Straubinger, 10.Febr2005

Eichel lehnt Unternehmensteuer-Senkung ab
Minister sieht keinen kurzfristigen Handlungsbedarf – Wiegard drängt Regierung zur Eile

Berlin. (AP/dpa) Im Gegensatz zu Bundeskanzler Gerhard Schröder lehnt Finanzminister Hans Eichel weitere Steuerentlastungen für Unternehmen generell ab. Angesichts der Verschuldung der öffentlichen Haushalte gibt es keinen Spielraum für weitere Steuersenkungen", erklärte Eichel (SPD) am Mittwoch.

Wie der Minister will der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering die Reform offenkundig nicht vor der Bundestagswahl 2006 anpacken. Er setzt zunächst auf eine europäische Lösung.

Schröder hatte bekanntlich die Forderung seines Wirtschaftsministers Wolfgang Clement (SPD) unterstützt, der die Unternehmensteuersätze für zu hoch hält. Der Kanzler stellte Steuersenkungen für Betriebe in Aussicht, die mit ihren Gewinnen Arbeitsplätze schaffen.

Eichel sieht dagegen keinen kurzfristigen Handlungsbedarf. Deutschland habe schon "die zweitniedrigste Steuerquote in der EU, nur die Slowakei liegt niedriger", sagte er. Der Minister sprach sich auch gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer aus, um Entlastungen für Firmen zu bezahlen, wie es Wirtschaftswissenschaftler befürworten. "Wenn überhaupt eine Diskussion, dann um den Abbau von Steuervergünstigungen." Zudem sei nicht erkennbar, dass der unionsdominierte Bundesrat bei einer Unternehmensteuerreform mitziehen würde. CDU-Chefin Angela Merkel entfache eine Debatte, "ohne dass sie selbst ein vernünftiges, europataugliches Konzept hätte.

Die Spitzenverbände der Wirtschaft und führende Konjunkturforscher drängen derweil auf baldige Beschlüsse. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sagte: "Eine derartige Reform - so schnell wie möglich - ist dringend erforderlich. " Er sehe die Chance für das Projekt noch in dieser Legislaturperiode.

Auch der bisherige Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Wolfgang Wiegard, forderte rasche Entscheidungen. "Denn der Steuerwettbewerb ist in vollem Gang ", meinte er. Es müsse daher sofort oder zumindest gleich nach der Bundestagswahl 2006 gehandelt werden. "Kein internationaler Investor interessiert sich für die gesamtwirtschaftliche Steuerquote", wenn er nach einem Standort suche. Er schaue vielmehr auf die Steuersätze. "Und hier sieht es in Deutschland ganz schlecht aus."

Die Union bot der Regierung nochmals Verhandlungen an. Sie habe ein zukunftsweisendes Modell erarbeitet "und ist insofern bereits in Vorlage getreten", sagte ihr Vize-Fraktionsvorsitzender Michael Meister. Jetzt sei es an der Regierung, die notwendigen Gesetzentwürfe vorzulegen. Der Deutsche Städtetag erteilte Steuerentlastungen dagegen eine klare Absage. "Es gibt keinen Spielraum", sagte Präsidentin Petra Roth. Entlastungen bedeuteten nicht, dass jeder Bürger am Ende mehr Geld besitze. Weniger Staatseinnahmen führten zwangsläufig zu Angebotskürzungen der öffentlichen Hand, oder zu höheren Preisen beispielsweise im noch stark bezuschussten Nahverkehr.

 

Umfassende Tarifreform für öffentlichen Dienst

Gewerkschaft ver.di und Arbeitgeber stimmen Kompromiss zu – Einstieg in Leistungslohn

Potsdam. (AP/dpa) Der öffentliche Dienst steht vor der umfassendsten Tarifreform seiner Geschichte. Gewerkschaften und Arbeitgeber einigten sich am Mittwoch in Potsdam nach einem dreitägigen Verbandlungsmarathon vor allem auf den Einstieg in die leistungsbezogene Bezahlung und flexiblere Arbeitszeiten für die 2,3 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen. Allerdings bleibt das Privileg der Unkündbarkeit unangetastet. Bundesinnenminister Otto Schily sprach von einem "beachtlichen Reformwerk".

Die Unterscheidung in Arbeiter und Angestellte wird es künftig nicht mehr geben. Die Beschäftigten im Westen erhalten in den kommenden drei Jahren als Ausgleich für eine Nullrunde beim Gehalt 900 Euro an Einmalzahlungen, die Bezüge der Ostdeutschen werden von 92,5 auf 97 Prozent West angehoben. Für die 200000 Beschäftigten des Bundes wird auch die Arbeitszeit in alten und neuen Ländern auf einheitlich 39 Stunden pro Woche angeglichen.

Für die 2,1 Millionen Beschäftigten der Kommunen bleibt auf diesem Gebiet alles beim alten - 38,5 Wochenstunden im Westen und 40 Stunden im Osten. Zusätzlich wurden Öffnungsklauseln auf landesbezirklicher Ebene für bis zu 40 Wochenstunden in Westdeutschland verankert. Einen Vorschlag Schilys für einheitliche Arbeitszeiten hatten die Kommunen unter Hinweis auf ihre schlechte Haushaltslage abgelehnt.

Die Gewerkschaften hatten zunächst die Laufzeit von 35 Monaten kritisiert. Weil die Einmalzahlungen nicht als Lohnerhöhungen berechnet werden, wird ein neuer Tarifabschluss 2008 auf dem heutigen Niveau der Löhne und Gehälter ausgehandelt. Nach dreitägigen Verhandlungen hatten die große Tarifkommission von ver.di und die kommunalen Arbeitgeber Schilys Kompromissvorschlag jedoch zugestimmt.

Das Tarifwerk gilt für die Arbeiter und Angestellten von Bund und Kommunen. Die Länder mit ihren 900000 Beschäftigten machten unmittelbar nach Bekanntgabe des Abschlusses deutlich, dass sie das neue Regelwerk so nicht übemehmen wollen. Sie haben nach wie vor Vorbehalte gegen die Arbeitszeitverlängerung und die Regelung bei Weihnachts- und Urlaubsgeld. Der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, Hartmut Möllring, sagte, der Abschluss wäre für die Länder nicht finanzierbar, man sei aber "weiterhin jederzeit" verhandlungsbereit. Schily, und der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, hatten die Länder zuvor indirekt aufgerufen, den Kompromiss zu übernehmen.

Schily sagte, durch das Ergebnis werde ein "veraltetes Tarifsystem abgelöst". Der automatische Einkommenszuwachs für ältere Arbeitnehmer werde abgeschafft, während die Motivation leistungswilliger Jüngerer gesteigert werde. Der Verhandlungsführer der kommunalen Arbeitgeber, Thomas Böhle, nannte das Ergebnis eine Zäsur, weil die "Effizienz öffentlicher Verwaltung" gestärkt werde. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund erklärte, das Resultat sei ein "wichtiger Beitrag für die Reformfähigkeit in Deutschland".

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