Einsteinjahr 2005: Ausblicke im Zeichen des großen Physikers

Wenig Raum für Einsteins Erben
VDI nachrichten, Düsseldorf, 17.12. 04 -

Mitte Januar wird Bundeskanzler Schröder das Einsteinjahr eröffnen. Gäste aus Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur gedenken des Genies. Der Vergleich mit der Historie belegt: Karrieren im Stile des Ulmer Physikers sind heute undenkbar. Für die geistigen Erben Einsteins scheint es keinen Platz mehr zu geben.

Ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod 1955 und ein ganzes nach erstmaliger Veröffentlichung der Relativitätstheorie 1905 ehrt die Wissenschaftswelt einen der bedeutendsten Deutschen mit dem "Einsteinjahr 2005". Dabei drängen sich die Fragen auf. Ist eine uneben verlaufene Karriere wie die des trotzigen Ulmer Querdenkers Voraussetzung, um von ausgetretenen Pfaden abzuweichen und so neue Erkenntnisse zu gewinnen? Und sind ähnliche Karrieren heute überhaupt noch möglich?

Der Darmstädter Eliteforscher Michael Hartmann glaubt nicht daran, dass unser soziales Verhaltenssystem den Besten automatisch die Vorfahrt einräumt. "In allen Bereichen der Gesellschaft werden Querdenker verlangt, letztlich bleibt es aber dabei, dass derjenige die stärkste Förderung bekommt, der sich im Mainstream bewegt." Personalverantwortliche entschieden sich meist für den "klassischen" Stellenkandidaten männlichen Geschlechts mit exzellenter Note und nicht für eine von der Norm abweichende Lösung.

Bei der Förderung der heiß ersehnten Innovationsträger bliebe es meist bei Lippenbekenntnissen, so Hartmann. In der Forschung bedürfe es immer größerer Anstrengungen, um Projekte jenseits der eingeforderten Praxisnähe durchzudrücken. "Die augenblicklichen Strukturen stehen einem Forscher im Geiste Einsteins permanent im Wege."

Man könne die heutige Zeit nicht mit der Einsteins vergleichen, meint Dr.Jan Plefka, Nachwuchswissenschaftler am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut). "Mit dem sozialen Defizit eines fehlenden Netzwerkes hätte Einstein im heutigen Wissenschaftsbetrieb keine Chance mehr." Um einen Post-Dok-Job zu bekommen, seien Nachwuchswissenschaftler dazu verdammt, "eingetrampelte Pfade zu gehen". Außerdem werde in Teams gearbeitet. "Teamarbeit ist insofern ein Problem für junge Wissenschaftler", ergänzt Experimentalphysiker Anton Zeilinger aus Wien. "Es ist für sie schwierig, darzustellen, was sie zu dem Projekt beigetragen haben." Doch ohne diesen Teamgeist läuft in der Forschung nichts mehr - und das über rein technische Berufsfelder hinaus.

Im Bereich der Medienkunst etwa arbeiten die Forscher interdisziplinär zusammen. Gestalter und Programmierer profitieren von den Künstlern und umgekehrt. "Erfindergeist und das Gewohnte und Geschaffene immer wieder in Frage zu stellen, sind Strategien medienkünstlerischen Arbeitens, die einen wesentlichen Beitrag zur Innovationskraft eines interdisziplinären Teams leisten", ist Monika Fleischmann, Leiterin des MARS-Exploratory Labs am Fraunhofer-IMK in St. Augustin überzeugt. Diese Qualifikationen könnte die Wirtschaft dringend gebrauchen, um Innovationen zu entwickeln. Querdenker seien gefragt.

Aber: "lnnovation heißt in der Politik noch immer, alte Gleise zu benutzen", weiß Ursula Sowa vom Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Gefördert würden vor allem klassische Felder; neue Strukturen und Vorschläge hätten es schwer. rch/ws/zel www.einsteinjahr.de

Wichtig ist nur, dass wir die Besten haben
VDI nachrichten, New York, 17.12. 04 -

In Mathematik rangieren die USA unter 29 Industrienationen nur auf Platz 23, doch die Reaktionen im Lande der Elite-Universitäten halten sich in Grenzen.

Bei der Pisa-Studie erzielten die USA in Mathematik nur magere 483 Punkte. Das ist unterhalb des deutschen Wertes von 503 Punkten. Schlechter als die weltweit größte Wirtschaftsmacht waren nur noch Länder wie Uruguay, Thailand, Mexiko, Indonesien und Tunesien. Das klagen darüber aber hält sich in Grenzen, nur wenige Stimmen mahnen zur Vorsicht.

Der stellvertretende US-Bildungsminister Eugene Hickok sieht darin einen Weckruf. "Die gute Nachricht ist, dass wir jetzt wissen, wo die Probleme sind und dass wir uns der Herausforderung stellen können." Hickok führt das schlechte Abschneiden vor allem auf die Lehrkräfte zurück. Das aber hat das Ministerium selbst zu verantworten. Lehrkräfte an öffentlichen Schulen verdienen rund 30 000 bis 40 000 Dollar weniger als Kollegen in der Wirtschaft. Zudem sind die keine Beamten und haben keinen Kündigungsschutz.

Das alles ist der Öffentlichkeit hinreichend bekannt, und so nahmen die Amerikaner das Ergebnis gelassen hin. "Es kommt Überhaupt nicht darauf an, einen guten Durchschnitt zu haben; wichtig ist nur, dass wir die Besten haben", sagt Paul Bidnock, Associate Professor am New York Institute of Technology, und spricht damit das aus, was viele Amerikaner denken. Sein Chef, Institutsdirektor Prof. Edward Guiliano, geht einen Schritt weiter:" Solange sich die weltweit besten Schulabgänger bei uns um einen Studienplatz bewerben, mache ich mir keine großen Sorgen." Folglich ist er mehr besorgt über die Verschärfung der Visa-Regelung als über das Studienergebnis.

Hintergrund für die gelassene Einstellung ist, dass das US-Bildungssystem ein Mehrklassensystem ist, das von allen akzeptiert wird, weil es dem Land seit Jahren die meisten Nobelpreisträger und Patente beschert hat. Selbst die betroffenen Schüler wissen um diese Struktur: "Entweder man ist saugut und bekommt ein Stipendium oder die Eltern müssen viel Geld haben, sonst landet man irgendwo in der unteren Mittelklasse", sagt der 15-jährige Brian Peters aus Cincinnati, der an dem Test teilnahm und vor wenigen Jahren mit seinen Eltern eingewandert ist.

Das Pisa-Ergebnis bestätigt den Unterschied zwischen den sozialen Schichten. So hatten die Kinder von weißen Einheimischen die besten Ergebnisse, die Kinder von lateinamerikanischen Einwanderern schnitten am schlechtesten ab. "Die USA sind ein Einwanderungsland. Das drückt auf den Durchschnitt", bestätigt Kristi Garrett von der kalifornischen Schulaufsichtsbehörde. Auch den Vergleich mit dem weitaus besseren Nachbarn lässt sie nicht gelten: "Kanadas Einwanderer kommen zum größten Teil aus Korea, Hongkong und Westeuropa - allesamt Länder, die führend sind. Das kann man nicht vergleichen mit unseren Einwanderern aus Mexiko, Jamaika, Kolumbien, Costa Rica oder Kuba."

Außerdem wächst die Kritik an dem Test, weil er nicht der amerikanischen Norm eines Multiplechoiceverfahrens entspricht. "Man soll das Ergebnis nicht überbewerten. Vermutlich sind amerikanische Schüler viel intelligenter und können dieses Wissen nur nicht so anwenden, wie es der Test verlangt", sagt Jack Jennings, Präsident des Center on Education Policy und Mitglied des nationalen Pisa-Komitees.

So war es für die Amerikaner bemerkenswerter, dass sie ihre Gelder im Bildungswesen nicht optimal einsetzen. Sie verwenden 7,3 % des Bruttosozialproduktes für die Schulausbildung. Damit liegen sie nur auf Platz 28. Aber auch dafür hat man bereits eine Erklärung: "Die Gesamtzahlen enthalten die Transportkosten für die Schüler und vielfach auch die Beköstigung - vor allem aber auch die immensen Etats der Privatschulen, das kann man länderübergreifend nicht vergleichen", gibt Jim Buckheit vom Schulministerium in Pennsylvania zu bedenken.

Die Realität sollte indes zum genaueren Hinschauen ermuntern: Schon heute können US-Firmen die hohe Hightech-Nachfrage nicht mehr aus dem Reservoir des inländischen Arbeitskräftemarktes decken. Der Wirtschaftswissenschaftler Eric Hanushek von der Stanford University ist nicht bereit, die Sachlage zu beschönigen. Der Rückstand im internationalen Bildungsvergleich koste die US-Wirtschaft einen halben Punkt Wirtschaftswachstum. H. WEISS/ws

 

Forschung: 50 Jahre nach dem Tod von Albert Einstein ist kein vergleichbarer "Superstar" in Sicht – Wissenschaftler beklagen fehlendes gesellschaftliches Interesse an naturwissenschaftlichen Vorgängen
Ohne Netzwerke wäre auch Einstein heute aufgeschmissen
VDI nachrichten, Berlin, 17.12. 04 -

2005 ist Einsteinjahr. Zeit, sich Gedanken über die Erben des genialen Physikers zu machen. Gibt es sie überhaupt? Welche Möglichkeiten haben junge Forscher heute, in die überdimensionalen Fußstapfen zu treten? Wissenschaftler begeben sich auf Spurensuche.

Der König ist tot, es lebe der König. Der Wunsch nach diesem Prinzip besteht auch in den Naturwissenschaften, doch 50 Jahre nach dem Tod von Albert Einstein ist kein vergleichbarer "Superstar" in Sicht. Den 100.Geburtstag der Relativitätstheorie allein mit einem "Einsteinjahr 2005" zu feiern, reicht manchen Wissenschaftlern und Medienvertretern deshalb nicht aus. Sie fragen sich, ob "der berühmteste Forscher aller Zeiten", der "brillante Wissenschaftler" und "politische Querdenker" des 20.Jahrhunderts nicht auch als Vorbild für die Nachwuchswissenschaftler des 21.Jahrhunderts geeignet ist. Argumente dafür gibt es viele, beispielsweise die Begeisterungsfähigkeit Einsteins für eine Welt voller Wunder. Schon als 4-Jähriger ließ sich der kleine Albert von einem Kompass faszinieren, dessen Nadel sich immer nach Norden ausrichtet, während alle anderen Gegenstände nach unten fallen. Ein Phänomen, für das Prof. Anton Zeilinger, Vorstandsmitglied des Instituts für Experimentalphysik an der Universität Wien, immer noch empfänglich ist. Zeilinger hält Begeisterungsfähigkeit für eine wesentliche Voraussetzung selbstständiger Forschung, die er sich für den wissenschaftlichen Nachwuchs "möglichst schon im Alter von 25 Jahren" wünscht. Mitunter können Begeisterung und Neugier sogar wichtiger sein als eine traditionelle Hochschulausbildung. jedenfalls stellt Zeilinger die Frage, ob - um der Forschung Willen - nicht auch eine naturwissenschaftliche Promotion ohne vorausgehendes Diplom möglich sein sollte.

Derlei Überlegungen böten sich im Einstein-Jahr geradezu an, sagt Zeilinger. Immerhin verließ der spätere Nobelpreisträger als 16-Jähriger das Gymnasium zwar ohne Abschlussprüfung, konnte sich durch erfolgreiches Selbststudium aber an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich ein Jahr später immatrikulieren und schaffte die Dissertation, obwohl er bei Pflichtvorlesungen regelmäßig fehlte. Gleichwohl findet auch Prof.Jürgen Renn, Direktor des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte in Berlin, Argumente, die für den Vorbildcharakter Einsteins sprechen. Ganz besonders ist Renn von Einsteins Beziehungswissen beeindruckt: "Er brachte zunächst weit entfernt scheinende Dinge miteinander in Bezug."

Im fortan unter Wissenschaftlern annus mirabilis" genannten Jahr 1905 reichte der damals 26-jährige Einstein eine Schrift über die Strahlung und die energetischen Eigenschaften des Lichts ein. Für diese Erklärung des photoelektrischen Effekts erhielt er 1921 den Nobelpreis, Außerdem schloss Einstein im Jahre 1905 seine Dissertation darüber ab, wie man die absolute Atomgröße bestimmen kann. Dafür brauchte er gerade 21 Seiten. Eher nebenbei lieferte der Allround-Wissenschaftler die Erklärung dafür, warum leblose Teilchen unter dem Mikroskop ungeordnete Bewegungen ausführen (bekannt geworden als Brown'sche Molekularbewegung) und veröffentlichte seine Erkenntnisse zu einem Verhältnis von Raum und Zeit, von ihm "Relativitätsprinzip" genannt. Im September 1905 schließlich krönte Einstein sich selbst und das "Wunderjahr" durch die Veröffentlichung eines Artikels mit der seit hundert Jahren berühmtesten aller Formeln: E = mc2.Doch insgesamt überwiegen die Gegenargumente, den Erfinder der Speziellen Relativitätstheorie als wissenschaftliche Vorbildfigur des 21.Jahrhunderts anerkennen zu können. Zwar war der 1879 in Ulm geborene Einstein spätestens seit 1919 wie kein anderer Wissenschaftler nach ihm ein Medienstar. Die Zeitungen überschlugen sich mit Überschriften wie "Revolution in der Wissenschaft" oder alle Lichter hängen schief am Himmel: Einsteins Theorie triumphiert". Doch im Grunde war das Universalgenie ein Eigenbrötler, "der es Zeit seines Lebens versäumt hat, Netzwerke aufzubauen". So jedenfalls sieht es Prof.Bernhard E Schutz, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Golm bei Potsdam. Darüber hinaus müssen sich Wissenschaftler heute den neuen Möglichkeiten der ortsübergreifenden Zusammenarbeit stellen, die durch das Internet eröffnet worden sind. Dr. Jan Plefka vom Einstein-Institut in Golm: "Wissenschaftliche Kommunikation findet über den Server statt. Über archive.org bekommt man heute Reaktionen in Stundenfrist." Das gesellschaftliche Interesse an naturwissenschaftlichen Erkenntnissen dagegen habe gegenüber dem vergangenen Jahrhundert erheblich nachgelassen. Er sei in der Forschergemeinschaft "ganz bestimmt nicht allein", sagt Plefka, "wenn ich Schwierigkeiten zugebe, in einem Freundeskreis Faszination über meine Arbeit auszulösen."

Das war bei Einstein wahrlich anders. Aber auch er beklagte sich: "jeder kennt mich, aber keiner versteht mich. " Tatsächlich haben laut Wissenschaftshistoriker Prof. Dr. Jürgen Renn "nur 100 000 Menschen auf der Welt verstanden, was die Relativitätstheorie wirklich bedeutet." REGINA-C.HENKEL 2005 steht Im Zeichen des Physikers

In Memoriam Albert Einstein

Das "Einsteinjahr 2005" wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der "initiative Wissenschaft im Dialog" ausgerichtet. Zu den zentralen Akteuren gehören das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, die Deutsche Physikalische Gesellschaft, das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte und das Einstein-Forum. Bundesweite Wettbewerbe, Sommercamps, Schülerlabore und Kinderuniversitäten sollen ein nachhaltiges Interesse Jugendlicher und Nachwuchswissenschaftler am Forschen, Denken und Erfinden fördern. rch www.einsteinjahr.de

Digitalisierung: Impulse für einfache Bedienbarkeit und bessere Mensch-Maschine-Interaktion könnten aus der Medienkunst kommen

Innovationen brauchen mutige Querdenker
VDI nachrichten, Düsseldorf/Berlin, 17.12. 04 -

Um Innovationen in Deutschland voranzubringen, braucht es nicht mehr nur klassische Forschung, sondern auch das Zusammenspiel verschiedener Disziplinen. Dafür setzen sich Experten jetzt mit einem Buchprojekt ein.

"Wir sind der Spinnerclub im Fraunhofer-Institut", schmunzelt Monika Fleischmann. Doch genau diese Rolle ist der Leiterin des MARS-Exploratory-Labs (Media Arts, Research & Science) wichtig. Denn: "Experimentierlabors und Think Tanks beschleunigen Innovation", ist Fleischmann überzeugt. Und so arbeitet die Medienkünstlerin zusammen mit Informatikern, Gestaltern und anderen Künstlern daran, auf der Basis digitaler Technik neue Anwendungen zu entwickeln, beispielsweise für Intuitive Interfaces oder Mixed-Reality-Umgebungen. "Wir betreiben Medienkunst als Innovationsforschung", fasst Fleischmann zusammen. Die These, dass von Disziplinen wie der Medien- oder Videokunst und dem Zusammenspiel verschiedener Fachbereiche dringend benötigte Impulse auch für Wissenschaft und Wirtschaft ausgehen können, vertritt nicht nur die Laborleiterin am Fraunhofer Institut für Medienkommunikation (IMK), St. Augustin. Auch die Berliner Autorin Ulrike Reinhard vom Whols-Verlag trieb dieser Gedanke. Grund genug für die beiden Frauen, gemeinsam auf die Suche nach Argumenten, bereits umgesetzten Modellen und neuen Ideen zu gehen. Ein Jahr lang befragten sie für das Buchprojekt "Digitale Transformationen" Wissenschaftler, Unternehmer, Lehrende und Künstler. Heraus kam ein spannender Blick auf digitale Zukunftswelten.

Beispiel 3deluxe: Das Berliner Unternehmen arbeitet im Team aus Mediengestaltern, Architekten, Designern und Informatikern an der Umsetzung multimedialer Technik in Räumen. "Dabei geht es auch um eine Weiterentwicklung der Mensch-Maschine-Interaktion", erklärt Mareike Reusch von 3deluxe. Man gehe zunehmend weg von klassischen Eingabemedien und bewege sich hin zu sensorischen Elementen, die einfach und intuitiv zu steuern seien.

Einfache Bedienbarkeit steht auch bei "Breeze" im Mittelpunkt. "Wir nutzen unsere Software selbst für die Weiterbildung unserer Mitarbeiter", erklärt Ralph Weiß, Geschäftsführer des Unternehmens Macromedia. "Das User-Interface muss gut sein, sonst geht die Motivation verloren und es entsteht die Gefahr von Technikfeindlichkeit und Barrieren", warnt Weiß. Gerade 40-bis 45-Jährige fänden nur schwer Zugang zu PC und elektronischen Arbeitsmitteln, so die Beobachtung von Weiß. "Dabei sind gerade Beschäftigte in dieser Altersgruppe für Entscheidungen in Unternehmen verantwortlich", mahnt der Manager.

Wege, die technische Hürde hinabzusetzen, könnten da aus der Medienkunst kommen, so Monika Fleischmann. Gerade bei interaktiven Kunstwerken zeige sich, wie Menschen auf neue Technik reagieren.

Doch noch ist das MARS-Lab darauf angewiesen, auf eigene Faust für Gelder zu werben. Das Dilemma: Fördertöpfe, die eine Zusammenarbeit von Disziplinen vorsehen, sind selten. Mischprojekte sind entweder nicht technisch oder nicht künstlerisch genug, beklagen Forscher. Förderstrukturen sind langfristig vorgegeben und können nur nach und nach aufgeweicht werden, weiß auch UrsWa Sowa, Architektin, Mitglied in der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" sowie im Ausschuss für Bildung und Technikfolgenabschätzung. "Um da etwas zu ändern, muss der Nachweis geführt werden, dass zum Beispiel neue Berufsfelder entstehen können", erklärt die Politikerin von Bündnis90/Die Grünen. Auch habe das Feld "E-Culture", in das neue Medien und die digitale Transformation eingebettet sind, noch nicht die breite gesellschaftliche Diskussion erreicht. Ein Faktum, das weit reichende Folgen haben könnte. "Die Digitalisierung ist ein gesellschaftlicher Einschnitt wie der Buchdruck", mahnt Giaco Schiesser, Leiter des Departements Medien und Kunst an der Hochschule für Gestaltung, Zürich. "Sie zieht sich durch alle Bereiche bis zur Arbeitswelt - doch der Wandel der Prozesse ist oftmals noch nicht begriffen worden, nötige Qualifikationen werden nicht erworben."

Um die Diskussion, aber auch Forschung und Innovationen voranzubringen, könnten private Stiftungen helfen, meint Wilhelm Kruil von der Volkswagen Stiftung. Denn sie könnten Gelder anders als staatliche Stellen einsetzen, auch die Marktmechanismen müssten nicht so stark wie bei anderen Einrichtungen beachtet werden.

Es gilt also, neues Querdenken gezielt zu fördern. Auch Fleischmann appelliert: "Um künstlerische Ansätze in die Forschungs- und Entwicklungsarbeit der Unternehmen zu integrieren, ist die Einrichtung interdisziplinärer Teams erforderlich. Dafür müssen Künstler und Forschungseinrichtungen - gerade in Unternehmen - neue Kooperationsmodelle entwickeln." SIMONE ZELL

Medienkunst

Die Internetplattform Netzspannung.org beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel von Medienkunst und Forschung. In der Medienkunst entwickeln Gestalter, lnformatiker und andere Wissenschaftler ihre Projekte rund um digitale Technologien oft in interdisziplinären Teams. Eine wesentliche Bedeutung der Medienkunst liegt in der Erfindung neuer Steuerungssysteme. Auszüge aus dem Buch "Digitale Transformationen" stehen im Web zum Download bereit. www.netzspannung.org

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