Straubinger, 19.Febr2005
"Deutsche und Tschechen werden Kunden verlieren"
Aussage von Bürgermeister Jan Latka zum "Arena-Park"
Furth im Wald. (ab) Auch in der tschechischen Partnerstadt Domazlice sorgt der "Arena-Park" in Folmava für Gesprächsstoff. Ähnlich wie ihre Further Kollegen fürchten die Einzelhändler in Domazlice um ihre Zukunft, falls das Projekt an der Grenze in der geplanten Größenordnung realisiert wird.
Domazlices Bürgermeister Jan Latka ist der Ansicht, dass der Geschäftskomplex mit einer Größenordnung von 18800 Quadratmetern sowohl den bayerischen als auch den tschechischen Einzelhändlern Kunden wegnehmen wird, aber sicherlich nicht alle. Viel Verständnis für die Aufregung in Furth im Wald kann der Bürgermeister von Domazlice deshalb nicht aufbringen. Schon bei der IHK-Konferenz am vergangenen Mittwoch in der Grenzstadt gab er zu verstehen, dass es doch auch gepasst habe, als die Tschechen zum Einkaufen nach Bayern gefahren sind und viel Geld dort gelassen haben.
Latka erinnert auch daran, dass schon jetzt viele Domazlicer für größere Einkäufe in das bereits bestehende Einkaufszentrum nach Pilsen fahren würden. Dieses Klientel würde dann sicher nach Folmava fahren.
"Die Eröffnung eines derart ausgedehnten Einkaufszentrums in Folmava würde aber nicht nur eine Abnahme der Kunden bedeuten - vielleicht sogar bis aus Klattau - sondern es könnte sich auch die Verkehrsbelastung in Domzalice erhöhen", vermutet Latka.
Vor allem im nahe gelegenen Babylon dürfte der Verkehr nach der Eröffnung des Einkaufscenters stark zunehmen.
KOMMENTAR
Offene Fragen aus dem ländlichen Raum
"EU soll Arena-Park bei Furth verhindern", "Ostbayern als Pendler wie in den 50ern?", "In neuen EU-Ländern schwindet der Optimismus" - Drei Schlagzeilen unserer Zeitung in dieser Woche, die eins gemeinsam haben: Die Schnittstelle ist die Befindlichkeit der ostbayerischen Grenzregionen zwischen Waldsassen und Philippsreuth in unserer globalisierten Welt. Knapp zehn Monate nach der EU-Osterweiterung liegt die Wahrnehmung der Tirschenreuther, Chamer, Freyung-Grafenauer auf einer Linie mit der zunehmenden Verdrossenheit der tschechischen Nachbarn jenseits der Grenze.
Die Ursachenfindung ist im "globalen Dorf" wie immer schwierig: Die EU-Osterweiterung alleine ist nicht schuld daran, dass es im "ländlichen Raum" an der Grenze zu Tschechien weniger Arbeitsplätze gibt - aber ein Katalysator dafür. Firmen und Konzerne, die ihre Produktion aus der Region ins Ausland verlagern, hätten dies wohl auch ohne den Beitritt von Tschechien und Polen getan, viele sind aber durch die ständigen Lohnkosten-Diskussionen und Abwanderungs-Droh-Kulisse erst richtig heiß geworden. Auch wenn ihr Nirwana in China oder in Weissrussland liegt.
Die zudem absehbaren Insolvenzen von Firmen in Ostbayern, die demnächst noch Tausende von Arbeitsplätzen bedrohen werden, wurden größtenteils nicht in Konkurrenz mit dem tschechischen Nachbarn verursacht, sondern nach den Gesetzen des unerbittlichen, eiskalten Weltmarktes - der Preis zählt, nicht der Mensch.
Das sehen inzwischen auch die Bürger in Tschechien und Polen so. Wenn laut neuester GfK-Studie 40 Prozent der Bürger in den Beitrittsländem mit einem sinkenden Lebensstandard rechnen (deutlich mehr als kurz nach der Erweiterung), dann dürfte sich diese Fieberkurve mit der in den ostbayerischen Grenzregionen decken.
Realismus ist eingekehrt an beiden Seiten der Grenze - zehn Monate nach der Erweiterung, Umso problematischer ist die Entwicklung, weil dadurch jenes politische Entlastungsargument ausgehebelt scheint, das im Vorfeld viele mit dem 1. Mai 2004 versöhnt hatte: Nach einer gewissen Konsoldierungsphase, so die Prognose, werden sich die Lebenstandards in Tschechien und Ostbayern auf dasselbe Niveau angleichen.
Es gleicht sich tatsächlich an; nur vermutlich in der nicht beabsichtigten Richtung: Über den Arbeitsplatz-Abbau in den ostbayerischen Grenzregionen sowie den Abbau von staatlichen und betrieblichen Sozialleistungen geht es in Richtung tschechisches Niveau.
Da hilft es dem Otto Normalverbraucher nur vorübergehend, wenn er als ostbayerischer Grenzbewohner jenseits der Grenze billiger einkaufen kann. Der kostengünstige Sprit-Kauf über den Tanktourismus. Oder der billige Einkauf im tschechischen 18 000-Quadratmeter-Einkaufszentrum hinter der Grenze, wie es derzeit bei Furth i. Wald geplant ist - womöglich noch großzügig gefördert mit EU-Mitteln (auch aus deutschen Geldern).
Insofern ist die Diskussion um die unterschiedlichen Quoten der Förderung von tschechischen und ostbayerischen Grenzregionen eine grundlegende - die aber umfassend geführt werden soll. Es geht um Anreize für investitionswillige Firmen - die woher kommen sollen? Es geht um Millionen von der EU - die wohin fließen?
Das Grenzland muss dankbar sein für jede Million, die hier investiert wird. Ein weiterer Schritt der bayerischen Staatsregierung dazu ist das lobenswerte "Ostbayern-Programm" aus den Verkaufs-Erlösen der Regentalbahn. 60 Millionen Euro fließen wieder direkt zurück nach Ostbayern.
Auf den ersten Blick ein fetter Brocken. Macht man sich aber klar, dass beim Obolus für den Staatsstraßenbau ein knapper Kilometer Ortsumgehung schon einmal 1,5 Millionen Euro kostet, ist das Geld schnell weg: vier Millionen für zwei Maßnahmen in Niederbayern, sechs in der Oberpfalz, drei Straßenausbauten in Oberfranken - und zwölf Millionen sind verbraten. Weitere 20 Millionen Euro fließen aus dem Programm in die Grenzland-Unternehmen - ob es helfen wird, die anstehenden ostbayerischen Firmen-Insolvenzen zu vermeiden?
Wenn Wirtschaftsminister Otto Wiesheu beim dritten Ostbayern-Forum "EU-Osterweiterung" vor drei Wochen in Schwandorf dafür plädiert hat, den Strukturwandel im Zuge der Erweiterung "offensiv zu gestalten" und, was im Wettbewerb mit den neuen EU-Ländern wegbreche, laufend "durch Neues und Besseres zu ersetzen", gibt er den richtigen Weg vor.
Ein Genie-Streich des Wirtschaftsministers wäre es aber, einen "global player" ins Boot zu holen, der sich statt um München in Schönsee, Waldmünchen oder Zwiesel ansiedelt. Wie viele Millionen Euro aus Programmen wiegen 100 Arbeitsplätze im ländlichen Raum mittelfristig auf? RalfLipp
Förder-Aus wäre "fatal"
Resolution der Euregio: EU-Strukturhilfe fortführen
Freyung. Die Euregio Bayerischer Wald - Böhmerwald macht sich für eine Fortführung der europäischen Strukturhilfe im ostbayerischen Grenzland stark. Der kommunale Verband mit Partnern aus Ostbayern, Böhmen und Österreich hat dazu einstimmig eine Resolution verabschiedet, die gestern unter anderen an Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement weitergeleitet wurde. Wie berichtet, steht eine Fortführung der EU-Strukturförderung ab 2007 möglicherweise in Frage.
In dem Schreiben betonen Euregio-Vorsitzender Alexander Muthmann, Landrat im Kreis Freyung-Grafenau, und Geschäftsführer Kaspar Sammer die Bedeutung der bisherigen Förderprogramme: "Ziel 2 und insbesondere Interreg sind für unsere Regionen von unverzichtbarem Wert (... ). " Würden weitere Förderanreize wegfallen, würde das zu weiteren Betriebsverlagerungen und Arbeitsplatzverlusten in Ostbayern führen, so die Befürchtung von Muthmann und Sammer. "In unserer Region können die bisher gewährten Tranzferzahlungen deshalb keinesfalls als abschließendes Kapitel der Hilfe zur Selbsthilfe betrachtet werden (... ). Gerade in den Grenzgebieten, die über Jahrzehnte hinweg mit großen standortpolitischen Nachteilen zu kämpfen hatten, wäre die Aufgabe strukturfördernder Interventionen in der jetzigen wirtschaftlichen Lage geradezu fatal."
Die Euregio Bayerischer Wald Böhmerwald ist 1994 als trilateraler kommunaler Verband gegründet worden. Zielsetzung war dabei vor allem, die grenzüberschreitenden Kontakte zu koordinieren und zu fördern. Das Gebiet umfasst auf tschechischer Seite vier böhmische Landkreise, auf ostbayerischer Seite die Kreise Cham, Regen, Freyung-Grafenau, Deggendorf, Straubing-Bogen und Passau sowie die kreisfreien Städte Straubing und Passau. Hinzu kommen 110 österreichische Mitgliedsgemeinden. -pah-