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36 Zellbiologie aktuell - 30. Jahrgang - Ausgabe 2/2004

Forschungsförderung
Normal ist das nicht
Bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft hat dieeigentliche Elite wenig Chancen

Axel Brennicke

Ein langweiliger Name: Normalverfahren. Kein Wunder, dass es kein Politiker in den Mund nimmt. Lieber spricht man von "Elitewettbewerben", "Brain up" und "Profilbildung" Bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) jedoch ist das in Wahrheit anders: Da treten Wissenschaftler-Kollegen inzwischen ehrfurchtsvoll einen Schritt zurück, wenn ein Forschungsprojekt von der DFG im Normalverfahren unterstützt wird. Vor lauter Sonderprogrammen, Profilbildungen und Forschungsschwerpunkten ist das Normalverfahren der DFG völlig unbemerkt zum Eliteprogramm par excellence geschrumpft. Dagegen bringt einem Wissenschaftler die Förderung in "bloß" einem Sonderprogramm höchstens ein schwaches "Ach so" ein. Projekte des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) werden mit einem achselzuckenden "Na ja" zur Kenntnis genommen, das den Erfolg von politischer Lobbyarbeit anerkennt.

"Die Sachbeihilfe im Normalverfahren bildet den Kern der Forschungsförderung", heißt es bei der DFG. Damit definiert der oberste Forschungsförderer das normale Antragsverfahren als sein Kerngeschäft. Er gewährt Zuschüsse zu Forschungsprojekten, die "hohe wissenschaftliche Qualität und Originalität des Forschungsvorhabens auf internationalem Niveau" auszeichnen. In den vergangenen Jahren jedoch ist die Geldmenge, die für das Normalverfahren zur Verfügung steht, kontinuierlich geschrumpft. Die Zahl der Anträge dagegen ist stark gestiegen, nicht zuletzt dadurch, dass die Universitäten, aber auch Institutionen wie die Max-Planck-Gesellschaft oder Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft nach Drittmitteln rufen.

Politik und Verwaltung verstärken den finanziellen Druck auf zweifache VVeise. Zum einen streichen sie - vor allem an den Universitäten - die Gelder für den dortigen "Grundhaushalt" massiv zusammen. Zum anderen verpflichten sie die DFG wie auch die Hochschulen zu immer neuen Exzellenzmodellen, Forschungszentren und was der Schlagworte mehr sind. Diese müssen natürlich kostenneutral sein, gehen also zu Lasten der normalen Förderung, für die immer weniger übrig bleibt. Der Präsident der DFG, Ernst-Ludwig Winnacker, erläuterte dies im Herbst vergangenen Jahres in seinem Antwortschreiben auf eine gemeinsame Anfrage der Gesellschaften für Zellbiologie, für Biochemie und Molekularbiologie und für Entwicklungsbiologie: "Er [Der Haushalt] wächst zwar in diesem Jahr um 2,5 Prozent, doch reicht dies kaum aus, die Verpflichtungen aus dem Jahr 2002 zu erfüllen. (... ) Er soll auch im kommenden Jahr wachsen; doch werden aus diesen Mitteln die Verpflichtungen gegenüber den Forschungszentren zu erfüllen sein."

Und diese Forschungszentren kosten viel Geld. Eigentlich sind sie das Gleiche wie die zurzeit modischen Eliteuniversitäten, ja, sie wurden vor ein paar Jahren als "Elite" mit ebenso viel Trara von der Bundesregierung ins Leben gerufen. Doch seitdem kein Politiker mehr mit den Forschungszentren seinen Impact Factor in den Medien aufputschen kann, ist die Finanzierung dieser Zentren dezent an die DFG und die Unis selbst weitergereicht. Ein ähnliches Schicksal droht den "Eliteunis" Maximal bis zum Ende der jeweiligen Wahlperiode investiert das BMBF in unser aller Zukunft - dann werden die Kosten abgewälzt.

Das Problem ist nur, dass weder die DFG noch Universitäten über den finanziellen Spielraum verfügen, derartige Kosten zu übernehmen. Die Folge: Für das Kerngeschäft der DFG bleibt immer weniger übrig. Die Förderquote - Prozentsatz der vorhandenen Gelder an den beantragten Mitteln - ist in den vergangenen zwei Jahren um 50 Prozent gesunken. Allein von Oktober 2003 bis Januar 2004 noch einmal um 20 Prozent - und das ausgerechnet im Bereich Molekularbiologie, der eigentlich immer noch Zukunftschancen bieten sollte.

Selbst Anträge, die von vier bis sechs fachlich kompetenten Gutachtern durchgehend als "sehr gut" und "vielversprechend" gewertet werden, haben fast keine Chance mehr. An diesem Eliteverfahren sollten sich einmal die Geldgeber des BMBF selbst messen - die meisten der von dort geförderten Projekte hätten im "Normalverfahren" der DFG keine Chance. Das Gleiche gilt für einen großen Teil der künstlichen Gebilde vom Forschungszentrum bis zur Eliteuni.

Wissenschaft wird von Individuen vorangetrieben. Zuerst muss die Eliteauslese auf der Ebene der einzelnen Wissenschaftler stattfinden. Nur die etwas verschrobenen, notwendigerweise weltfernen Typen, die über ihren Molekülen im Labor oder am Computer brüten und dabei schon wieder den allerletzten Schlussverkauf verpassen, bringen neue Ideen in die Wissenschaft, die manchmal sogar revolutionär sind.

Diese individuelle Elite, die vom "Normalverfahren" lebt, ist oft nicht glatt genug, um in dem Antragszirkus mit Zentren und Akronymen wie DORIS oder GABI medienwirksam Forschungsknete zu erbetteln. Bei allem Geschwätz von Eliteunis, angesichts aller Sitzungen, Entwürfe und Planungen für die Zukunft eines Faches an der Uni bleiben gerade die wirklichen Eliten außen vor. Wenn wir mehr von ihnen wollen, dann müssen wir sie besser unterstützen.

Anschrift des Autors:

Prof Dr Axel Brennicke

Universität Ulm

Molekulare Botanik

Albert-Einstein-Allee 11

89069 Ulm

E-mail: axel.brennicke@biologie.uni-ulm.de

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