Straubinger, 24.Febr2006
"Die Zusammenarbeit mit Tschechien ausbauen"
Exklusiv-Interview mit Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber, zur Zeit in Prag
Von Dr. Hans M. Götzl

Herr Minister Huber, Sie haben auch mit Blick auf die ostbayerischen Grenzgebiete das Nachbarland Tschechien für ihre erste Delegationsreise als bayerischer Wirtschaftsminister gewählt. Was dürfen sich die Menschen in Ostbayern von Ihrer Prag-Visite erwarten?

Huber:Zum einen wollen wir die bayerischen Grenzgebiete von unserer Seite her wirtschaftlich stark machen, damit sie dem Wettbewerb mit Tschechien gut gewachsen sind. So haben wir uns zum Beispiel für die Gemeinschaftsaufgabe, für die Fortsetzung der Ziel-Zwei-Förderung und für das Ertüchtigungsprogramm eingesetzt. Das zeigt Erfolg.

Zum anderen liegen in der Zusammenarbeit mit tschechischen Unternehmen auch für die bayerische Wirtschaft, vor allem für die ostbayerische, gute Chancen. Wir wollen diese wirtschaftlichen Kontakte ausbauen. Dabei habe ich auch deutlich gemacht, dass wir die Übergangszeit für die Freizügigkeit von Arbeitnehmern bei sieben Jahren belassen werden. Niemand muss also in den nächsten fünf Jahren Angst haben.

Selbst Tschechiens Ministerpräsident Jiri Paroubek ließ es sich nicht nehmen, Sie zu einem Meinungsaustausch zu empfangen. Wie war die Gesprächsatmosphäre? Was ist das Fazit?

Huber:Also, das war außergewöhnlich, denn es ist ja nicht gerade üblich, dass ein Ministerpräsident, ein Regierungschef einen Landesminister empfängt. Das Gespräch dauerte über eine Stunde und es war sehr offen. Premier Paroubek bekundete, dass auch er größtes Interesse daran hat, die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zum Nachbarland Bayern zu intensivieren. Ich habe einen persönlichen Brief des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber mitgebracht und ich gehe davon aus, dass es im Herbst dieses Jahres zu gegenseitigen Besuchen kommen wird. Das heißt, wir stehen jetzt endlich vor einer neuen Ära gut nachbarlicher Entwicklung und Zusammenarbeit.

Zwischen der bayerischen Staatsregierung und Prag hat es in den vergangenen Jahren wegen der anhaltenden Debatte um die Vertreibung der Sudetendeutschen immer wieder Missklänge gegeben. Kam auch dieses Thema zur Sprache?

Huber: Ich habe mit dem tschechischen Ministerpräsidenten darüber ganz offen gesprochen. Natürlich gibt es da noch unterschiedliche Positionen. Allerdings richtete auch Paroubek bei diesem Thema den Blick in die Zukunft und das finde ich sehr ermutigend.

Herr Minister, zwar werden die ostbayerischen Grenzgebiete weiterhin im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe (GA) gefördert und die ursprünglich geplanten einseitigen Kürzungen jetzt gleichmäßig auf Ost- und Westdeutschland verteilt. Ist damit der Förderbedarf für diese Region gestillt, oder sollte nicht auch noch Brüssel einspringen?

Huber: Also sichergestellt sind die Gemeinschaftsaufgabe, das Ziel-Zwei-Fortsetzungsprogramm, das Ertüchtigungsprogramm und die 75 Millionen Euro, die Bundeskanzlerin Angela Merkel für die ostbayerische Grenzregion herausgeschlagen hat. Damit ist dem Rahmen eine gute Voraussetzung gegeben. Künftig werden wir auch in der Gemeinschaftsaufgabe höhere Fördersätze haben. Wichtig ist auch, und das habe ich auch in den Gesprächen hier in Prag mit den Vizeministern für Industrie und Handel, Martin Tlapa, und für Verkehr, Vojtech Kocorek, deutlich gemacht, dass wir die Verkehrsverbindungen auf Straße und Schiene weiter ausbauen müssen. Auch das kommt natürlich dem Grenzland bei uns zugute.

Herr Minister, neben dem Fördergefälle gibt es im Grenzbereich auch noch ein großes Lohn- und Lohnnebenkostengefälle. Hinzu kommen der leidige Tanktourismus über die Grenze und vor allem das Problem der Scheinselbständigen aus Tschechien und Polen, die mit ihren Dumpingpreisen dem heimischen Handwerk das Leben schwer machen. Sehen Sie da eine Möglichkeit, dieses Problem zu entschärfen. Können wir überhaupt noch "um das besser sein, was andere billiger sind"?

Huber: Ja, das können wir selbstverständlich. Das liegt aber primär im Bereich der Produkt-Produktionsqualität. Das heißt, all diese Themen, die Sie hier ansprechen, sind außerordentlich wichtig und bedeutsam, aber sie müssen doch in erster Linie im eigenen Land, hier bei uns, gelöst werden. Wir sollten uns deshalb nicht bei möglichen Wettbewerbern über deren Stärke beklagen, sondern wir müssen unsere eigenen Kräfte entwickeln. Wir werden deshalb mit regionalem Marketing eine Strategie für den Mittelstand entwickeln, die ihm größere Räume eröffnet. Zusätzlich werde ich im Bereich der Landesentwicklung für den strukturschwachen ländlichen Raum ein Gesamtpaket vorschlagen, um uns in dem europäischen und globalen Wettbewerb künftig besser behaupten zu können.

Bauchschmerzen bereitet den Ostbayern auch, wenn sie feststellen müssen, wie unbürokratisch und schnell vieles in Tschechien im Vergleich zu Deutschland vonstatten geht. Das gilt sowohl für die Genehmigung des riesigen Einkaufszentrums "Arena-Park" bei Furth im Wald, nur 500 Meter hinter der Grenze, als auch für die tschechischen Ladenöffnungszeiten, die ja durch keine Gesetze eingeschränkt sind. Wie soll bei diesen ungleichen Bedingungen ein gemeinsamer Wirtschaftsraum entstehen, geschweige denn florieren?

Huber: Wir werden nach der Schaffung der Landeszuständigkeiten auchbei unseren Ladenöffnungszeiten Veränderungen vornehmen. Ich habe, was diese Einkaufszentren nahe an der Grenze angeht, vorgeschlagen, dass wir die Ermächtigung bekommen, bei Einzelverfahren auch von unseren engen Regelungen abzuweichen, wenn es im benachbarten Ausland so krasse Wettbewerbsverzerrungen gibt. Das heißt, ich möchte auch vom Landtag die Ermächtigung bekommen, hier rasch reagieren zu können. Wir können doch nicht tatenlos zusehen, wenn immer mehr Kaufkraft von Bayern abgezogen wird. Das bezieht sich sowohl auf Tschechien, wie auch auf Österreich. Wir werden künftig viel schneller und konsequenter reagieren.

"Heimspiel bei den Nachbarn": Unter diesem Motto stand am Donnerstagabend der große Bayern-Empfang in Prag, um für die Fußballweltmeisterschaft kräftig die Werbetrommel zu rühren. Dabei wird es auch ein Torwandschießen geben. Haben Sie dafür schon heimlich trainiert? Wie stark ist schon das WM-Fieber in Tschechien zu spüren?

Huber:Tschechien ist ein Fußball-Land wie Deutschland und Bayern. Deshalb setze ich natürlich auch eine Geheimwaffe ein: Uli Hoeneß. Er wird natürlich über Fußball in Bayern und in Deutschland berichten und damit auch ein weiteres "Highlight" setzen. Im Klartext: Wir scheuen keinen Aufwand und keine Kosten um Bayern ins rechte Licht zu setzen und ich danke Hoeneß, dass er als Botschafter Bayerns hier in Prag tätig wurde.

 

DIE WELT 24.Febr2006
Deutschland spart erheblich bei der Forschung

Essen - Die Deutsche Wirtschaft gibt immer weniger Geld für Innovationen aus. "Der Forschungsstandort Deutschland entwickelt sich kaum weiter", klagt Jürgen Hambrecht, Vizepräsident des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft und Chef des Chemiekonzerns BASF. Die Gesamtausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) sanken 2004 neuesten Erhebungen zufolge um 221 Mio. Euro auf 46,3 Mrd. Euro.

Besonders der Staat zieht sich nach Verbandsangaben aus der Forschungsfinanzierung zurück. 2004 lag sein Anteil an den F&E-Aufwendungen nur noch bei 30 Prozent. Zehn Jahre zuvor waren es noch 38 Prozent gewesen. "Das ist ein Alarmsignal", warnte Hambrecht, der dadurch die Grundlagenforschung gefährdet sieht.

Im europäischen Vergleich belegt die Bundesrepublik bei den Forschungsausgaben nur noch einen Mittelfeldplatz zwar vor anderen großen Wirtschaftsnationen, aber hinter kleineren Volkswirtschaften wie Finnland oder der Schweiz.

Vom sogenannten Lissabon Ziel, der EU-Vorgabe, bis 2010 jährlich mindestens drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung zu investieren, ist Deutschland laut Erhebung des Stifterverbandes weit entfernt. 2004 zumindest sank der Anteil der F&E-Aufwendungen am Bruttoinlandsprodukt auf 2,48 Prozent.

Der Stifterverband zeigt sich besorgt: "Innovationen sind der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit des Standorts Deutschland. Was wir heute nicht in F&E investieren, können wir morgen nicht in Form von Innovationen ernten", sagt Hambrecht. 2006 sollen die Investitionen wieder auf 48 Mrd. Euro ansteigen. Davon stammen mittlerweile 25 Prozent von Töchtern ausländischer Unternehmen. cadi

 

Straubinger, 28.Febr2006
LANDKREIS CHAM
Zellner mit guten Botschaften aus Prag

Seine erste Auslandsreise führte den bayerischen Wirtschaftsminister Erwin Huber am Donnerstag und Freitag vergangener Woche nach Prag. Der hochkarätig besetzten Delegation gehörte auch Theo Zellner, Präsident des Bayerischen Landkreistages, an. Zellner wäre nicht Zellner, wenn er diesen Besuch bei den tschechischen Nachbarn nicht genutzt hätte, um für den Landkreis Cham relevante Themen anzusprechen.

So plädierte er im Gespräch mit dem Vizeminister für Industrie und Handel dafür, Einzelhandelsgroßprojekte staatlicherseits besser abzustimmen. Vom Vizeminister für Verkehr, Vojtech Koucourek, vernahm Zellner die frohe Kunde, dass Tschechien an einem schnellen Personenverkehr auf der Bahnlinie zwischen Pilsen und München über Furth im Wald und Cham höchst interessiert ist. Eine bayerisch-tschechische Arbeitsgruppe soll sich damit beschäftigen. Zellner registrierte in diesem Zusammenhang erfreut, dass Wirtschaftsminister Erwin Huber von "größtem Interesse der bayerischen Staatsregierung" an einer solchen Bahnverbindung sprach.

Der Chamer Landrat brachte beim Besuch im tschechischen Verkehrsministerium ferner das Problem des derzeit auf der Strecke München Prag erforderlichen Umsteigens der Fahrgäste in Furth im Wald zur Sprache. Hier ist die tschechische Bahn bestrebt, vorhandene Mängel an ihren Zügen zu beheben, so dass diese auf deutschen Schienen wieder fahren können. Das für die Passagiere lästige Umsteigen am Further Bahnhof sollte damit in absehbarer Zeit entfallen.

Ebenfalls im Interesse der tschechischen Regierung ist, wie Zellner erfuhr, eine Regionalverbindung der Bahn zwischen Schwandorf über Furth im Wald nach Taus. Zudem befürwortet die politische Spitze im Nachbarland ausdrücklich den Ausbau des grenzüberschreitenden Busverkehrs. Der Minister für Regionalentwicklung, Radko Martinek, machte in dem Gespräch mit der bayerischen Delegation deutlich, dass auch Tschechien an einer Fortentwicklung seines ländlichen Raumes gelegen ist.

Unterhaltsamer Nebeneffekt des Pragbesuchs war für Zellner die Teilnahme an einer Werbeveranstaltung für die Fußballweltmeisterschaft in der deutschen Botschaft. Prominente Repräsentanten des runden Leders: auf bayerischer, Seite FCB-Manager Uli Hoeneß, auf tschechischer Seite Zdenek Nehoda. Zwischen den beiden blühte der Flachs, hatte doch Nehoda im EM-Endspiel 1976 beim Elfmeterschießen getroffen, während Hoeneß den entscheidenden Elfer in den Belgrader Nachthimmel versenkte. -wf-

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