Mittelbayerische Zeitung, 2./3.Juli 2003

Deutschland hat sich im Wettbewerb verbessert
Bundesbank-Chef Axel Weber in Regensburg: Ohne Strukturreformen nicht mehr als 1,5 Prozent Wachstum
VON BERNHARD FLEISCHMANN, MZ

REGENSBURG. Die Deutschen sind es leid, mit kläglichen Wachstumsraten der internationalen Wirtschaft hinterherzukriechen. Denn damit verbunden sind unter anderem Lohnverzicht und hohe Arbeitslosigkeit. Mitunter kommt in der Diskussion, wie Dynamik entfacht werden könnte, die Zinspolitik ins Spiel. Die mit dem Euro erzwungene gemeinsame europäische Geldpolitik wird als Fessel empfunden.

Doch für den Bundesbank-Präsidenten Dr.Axel Weber, der auch im Zentralbankrat der Europäischen Zentralbank sitzt, greift diese Debatte glatt ins Leere.

"Die Probleme der Binnenwirtschaft sind über die Geldpolitik nicht zu lösen, auch wenn sich manch einer in Berlin dies wünscht", konnte sich der Volkswirt bei seinem Vortrag an der Universität Regensburg am Donnerstag Abend einen Seitenhieb auf die Bundesregierung nicht verkneifen. Ohne die vielseits geforderten Strukturreformen (Arbeitsmarkt, Gesundheit, Rente) werde sich die Binnenkonjunktur kaum beleben. Zwar habe Deutschland in den vergangenen Jahren seine internationale Wettbewerbsfähigkeit gesteigert. Aber im Inland würden die Menschen erst dann davon profitieren, wenn wieder investiert wird und damit Arbeitsplätze entstehen. Und Investitionen hingen von der Erwartung einer anziehenden Binnendynamik ab. Die wiederum, so Weber, werde sich erst dann entfalten, wenn Strukturreformen ihre Wirkung entfalten könnten.

Unter den gegenwärtigen Bedingungen werde Deutschland keine Wachstumsraten von drei oder vier Prozent sehen, schätzt der Bundesbank-Chef. Das Potenzial für die nächsten Jahre reiche gerade mal für rund 1,5 Prozent, selbst in einem Aufschwung. Was wiederum hieße, dass sich Deutschland aktuell schon eher am oberen Rand seiner Möglichkeiten bewegt eine wenig erfreuliche Erkenntnis, die Weber in der öffentlichen Ringvorlesung verbreitete. Wobei Deutschlands oberster Banker die Beifügung "öffentlich" geflissentlich übersah und mit der Bemerkung "ich bin ja hier an einer Uni" dem Auditorium einen eher wissenschaftlichen denn populären Vortrag präsentierte.

Webers vordringliches Ziel war es zu widerlegen, dass national unterschiedliche Entwicklungen innerhalb der Währungsunion die Geldpolitik überfordern könnten. Das Argument, Deutschland sei innerhalb der Euro-Zone benachteiligt, weil die niedrige Inflationsrate höhere Realzinsen gegenüber anderen Ländern bedeute, lässt er nicht gelten - im Gegenteil: die hohe Preisstabilität wirke sich

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Binnenwirtschaft sind

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zu lösen, auch wenn sich

manch einer in Berlin

dies wünscht.' Bundesbank-Chef Axel Weber

langfristig positiv aus. Denn die Realzinsen (Zins minus Inflationsrate) lägen mit einem halben Prozent in Deutschland auf historisch niedrigem Niveau und schieden folglich als Wachstumsbremse aus. Überdies hätten die Inflationsraten der Länder noch nie so nahe beieinander gelegen wie jetzt. Allerdings seien es immer die gleichen Staaten, welche über bzw. unter dem Durchschnitt liegen. Dies liege an strukturellen Differenzen. Diese müssten überwunden werden, um ähnliche Inflationsraten zu bekommen.

Länder mit höheren Inflationsraten profitierten zwar kurzfristig vom niedrigeren Realzins, würden aber auf längere Sicht an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. So habe Deutschland seit der Währungsunion 1999 seine preisliche Wettbewerbsfähigkeit, auch dank geringer Lohnzuwächse, um mehr als acht Prozent gegenüber dem EWU-Schnitt gesteigert. Im Gegenzug verliere etwa Italien "dank" hoher Inflation und kräftiger Lohnsteigerungen um ebenfalls mehr als acht Prozent. Der Effekt: Deutschlands Export brummt, Italien hat sich an den Rand der Rezession gewirtschaftet.

Deshalb stellt sich Weber auf die Seite jener Volkswirtschaftler, die für weitere Lohnmäßigung plädieren. Einem "Schluck aus der Pulle" würde der Kater folgen. Und stellt mit diesem Statement das Übergewicht für die Befürworter weiterer Konsolidierung her, nachdem im Rahmen der Ringvorlesungen der angebots-orientierte ifo-Präsident Hans-Werner Sinn und der für Lohnzuschläge plädierende "Weise" Peter Bofinger für ein Patt gesorgt hatten.

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