Mittelbayerische und Straubinger,12.November 2005
Eckpunkte des schwarz-roten Koalitionsvertrages

Berlin. (dpa) Union und SPD haben knapp acht Wochen nach der Bundestagswahl einen Koalitionsvertrag ausgehandelt. Die wichtigsten Eckpunkte:

ARBEITSMARKT:Der Kündigungsschutz wird gelockert: Die Probezeit wird bei Neueinstellungen auf 24 Monate ausgedehnt. Im Gegenzug wird die Möglichkeit gekippt, Arbeitsverhältnisse ohne sachliche Gründe auf zwei Jahre zu befristen. Beim Arbeitslosengeld II werden die Ost-Sätze um 14 Euro auf das West-Niveau von 345 Euro angehoben. Die Möglichkeit, sich mit einer Ich-AG und staatlichen Zuschüssen selbstständig zu machen, wird nur bis Mitte 2006 verlängert. Die Ich-AG wird mit dem Überbrückungsgeld zum neuen Arbeitsmarkt-Instrument zusammengelegt.

AUSBILDUNG:Der Ausbildungspakt für Jugendliche wird fortgesetzt. Jährlich sollen 30 000 neue Plätze und 25 000 betriebliche Einstiegsqualifizierungen von Wirtschaft und Handwerk kommen.

HAUSHALT/STEUERN:Der Euro-Stabilitätspakt soll bis zum Jahr 2007 wieder eingehalten werden - durch einen Mix aus Steuererhöhungen, Leistungskürzungen und Subventionsabbau. Eine Anhebung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent kommt zum 1. Januar 2007. Die SPD setzte sich mit ihrer "Reichensteuer", einem dreiprozentigen Zuschlag auf besonders hohe Einkommen, durch. Betroffen ist, wer jährlich mehr als 250000/500000Euro(Ledige/Verheiratete) verdient.

LOHNNEBENKOSTEN:Sie sollen von derzeit rund 41 Prozent auf unter 40 Prozent gesenkt werden.

RENTEN:Ein neuer "Nachholfaktor" in der Rentenformel wird den 20 Millionen Rentnern in den kommenden Jahren Nullrunden bescheren. Der Faktor führt dazu, dass aktuell nicht vorgenommene Rentenkürzungen mit Erhöhungen in späteren Jahren verrechnet werden. Beschlossen ist die Rente mit 67 (statt 65): Der Einstieg in jährliche Erhöhungen von einem Monat beginnt im Jahr 2012 und endet 2035. Um die Rentenkassen zu entlasten, ist für 2007 eine Anhebung des Beitragssatzes auf 19,9 Prozent vereinbart.

GESUNDHEIT:Eine grundlegende Reform der Krankenkassenfinanzierung wird erst im Jahr 2006 angegangen. Zunächst sollen die Ausgaben weiter eingedämmt werden. Die Gewährung von Naturalrabatten an Apotheker durch Pharmaunternehmen soll ausgeschlossen werden. Die Preise für Nachahmer-Arzneimittel sollen damit um fünf Prozent sinken. Die Preise für Medikamente werden generell für zwei Jahre eingefroren.

MITTELSTAND:Abschreibungsmöglichkeiten für kleine und mittlere Firmen sollen verbessert und damit Investitionen angeregt werden. Zum Bürokratie-Abbau ist eine Reduzierung der Berichtspflichten von Unternehmen gegenüber Behörden vorgesehen. Mittelstand und Existenzgründer sollen besser gefördert, Risikokapital leichter mobilisiert werden. Das ERP-Förderprogramm soll als unabhängiger Vermögensfonds vollständig erhalten werden.

HANDWERK:Zur Förderung des Handwerks sollen 20 Prozent der privaten Aufwendungen für Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen im Haushalt begrenzt von der zu zahlenden Einkommensteuer absetzbar sein. Ein Maximalbetrag wurde nicht vereinbart. Bei der Handwerksreform soll überprüft werden, ob für die meisterfrei gewordenen Berufe eine neue Mindestqualifikation eingeführt wird.

FAMILIE:Das Erziehungsgeld soll von 2008 an in ein einkommensabhängiges Elterngeld umgewandelt werden. Eltern, die wegen der Kindererziehung vorübergehend im Beruf pausieren, sollen für ein Jahr zwei Drittel ihres letzten Nettoeinkommens erhalten, maximal 1800 Euro im Monat. Die Zusatzkosten werden auf 1,5 Milliarden Euro beziffert. Alle familienpolitischen Leistungen werden in einer "Familienkasse" zusammengeführt. Um Kinderarmut zu bekämpfen, soll der Kinderzuschlag vom kommenden Jahr an ausgebaut werden. Zusätzlich sollen damit 200000 Kinder und ihre Eltern erreicht werden.

BILDUNG:Union und SPD wollen an der Grundstruktur des Bafög festhalten. Die Förderung für Studenten soll auch künftig als Zuschuss zum Lebensunterhalt gezahlt werden.

ÖFFENTLICHER DIENST: Die Länder sollen künftig über die Besoldung ihrer Beamten selbst entscheiden. Damit fällt die bundeseinheitliehe Besoldungsregelung für die 1,7 Millionen Beamten.

FÖDERALISMUS:Die Kompetenzen von Bund und Ländern werden entzerrt , die Blockade-Möglichkeiten des Bundesrates bei der Bundesgesetzgebung eingeschränkt. Dafür überlässt der Bund den Ländern in der Bildungspolitik weitgehend freie Hand.

VERBRAUCHERSCHUTZ:Lebensmittel-Kontrollen sollen verbessert werden. Das Bundesamt für Verbraucherschutz soll mehr Kompetenz für die länderübergreifende Koordination bekommen. Ein Verkauf von Lebensmitteln unter Einstandspreis soll verboten und dafür das Kartellrecht novelliert werden.

JUSTIZ:Die Kronzeugenregelung soll wieder eingeführt werden. Damit können Täter Straferleichterung erhalten, wenn sie mit der Justiz zusammenarbeiten.

VERKEHR/UMWELT/ENERGIE: Steinkohlesubventionen sind bis 2008 garantiert. Ökostrom soll weiter gefördert, sein Anteil bis 2020 auf mindestens 20 Prozent ausgeweitet werden. Gebäudesanierung zur Energieeinsparung soll gefördert werden. Dafür will Schwarz-Rot den Fördertopf von 360 Millionen auf 1,5 Milliarden Euro aufstocken. Eine Pkw-Maut wird abgelehnt. Ein Börsengang der Bahn wird nach Vorliegen eines Gutachtens beurteilt. Mit einer Milliarde Euro - und möglichst der gleichen Summe der Wirtschaft soll eine Innovationsoffensive "Energie für Deutschland" angestoßen werden. Die Nachrüstung von Kfz mit Partikelfiltern soll aufkommensneutral steuerlich gefördert und ab 2008 neue Kfz ohne den Standard mit Steueraufschlag belegt werden.

FORSCHUNG/ENTWICKLUNG:Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung des Bundes soll bis 2010 um rund 3 Milliarden Euro über das heutige Niveau hinaus angehoben werden.

AGRA-R/GENTECHNIK:Mit einer Gesetzesnovelle soll die Forschung und Anwendung von Gentechnik in der Landwirtschaft forciert werden. Pflanzenzüchter sollen für Schäden, die trotz Vorsorge durch Vermischung herkömmlicher Pflanzen mit Genmaterial auf Nachbarfeldern auftreten, in einen Ausgleichsfonds zahlen.

EU:Die Verhandlungen zum künftigen EU-Haushalt sollen rasch abgeschlossen werden. Deutschland soll nicht mehr als ein Prozent seines Bruttonationaleinkommens an die EU zahlen. Mit Hilfe eines Korrekturmechanismus zum Ausgleich übermäßiger Nettobelastungen soll eine weitgehende Belastungsneutralität für Deutschland erreicht werden. Die Zusagen aus dem EU-Agrar-Finanzkompromiss von Oktober 2002 werden nicht in Frage gestellt.

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