Medizin: Neues Computertomographie-Verfahren verbessert die Arthritis-Diagnose - Nanopartikel sollen Medikamente ins entzündete Gewebe transportieren
Laserstrahlen ermöglichen Früherkennung
VDI nachrichten, München, 10. 12.04

Mit Laserstrahlen einer bestimmten Wellenlänge kann neuerdings entzündliches Rheuma in den Fingergelenken frühzeitig diagnostiziert werden. Die so genannte Streulichttomographie arbeitet mit für den Körper unschädlichen Laserstrahlen und nutzt die Streuung von Licht im Körper als Informationsquelle.

Rund 1 Mio. Menschen leiden in Deutschland an rheumatischer Arthritis. Wenn die chronische Gelenkentzündung nicht behandelt wird, führt sie etwa in den Händen zur Zerstörung von Knochen und Knorpeln, alltägliche Handgriffe werden dann unmöglich.

Zwar können Medikamente den Krankheitsverlauf und wiederkehrende Entzündungen aufhalten, wichtig ist jedoch eine möglichst frühzeitige Therapie: Bereits entstandene Schäden lassen sich nicht mehr beheben. Rheumaexperten betonen daher die Notwendigkeit einer einfachen und wenig belastenden Untersuchungsmethode.

Denn derzeit ist eine sichere Diagnose nur mit der Kernspintomograpie möglich, die sich jedoch auf Grund des hohen Aufwands und der Kosten nicht als Routineverfahren eignet. Auch auf Röntgenbildern ist die Erkrankung erst, zu erkennen, wenn die Entzündung bereits zu einer Zerstörung des Gelenks geführt hat. Ebenso befindet sich die Ultraschall-Diagnostik noch im Forschungsstadium. Medizintechniker erweiterten nun das Diagnose-Arsenal um eine schonende Methode aus dem Bereich der optischen Tomograpie.

Wissenschaftler am Institut für Medizinische Physik und Lasermedizin der Charite-Universitätsmedizin Berlin und der Laser- und Medizin-Technologie GmbH in Berlin um die Physiker Jürgen Beuthan und Gerhard Müller entwickelten ein neuartiges Laserverfahren, mit dem sich Rheuma in den Fingergelenken rasch und einfach im Frühstadium feststellen, aber auch bei Therapieverlaufskontrollen beobachten lässt. Es handelt sich dabei um die so genannte optische Streulichttomographie, eine Durchleuchtungsmethode, die mit für den Körper unschädlichen Laserstrahlen im nahen Infrarot arbeitet und die Streuung von Licht im biologischen Gewebe als Informationsquelle nutzt. Die Berliner Forscher machen sich dabei das Phänomen zu eigen, dass sich ein gesundes Fingergelenk mit infrarotem Laserlicht besonders gut durchdringen lässt.

Im Frühstadium sowie beim Therapieprozess der rheumatischen Arthritis hingegen verändert sich durch die Eintrübung der vorher klaren Gelenkflüssigkeit und durch erste aggressive Wucherungen der Kapselinnenhaut die Lichtschwächung und -streuung im Gelenk. Mittels eines Lasers, der das Gelenk von der unteren und oberen Seite durchleuchtet, lässt sich sodann die austretende Streustrahlung mit einem Detektor, einer CCD-Kamera und einem Computer registrieren und auswerten.

Mit Hilfe solcher Aufnahmen ist es möglich, Rheuma in Fingergelenken früh zu erkennen und den Behandlungserfolg zu überwachen. Jürgen Beuthan von der Charite-Universitätsmedizin Berlin über die schonende Technik: "Die Beobachtung der Photonenausbreitung in biologischen Geweben für diagnostische Zwecke wird bald eine Frühdiagnostik und bildgebende Therapiebegleitung rheumatischer Erkrankungen in kleinen Gelenken zu über 80 % der Erkrankungsfälle ermöglichen."

Die medizinischen Forschungsarbeiten leitet Alexander Scheel von der Universität Göttingen, der auf das große Potenzial des Verfahrens in der Therapie-Verlaufskontrolle hinweist. Mit der optischen Streulichttomographie sei bei den bislang behandelten Patienten eine rheumatoide Arthritis in über 70 % der Fälle sicher diagnostiziert worden, so der Mediziner. Die wegweisende Bedeutung dieser Methode lässt sich auch daran erkennen, dass das Projekt vom amerikanischen National-Institut of Health (NIH) und vom BMBF gefördert wird. Denn die viel versprechenden Ergebnisse in Berlin und Göttingen führten zu einer weiteren Zusammenarbeit mit Forschern der Columbia-Universität in New-York.

Dort erarbeiten Physiker die Computertomogramme für die auf Laserstrahlen basierende Tomographie, die im Gegensatz zur konventionellen Röntgentomographie zu keinerlei Strahlenbelastung führt. Das neue bildgebende Verfahren soll künftig auch einzelne Schnittbilder erstellen können und somit ausgewählte Ebenen eines Fingers darstellen. Das wollen die Forscher dadurch erreichen, dass sich Laser und Detektor um den Finger herumbewegen und das Gewebe von allen Seiten durchleuchtet wird.

Die Wissenschaftler glauben außerdem, dass sich die optische Computertomographie auch mit den aktuellen Errungenschaften der Bio- und Nanotechnologie-Forschung verbinden lässt. So beschäftigen sich bereits mehrere Arbeitsgruppen mit der Manipulation von Molekülen, die spezifisch an Körperzellen ankoppeln.

Ein Molekül, welches an das entzündete Gewebe einer rheumatischen Arthritis andockt, könnte beispielsweise ein fluoreszierendes Teilchen tragen, so die Forscher. Die Entzündung wird sichtbar, wenn Laserlicht bestimmter Wellenlänge die Moleküle zum Leuchten anregt. In einem weiteren Schritt sollen nach der Vorstellung von Biotechnologen leuchtende Nanopartikel Medikamente zielgerichtet in das entzündete Gewebe transportieren. Die magnetischen und wirkstoffbepackten Partikel lagern sich auf Grund von chemischen und physikalischen Bindungskräften bevorzugt an jenen Stellen an, wo der Entzündungsherd wütet.

Solche mehrschichtigen und fluoreszierenden Nanopartikel werden bereits am Institut für Materialforschung des Forschungszentrums Karlsruhe mit einem so genannten Mikrowellen-Plasmaverfahren hergestellt. In einem ersten Schritt erzeugen die Wissenschaftler Nanoteilchen mit Durchmessern von nur einigen milliardstel Metern in einem Mikrowellenplasma. Diese Partikel können -je nach Material unterschiedliche Eigenschaften haben, etwa die, magnetisch zu sein. Die erzeugten Partikel gelangen dann in eine zweite Reaktionszone, wo eine Beschichtung, z. B. ein organischer Farbstoff, aufgebracht wird.

In einem dritten Prozessschritt entsteht eine weitere Lage aus einem Polymer - etwa Plexiglas - als äußere Schutzhülle. "Das ist zwar noch etwas Zukunftsmusik, aber auch bei diesen Therapieansätzen könnte die optische Tomographie als therapiebegleitende Maßnahme bei rheumatischer Arthritis wertvolle Hilfe leisten", betont Alexander Scheel.

Denn, so der Rheumaexperte, die Wirkstoffe der neuen Generation, so genannte Biologicals wie Adalimumab, Etanercept oder Infliximab hemmen zwar den Botenstoff, der das Entzündungssignal transportiert, sie sind aber sehr teuer. Der Erfolg einer Behandlung mit den neuen Wirkstoffen könnte so mit der optischen Tomographie in einer Verlaufskontrolle überwacht werden. B. DORRA, H. ZOUBEIR
www.medizin.fu-berlin.de/imtpl
www.rheuma-online.de

@ OCT

Optische Kohärenz-Tomographie

Die Erkennung von biologischen Strukturen aus stark streuenden Medien wie dem menschlichen Gewebe unter Anwendung optisch-tomographischer Verfahren ist das Ziel weltweiter, intensiver Forschungsarbeiten. Hierbei zählt die optische Kohärenz-Tomographie (OCT, engl.: Optical-Coherence-Tomography) bei rheumatischer Arthritis der Fingergelenke zu den aussichtsreichsten Methoden.

Es handelt sich um eine Durchleuchtungsmethode mit Laserlicht ganz bestimmter Wellenlänge im nahen Infrarot (NTH). Bei Wellenlängen von 600 bis 1300 Nanometer durchdringen die abgestrahlten Photonen biologische Gewebe auf ganz charakteristische Weise: Ein Teil wird absorbiert, der Rest an den lebenden Strukturen gestreut. Eine Trübung der Gelenkflüssigkeit (Synovia) bei einem entzündlichen Prozess bedeutet etwa, dass das Laserlicht im Vergleich zum gesunden Gelenk stärker gestreut wird.

Die Muster, die durch unterschiedliche Streuung und Absorption entstehen, lassen sich mit Hilfe eines Detektors, einer CCD-Kamera und eines Computers registrieren sowie mit einer speziellen Software auswerten. Im Gegensatz zur konventionellen Röntgentomographie führt die auf Laserstrahlen basierende Computertomographie zu keiner Strahlenbelastung. BD

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