Straubinger, 30.März2005

Kommentar
BERLINER MILLIARDEN
VON GEORG SPRANGER

Tickt die Berliner Wirtschaftspolitik eigentlich noch richtig? Da erinnert der Bundeskanzler die DAX-Konzerne zu Recht daran, dass Super-Gewinne eigentlich Massenentlassungen ausschließen müssten; und die Partei jubelt, weil das Labsal für die gebeutelte sozialdemokratische Seele ist. Doch kein Wort zu den Rahmenbedingungen des Mittelstandes, den Rot-Grün beim Schielen auf die großen Namen immer wieder vernachlässigt; und die Partei schweigt, weil das alte sozialistische Feindbild vom Unternehmer keine Differenzierungen verträgt.

Geradezu die Sprache verschlagen hat es der Basis aber, aus dem Mund der Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel zu hören, Bund und Länder sponserten die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland jährlich mit fünf Milliarden Euro. Dazu kann man noch die drei Milliarden rechnen, mit denen der Fiskus deutsche Geldanlagen in Hollywood-Filmfonds bedenkt. Auch Beteiligungen an Schiffsbauten auf südkoreanischen Werften sind Hans Eichel eine ordentliche Summe wert.

Praktisch auf einen Schlag käme ein Betrag zusammen, der wesentlich höher ist als die Eigenheimzulage in sechs Jahren. Doch deren Abschaffung würde Arbeitsplätze kosten, die Sozialausgaben erhöhen und Steuermindereinnahmen zur Folge haben, während sich mit den Eichel-Geschenken die geplante Senkung der Unternehmensteuer mit links bezahlen ließe.

Solche groben Konstruktionsmängel erklären den Attentismus der Wirtschaft dennoch nur zum Teil. Als Rot-Grün vor gut sechs Jahren das Regierungsruder übernahm, glaubten die Koalitionäre, quasi einen Anspruch auf Wirtschaftswachstum zu haben. Darauf gründeten. sie eine Politik neuer ökosozialer Ansprüche und Forderungen, wirtschaftspolitisch begleitet von Gerhard Schröders ruhiger Hand. Gegen die Folgen hatte man nicht mehr als Flickwerk zur Hand. Nachbessern lautete das Motto. Und jetzt die Unternehmerschelte. Doch Wirtschaft lässt sich nicht an- und ausknipsen wie ein Lichtschalter. Wirtschaft hat auch ein Gedächtnis.

 

30.März 2005

Streit um "Bürger-Pflegeversicherung"

Berlin. (dpa) Der Vorstoß von SPD-Chef Franz Müntefering, zur Finanzierung der defizitären Pflegeversicherung auch Beamte und Selbstständige heranzuziehen, ist weiter umstritten. Der Beamtenbund (dbb) verwies am Dienstag darauf, dass die Beamten schon seit zehn Jahren im Rahmen privater Pflegeversicherungen ihren Beitrag leisteten. CSU-Vizechef Horst Seehofer warnte, den Versichertenkreis auszuweiten, bevor die "Strukturmängel der Versicherung" behoben seien. Zustimmung erhielt Müntefering jedoch vom Deutschen Gewerkschaftsbund.

Die von Union und SPD vor zehn Jahren eingeführte Pflegeversicherung rutscht seit 1999 immer tiefer in die roten Zahlen. Im vorigen Jahr gab es ein Rekorddefizit von 820 Millionen Euro, die Rücklagen liegen nun bei 3,4 Milliarden Euro.

 

Umfrage:Arbeitslosigkeit

stärkt die rechten Parteien

Berlin. (dpa) Wirtschaftliche Probleme und Arbeitslosigkeit sind nach überwiegender Meinung der Wahlberechtigten laut einer Umfrage die Hauptfaktoren für das Erstarken rechtsextremer Parteien. In einer Umfrage von Infratest dimap, deren Ergebnisse am Dienstag veröffentlicht wurden, stuften 61 Prozent aller Befragten "wirtschaftliche Probleme und Arbeitslosigkeit" als einen "sehr wichtigen Grund" ein, weitere 31 Prozent als "wichtigen Grund".

Drei Prozent können sich vorstellen, bei der nächsten Bundestagswahl Republikaner, DVU oder NPD zu wählen. Für weitere vier Prozent würde es im Bereich des Möglichen liegen. Damit würde das Potenzial der Rechtsextremen bundesweit die Fünf-Prozent-Marke überschreiten.

 

31.März 2005

CSU ist gegen den Pflege-Vorstoß der SPD

München. (dpa) Die CSU lehnt den Vorschlag von SPD-Chef Franz Müntefering zur Einbeziehung von Beamten und Selbstständigen in die Pflegeversicherung ab. Der SPD-Chef übersehe, dass damit nicht nur der Kreis der Beitragszahler wachse, sondern auch der Kreis der Leistungsbezieher, sagte die bayerische Sozialministerin Christa Stewens (CSU) am Mittwoch in München. "Die erhoffte Entlastung der Finanzen der Pflegeversicherung wäre also lediglich ein kurzfristiger Schneeballeffekt." Stewens sprach sich für eine kapitalgedeckte private Ergänzungsversicherung aus.

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