeld II überlaste.

Müntefering sagte auf einer Veranstaltung der SPD-Fraktion laut Teilnehmerkreisen, Clever habe falsche Vorstellungen von seiner Aufgabe, seine Kritik sei geschäftsschädigend für die BA. Er solle als Mann der Wirtschaft gefälligst dafür sorgen, dass mehr offene Stellen angeboten würden. Die Arbeitgeber sollten Clever im Interesse ihres eigenen Ansehens zurückziehen.

Bundeskanzler Schröders "Verständnis über diese Form der Einlassung" ist laut Regierungssprecher Bela Anda "sehr begrenzt". Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement nannte Clevers Äußerungen "fernab jeder Realität". Bereits heute gebe es beträchtliche Erfolge bei der Eingliederung Arbeitsloser. Nach Angaben seiner Sprecherin hält der Minister eine Entlassung Clevers für vertretbar.

Auch BA-Sprecher Ulrich Waschki widersprach Clever. Zur gesunkenen Vermittlungsquote der Arbeitsagenturen sagte er: "Der Blick auf die Vermittlung allein greift zu kurz." So sei die Zahl der Abgänge in Erwerbstätigkeit nur leicht gesunken, was auch eine andere Vermittlungspolitik widerspiegele. Zum deutlichen Rückgang der Vermittlung habe zudem eine Statistikänderung beigetragen.

Rückhalt erhielt Clever vom bayerischen Arbeitsstaatssekretär Jürgen Heike, der ebenfalls Mitglied im BA-Verwaltungsrat ist. Die Rücktrittsforderung Münteferings sei "exemplarisch für die Realitätsblindheit und die Wagenburgmentalität der SPD und der Bundesregierung". Clever habe eine berechtigte Kritik geäußert.

Arbeitslose können sich mit Sorgen und Nöten bei Hartz IV künftig an einen Ombudsrat wenden. Das drei Mitglieder starke Gremium nahm am Mittwoch in Berlin offiziell seine Arbeit auf. Nach Aussage von Ratsmitglied Kurt Biedenkopf wird der Rat nicht über Einzelfälle entscheiden. Aufgabe sei es, aus der Fülle der Beschwerden herauszufiltern, wo man das Verfahren oder auch das Gesetz ändern müsse, sagte er im Bayerischen Rundfunk.

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