R.Kiehl:... vorgezeichneter Weg in Diskriminierung und Euthanasie...

Straubinger, 18.Jan2005

Beckstein: Union will DNA-Tests ausweiten

Bayern kündigt Bundesratsinitiative an - "Gentests sollen Standard werden" – Auch Innenminister Otto Schily dafür - Grüne, FDP und Datenschützer melden Bedenken an

München/Berlin. (dpa/AP) Nach dem Mord an dem Münchner Modemacher Rudolph Moshammer startet Bayern eine neuerliche Bundesratsinitiative zur Ausweitung von DNA-Tests. Gentests sollen ebenso wie Fingerabdruck und Foto zum Standard der erkennungsdienstlichen Behandlung von Verdächtigen werden. Die rasche Aufklärung des Moshammer-Mords sei ein Beleg für die überragende Bedeutung der DNA-Tests für die Kriminalitätsbekämpfung, sagte Innenminister Günther Beckstein (CSU) am Montag.

Unterstützung erhielt Bayerns Innenminister von der Union und den Polizeigewerkschaften. Auch Bundesinnenminister Otto Schily forderte eine Ausweitung von DNA-Analysen zur Verbrechensbekämpfung.

Schily sprach sich dafür aus, "dass wir DNA-Spuren immer auch dann nehmen, wenn wir eine erkennungsdienstliche Behandlung vornehmen". Er fordere dies seit langem, und dies sei auch die Meinung der Länderinnenminister.

Beckstein betonte: "Es ist ganz offensichtlich, dass der genetische Fingerabdruck der wichtigste Beweis im 21. Jahrhundert ist". "Auf den herkömmlichen Fingerabdruck haben sich die Berufsverbrecher eingestellt - sie tragen Handschuhe. Den genetischen Fingerabdruck kann man nicht verhindern.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) forderte in diesem Zusammenhang mehr Rechte für die Polizei. Die Ermittler sollten auch ohne richterliche Genehmigung DNA-Spuren auswerten können, sagte der Landesvorsitzende Hermann Benker.

Die Union will den Richtervorbehalt bei der Sicherung des anonymen genetischen Materials streichen. "Diese Erschwernis ist eine Farce," sagte Norbert Röttgen.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) prüft nun, ob die Rechtslage verändert werden muss. Zypries' Sprecherin Eva Schmierer sagte am Montag in Berlin, bei einer möglichen Gesetzesänderung müsse der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt und das Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie auf informationelle Selbstbestimmung beachtet werden. Nach Paragraf 8lg der Strafprozessordnung dürfen nur bei einer Straftat von erheblicher Bedeutung und bei einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung dem Beschuldigten Körperzellen entnommen und für eine DNA-Analyse verwendet werden.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, widersetzte sich wie andere Datenschützer den Bestrebungen der Union. Der schnelle Fahndungserfolg in München sei "gerade kein Argument, an den gesetzlichen Grundlagen etwas zu ändern und die DNA-Analyse weiter auszuweiten", sagte Schaar in Bonn. Bei anonymen Tatortspuren hält Schaar allerdings den Richtervorbehalt für verzichtbar.

Der bayerische Datenschutzbeauftragte Reinhard Vetter wiederum sieht die Gefahr, dass Unschuldige ahnungslos in Kriminalfälle hineingezogen werden können. Nach Ansicht Vetters besteht zudem das Risiko, dass eine Ausweitung nur der erste Schritt hin zur genetischen Registrierung der gesamten Bevölkerung wäre - bis hin zur Erfassung bestimmter Krankheiten.

Auch die FDP ist gegen eine routinemäßige Erfassung von genetischen Fingerabdrücken. Eine gezielte Einsetzung von DNA-Analysen bei schweren Verbrechen sei in Ordnung, sagte der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle. "Unbescholtene Bürger unter Generalverdacht zu stellen, ist falsch."

Die Grünen halten die bestehenden Regeln ohnedies für ausreichend. Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Volker Beck warf der Union vor, den Fahndungserfolg instrumentalisieren zu wollen. Grünen-Chefin Claudia Roth betonte, das Bundesverfassungsgericht habe "aus guten Gründen Grenzen gesetzt". Allerdings müssten möglicherweise "Lücken" bei der Speicherung von anonymen Spuren geschlossen werden.

Mit Hilfe der Gendatenbank beim Bundeskriminalamt (BKA) sind seit deren Aufbau vor sechs Jahren bereits 18 000 Straftaten aufgeklärt worden.

 

19.Jan2005

Neue Fronten im Streit um DNA-Analysen

FDP und Grüne gegen Schily - SPD und Union Hand in Hand - Bundesratsvorstoß Bayerns

Berlin. (AP/dpa) Der Streit um die Ausweitung von DNA-Analysen bei der Verbrechensbekämpfung sorgt für ungewöhnliche politische Fronten: Bundesinnenminister Otto Schily und die SPD streben mit CDU und CSU eine Ausweitung des genetischen Fingerabdrucks an. Grüne und FDP lehnen dies aus Sorge um Persönlichkeitsrechte und Einschränkung richterlicher Kontrolle ab. Während sich bei Rot-Grün die Differenzen zum Streit verschärften, beschloss die bayerische Staatsregierung am Dienstag eine Bundesratsinitiative im Sinne Schilys.

Wie Ministerpräsident Edmund Stoiber nach der Kabinettssitzung in München erklärte, soll die Bundesratsinitiative für eine breitere Anwendung der DNA-Analyse bei Verbrechen in Abstimmung mit allen unionsregierten Ländern eingebracht werden. Der genetische Fingerabdruck müsse künftig so behandelt werden wie der konventionelle Fingerabdruck, sagte der CSU-Chef. Die Bundesregierung solle "ihre Blockadehaltung endlich aufgeben".

Der Vorstoß Bayerns soll die DNA-Analyse für die Polizei künftig zum normalen erkennungsdienstlichen Instrumentarium machen und immer dort eingesetzt werden, wo heute schon eine erkennungsdienstliche Behandlung mit Foto und konventionellem Fingerabdruck zulässig ist. Die Beschränkung auf schwere Straftaten und Sexualdelikte soll ebenso fallen wie die bisher erforderliche richterliche Genehmigung. Schily hatte sich - wie berichtet die Unionsforderung zu Eigen gemacht, die Erhebung von DNA-Proben zum Standard der erkennungsdienstlichen Behandlung zu machen. "Die DNA-Spur ist der moderne Fingerabdruck", argumentierte er. Die Debatte war nach der schnellen Aufklärung des Mordes an Modeschöpfer Rudolph Moshammer mit Hilfe einer DNA-Analyse neu entbrannt. Während Schily aus der SPD überwiegend Zustimmung erhielt, machten Grüne und FDP, aber auch Berlins Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) Front gegen seine Pläne.

Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck lehnte eine Ausweitung des genetischen Fingerabdrucks auf alle Beschuldigten in einem Strafverfahren strikt ab. Die Einbeziehung etwa von Schwarzfahrern und Ladendieben und noch dazu ohne richterliche Anordnung widerspreche dem Verhältnismäßigkeitsprinzip des Grundgesetzes, erklärte er in Berlin. "Insofern weisen wir die Forderungen von CDU/CSU und Bundesinnenminister Schily zurück", fügte der Grünen-Politiker hinzu.

Die schleswig-holsteinische Justizministerin Anne Lütkes nannte die Debatte überflüssig. "Der Fall Moshammer zeigt, dass die gesetzlichen Grundlagen ausreichend sind", sagte die Grünen-Politikerin. Schubert trat ebenfalls dafür ein, es bei der Beschränkung der DNA-Analyse auf erhebliche Straftaten zu belassen. Dagegen plädierte NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD) für eine Ausweitung der DNA-Nutzung.

Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) lehnt Gentests als erkennungsdienstliches Standardmittel ab. Eine richterliche Anordnung sei weiterhin unverzichtbar. Sie widersprach damit dem ebenfalls der FDP angehörenden baden-württembergischen Justizminister Ulrich Goll, der gefördert hatte, Gentests bereits bei auffälligen Mehrfachtätern kleinerer Delikte anzuordnen.

 

22.Jan2005

Versicherer wollen Ergebnisse von ärztlichen Gentests nutzen
Resultate sollen ab 2011 Vertragsbedingungen beeinflussen

München. (dpa) Die deutsche Versicherungswirtschaft möchte sich einen künftigen Einblick in ärztliche Gentests nicht gesetzlich verbieten lassen. "Wir stehen erst am Anfang einer faszinierenden Entwicklung, deren Ausgang derzeit nicht bestimmbar ist. Gentests werden dabei eine wichtige Rolle spielen", sagte der Chefarzt des weltgrößten Rückversicherers Münchener Rück, Achim Regenauer, in einem Interview. Regenauer ist zugleich Vorsitzender der Arbeitsgruppe "genetische Testmethoden" des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft.

Zwar wollten die Versicherer noch bis 2011 auf Einblicke in Gentests verzichten. Auf unbestimmte Zeit wolle man sich dieses Recht aber nicht nehmen lassen. "Wir wollen ein Wissensgleichgewicht zwischen Neukunden und Versicherungsträgern erreichen", sagte der Mediziner.

Von sich aus wollten Versicherungen weltweit keine aktiven Gentest; vor Vertragsabschlüssen betreiben. Doch wenn sich Patienten beim Hausarzt testen lassen, wollten die Unternehmen diese Resultate vor Vertragsabschluss vom Jahr 2011 an ebenso erfahren wie die Ergebnisse herkömmlicher Untersuchungen wie Blutdruckmessung oder Ultraschall, sagte Regenauer. Der Patient solle kein "lnsiderwissen" aus den Gentestergebnissen haben und sich damit Vorteile auf Kosten der Gemeinschaft der Versicherten verschaffen.

Die Union verlangte gesetzliche Klarheit bei Gentests. Sie könne die Versicherer verstehen, die Einblick in ärztliche Gentests haben wollen, sagte CDU-Abgeordnete Katherina Reiche in Berlin. Diagnostische Gentests seien eine "vernünftige Analysemethode". "Aber im Arbeitsbereich brauchen wir Klarheit."

 

Streit um das Antidiskriminierungsgesetz
Opposition und Wirtschaft laufen dagegen Sturm – Noch mehr Bürokratie befürchtet

Berlin. (dpa/AP) Die weit reichenden Pläne von SPD und Grünen gegen jegliche Diskriminierung in Alltag und Beruf werden von Union und FDP strikt abgelehnt. Das Gesetz soll alle Arten von Benachteiligung verhindern - etwa aus Gründen der Abstammung, der Weltanschauung, des Alters, wegen Geschlecht, Behinderung oder sexueller Orientierung. Massive Kritik kam auch aus den Reihen der Wirtschaft. Zustimmung erhielt der Entwurf dagegen von der Ausländerbeauftragten, den Gewerkschaften und Sozialverbänden.

Die Opposition warf den Regierungsfraktionen bei der ersten Lesung des Antidiskriminierungsgesetzes am Freitag im Bundestag vor, ihre Vorstellungen "mit der Keule des Gesetzes" durchsetzen zu wollen. Auf besonderen Widerstand der Opposition stießen die rot-grünen Vorstellungen, dass Arbeitgeber auch für Verstöße von Dritten - etwa von Kunden oder Lieferanten - haften sollten. Kritisiert wurde auch, dass von Diskriminierung Betroffene ihre Ansprüche abtreten könnten. Das führe zu einem "modernen Ablasshandel", befürchtete die Opposition.

Unions-Fraktionsvize Karl-Josef Laumann (CDU) bemängelte zu viele Regelungen bei der Umsetzung der EU-Richtlinien. Die Vorschriften seien "ein weiterer Schritt, das Land bürokratischer zu machen". Dies schade auch den Arbeitnehmern, da Arbeitgeber aus Angst vor Klagen nur noch nach Zeugnisnoten einstellten und beförderten. Menschen seien aber mehr als "formal nachweisbare Kriterien".

Die CSU-Abgeordnete Maria Eichhorn beklagte "weitgehende Einschnitte im arbeitsrechtlichen Bereich". Ihre Fraktionskollegin Dagmar Wöhrl nannte das Gesetz unausgegoren und kostenträchtig. Es widerspreche vollkommen der sozialen Marktwirtschaft.

Wirtschaftsverbände beklagten vor allem, dass künftig Arbeitgeber im Bewerbungsverfahren lückenlos dokumentieren müssten, warum ein Bewerber abgelehnt worden sei, weil er dagegen klagen könne.

Die Koalition verteidigte dagegen die Regelungen, wonach die Betroffenen im Fall von Benachteiligung Ansprüche auf Schadenersatz oder Entschädigung haben, als überfällig und "ausgewogenen Kompromiss".

Der SPD-Abgeordnete Olaf Scholz nannte den Entwurf ein "pragmatisches Gesetz", mit dem kein "anständiger Bürger" Probleme habe. Es solle verhindern, dass sich etwa Hotelgäste weiterhin an Behinderten am Nebentisch stören dürfen.

Für die Grünen warb Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck für das Gesetz: Es gehe um Chancengleichheit für alle.

Der VdK betonte, die Praxis müsse zeigen, ob mit dem Gesetz der Schutz vor Diskriminierung "wirklich verbessert wird". Die Volkssolidarität warnte vor einer Aufweichung des Gesetzentwurfes "unter dem Druck starker Interessengruppen".

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