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Landshuter,Straubinger,26.Juli 2004

Druck auf Regierung zu Änderungen bei HartzIV nimmt zu

Friedrich Merz: Das Scheitern zeichnet sich bereits ab-Massive Kritik an Aussteuerungsbetrag für Arbeitslose

Frankfurt/Main. (AP/dpa) Der Druck auf die Bundesregierung zu Änderungen an der umstrittenen Zusammenlegung von Arbeitslosen und Sozialhilfe wächst zusehends. Fünf Monate vor dem geplanten Start der Hartz-IV-Reform warnten Politiker aus Union sowie Sozialexperten am Wochenende vor einem Chaos bei der Betreuung von Millionen Arbeitsloser sowie einer neuen Altersarmut. Zudem entbrannte ein neuer Streit um die Kosten der Arbeitsmarktreform.

Laut dem stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedrich Merz, zeichnet sich wegen des nicht zu bewältigenden Verwaltungsaufwandes ein Scheitern der Reform bereits ab. "Das wird Maut plus Dosenpfand hoch zehn", sagte Merz. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) kritisierte, dass Arbeitslose ihre Lebensversicherungen kündigen müssten. Darüber sei das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Der Regierungsberater Bert Rürup bezeichnete die Hartz-IV-Reform als "härteste Sozialreform", die wegen der momentan fehlenden Stellen zu einem schwierigen Zeitpunkt komme. Der Bonner Professor Meinhard Miegel sieht langfristig das Risiko einer neuen Altersarmut. Die Sozialgerichte erwarten indessen eine Klagewelle von einer Million Fälle.

Arbeitgeber und Gewerkschaften warfen der rot-grünen Koalition zudem vor, Milliarden an Ausgleichszahlungen von der Bundesagentur für Arbeit (BA) kassieren zu wollen. Hintergrund ist die gesetzlich festgelegte Verpflichtung der Bundesagentur, dem Bund einen so genannten Aussteuerungsbetrag für Langzeitarbeitslose zu zahlen. Allein im kommenden Jahr erwarte der Bund eine Zahlung von 6,7 Milliarden Euro, berichtete eine Zeitung in Hannover.

Der Vorsitzende des BA-Verwaltungsrates und Arbeitgebervertreter Peter Clever sagte, die Bundesregierung wolle die BA-Beitragskasse plündern. Der Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im BA-Verwaltungsrat, Wilhelm Adamy, bezeichnete die Regelung der Zeitung zufolge als "Strafsteuer". Laut Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt verursacht der Betrag einen Anstieg der Lohnnebenkosten um knapp einen Prozentpunkt. Das Wirtschaftsministerium wies die Vorwürfe auf AP-Anfrage als unbegründet zurück, die Zahlungen sollten Anreiz für die BA zu einer schnelleren Vermittlung sein.

Die Hoffnung der Bundesregierung auf eine spürbare Senkung der Zahl der Langzeitarbeitslosen durch die Hartz-IV-Reform wird derweil von Experten gestützt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet damit, dass sich die Zahl der Langzeitarbeitslosen bis 2006 um mehrere hunderttausend verringert. Der SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner sagte einen Rückgang von 500 000 bis Ende 2005 voraus. Wie das DIW setzt Brandner auf die Zugkraft der so genannten Kombilohn-Jobs: Dabei können Bezieher von Arbeitslosengeld II sich durch "sinnvolle Arbeit" künftig mehr als bisher hinzuverdienen.

CDU-Chefin Angela Merkel ist indessen Befürchtungen entgegen getreten, ihre Partei nehme die berechtigte Sorge vieler Menschen vor sozialem Abstieg nicht ernst. "Die CDU wird nicht unsozial", stellte Merkel am Wochenende im Zusammenhang mit der Reformdebatte klar. Zugleich warnte sie ihre Partei vor Selbstzufriedenheit angesichts guter Umfragewerte und plädierte für eine offene Reformdebatte. Politik müsse daran arbeiten, den Verlust von Wohlstand von immer mehr Menschen zu verhindern, sagte Merkel. "Deshalb ist soziale Politik alles, was schnell mehr Beschäftigung schafft." Sie teile aber die Befürchtung von CSU-Chef Edmund Stoiber, dass die Union als Partei des Sozialabbaus wahrgenommen werden könnte.