Straubinger, 17.febr2006
GASTKOMMENTAR
SCHLUSS MIT EU-FÖRDERUNG VON ARBEITSPLATZVERLAGERUNG
VON MINISTERPRÄSIDENT DR. EDMUND STOIBER

Nach der aktuellen Diskussion um die Verlagerung von Arbeitsplätzen in die neuen EU-Mitgliedstaaten wie zum Beispiel zuletzt bei AEG von Nürnberg nach Polen ergreifen wir in Bayern die Initiative gegen die Subventionierung reiner Arbeitsplatzverlagerungen mit EU-Geldern. Der Europäische Rat wird Ende März darüber entscheiden, wie EU-Strukturhilfen in Höhe von rund 310 Milliarden Euro in den kommenden Jahren in den EU-Mitgliedstaaten vergeben werden. Bayern will verhindern, dass Firmen für reine Arbeitsplatzverlagerungen innerhalb der EU Geld aus Brüssel bekommen. Deshalb fordern wir eine Änderung der bisherigen Förderpraxis und konkrete Änderungen der neuen EU-Strukturfondsverordnung.

Mit der Förderung reiner Arbeitsplatzverlagerungen innerhalb der EU durch EU-Gelder muss Schluss sein. Und es bedarf auch einer stärkeren Kontrolle der EU-Kommission bei solchen Förderentscheidungen. Es geht auf Dauer nicht an, dass Deutschland als größter Nettozahler der EU auch noch mit deutschen Steuergeldern die Verlagerung von Arbeitsplätzen in andere EU-Staaten mitfinanzieren soll. Ich erwarte, dass die Bundesregierung im Europäischen Rat klar Position bezieht gegen die Subventionierung von Arbeitsplatzverlagerungen aus Deutschland mit deutschen Steuergeldern. Vor der entscheidenden Runde zur künftigen EU-Strukturförderung Ende März in Brüssel erhebt Bayern diese zentralen Forderungen:

Es muss Schluss sein mit der Förderung reiner Arbeitsplatzverlagerungen innerhalb der EU. Die bloße Verlagerung von Arbeitsplätzen innerhalb eines Wirtschaftsraumes von einem Ort zum anderen ist ein volkswirtschaftliches Nullsummenspiel. Der gemeinsame Wirtschaftsraum wie auch der europäische Binnenmarkt profitieren davon nicht. Es wird nur ein Arbeitsplatz von einem Teil des Wirtschaftsraumes in den anderen verlegt. Dies ist eine unternehmerische Entscheidung, die aber nicht auch noch mit europäischen Fördergeldern unterstützt werden sollte.

Wir brauchen eine stärkere Kontrolle der EU-Kommission bei Förderentscheidungen. Wenn die Europäische Kommission künftig Förderentscheidungen trifft, dann sollen die davon betroffenen Mitgliedstaaten einbezogen werden und ein neues Mitspracherecht erhalten. Nach den Vorstellungen Bayerns sollen künftig bei Investitionen von mehr als 25 Millionen Euro die betroffenen Mitgliedstaaten ein Mitspracherecht erhalten.

Bereits geleistete Strukturfondsmittel müssen zurückgefordert werden, wenn ein geförderter Betrieb geschlossen oder verlagert wird. Die Frist für eine derartige Rückforderung muss auf mindestens sieben Jahre verlängert werden. Diese Rückforderung ist ein wesentliches Instrument bei der Bekämpfung eines volkswirtschaftlich unsinnigen Fördertourismus in Europa.

EU-Strukturförderung soll künftig an eine Mindeststeuerquote bei den Unternehmenssteuern geknüpft sein, gemessen an der Wirtschaftskraft eines Landes. Wer diese Quote unterschreitet, dem sollen die EU-Fördermittel gekürzt werden. Wenn ein EU-Mitgliedstaat seine Steuern niedrig hält, um Unternehmen und Kapital aus anderen Mitgliedstaaten abzuwerben, darf er dafür nicht auch noch zusätzlich Geld aus Brüssel bekommen. Es kann nicht so bleiben, dass auf diese Weise mit den Steuergeldern der Nettozahler die Verlagerung von Arbeitsplätzen in die Beitrittsstaaten finanziert wird. Zu Recht ist diese Forderung auch in den Koalitionsvertrag aufgenommen worden.

Bis zur Osterweiterung lagen die Volkswirtschaften in Europa in ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft weitgehend auf einem vergleichbaren Niveau. Ausnahmen gab es nur an der Peripherie der EU in Irland, in Portugal, in Spanien oder Griechenland. Mit der Osterweiterung haben sich das Gesicht und die Struktur der EU grundlegend verändert. Die bisherige Wirtschaftsunion wurde erweitert zu einer Entwicklungsunion. Auf diese fundamentale Strukturveränderung müssen auch die Instrumente der europäischen Strukturförderung neu eingestellt werden. Man kann nicht in einem Europa der 25 die gleiche Strukturpolitik betreiben wie in einem Europa der sechs, der 12 oder der 15.

HERAUSFORDERUNG
VON MARCUS SAUER

Auch die neue Bundesregierung wird die Schuldenspirale nicht durchbrechen. Im Gegenteil, Finanzminister Peer Steinbrück plant in seinem ersten Etatentwurf noch mehr Schulden ein, als Rot-Grün letztes Jahr aufgenommen hat. Allerdings bleibt er unter dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Wert. Immerhin. Doch wird es maßgeblich von der konjunkturellen Entwicklung und den Fortschritten bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit abhängen, wie viel Steinbrücks Zahlen wert sind. Schwarz-Rot rechnet allerdings fest damit, dass das Wachstumspaket die Wende bringen wird.

Mehr Mittel für Forschung und Entwicklung sollen dem Standort D auf die Beine helfen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Es hat sich gezeigt, dass die Dienstleistungspropheten, die meinten, es ginge auch ohne Industrie, geirrt haben. Nicht zuletzt werden auch Kohle und Stahl gerade in Zeiten einer weltweiten Rohstoffknappheit an Bedeutung gewinnen. Es gilt aber auch, den Anschluss bei den neuen Technologien zu halten. Dass es da trotz einiger Erfolge Defizite gibt, hat die Studie des Branchenverbandes BITKOM offenbart. Vor allem im Bildungsbereich werden Defizite beklagt. Da hat Deutschland ein Problem.

Es war mit der Telekom ein privates Unternehmen, das vor einigen Jahren dafür gesorgt hat, dass alle Schulen mit Computern und Internet ausgestattet sind. Der Staat darf sich nicht ausruhen, sondern muss nun für moderne Rechner sorgen. Wenn Schüler an alter Technik ausgebildet werden, können sie im internationalen Vergleich nicht bestehen. Auch Erwachsene müssen sich behaupten. Es wird immer seltener, dass jemand in seinem Ausbildungsbetrieb auch in Rente geht. Lebenslanges Lernen gewinnt eine immer größere Bedeutung. Wer nicht ständig die neuen Herausforderungen der Arbeitswelt annimmt, hat schlechte Karten. Hier kommt jedem Einzelnen, aber auch der Politik und den Tarifpartnern große Verantwortung zu. Nur durch mehr Beschäftigung und qualifizierte Kräfte können Staatsfinanzen und die Sozialversicherung stabilisiert werden.

Einigung über Föderalismusreform
Spitzenrunde von Bund und Ländern räumte die letzten Streitpunkte aus

Berlin. (AP/dpa) Nach jahrelangen Verhandlungen haben Bund und Länder die letzten Hindernisse für die Föderalismusreform ausgeräumt. Eine Spitzenrunde aus Ministerpräsidenten, Bundesministern und der Führung der beiden Koalitionsfraktionen einigte sich am Donnerstag in Berlin auf die Reichweite der Länderrechte in der Gesetzgebung. Dadurch sollen künftig auch Blockadehaltungen zwischen Bundestag und Bundesrat vermieden werden.

Damit kann die größte Verfassungsreform seit 1949, mit der das Kräfteverhältnis zwischen Bund und Ländern neu justiert wird, wie geplant am 10. März in Bundestag und Bundesrat erstmals beraten werden. Kern der Reform ist, dass die Länder Zustimmungsrechte im Bundesrat abgeben, dafür aber mehr eigene Zuständigkeiten erhalten. Damit sollen die Gesetzgebung erheblich beschleunigt und gegenseitige Blockaden von Bundestag und Bundesrat ausgeschlossen werden.

Die Parlamentarischen Geschäftsführer von Union und SPD, Norbert Röttgen (CDU) und Olaf Scholz (SPD), zeigten sich mit der Vereinbarung zufrieden. Scholz sprach im Anschluss an das Treffen von einem "guten Start" in die abschließenden Gesetzesberatungen. Nach Ansicht von Röttgen werden mit der Reform gegenseitige "Blockaden und Verhinderungen" der Vergangenheit angehören. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sprach von einem "wuchtigen Schritt" für mehr Reformfähigkeit in Deutschland. Nach seiner Einschätzung werden die Länder die neuen Kompetenzen aber sehr vorsichtig nutzen. "Was das öffentliche Dienstrecht anbelangt, da werden wir in engster Abstimmung mit den Gewerkschaften und dem Beamtenbund an eine Neuordnung herangehen", sagte Stoiber.

Die Kernpunkte der Föderalisreform

Berlin. (dpa) Die Föderalismusreform soll zu der tiefst greifenden Verfassungsänderung seit 1949 führen. Bis zuletzt waren zwischen Bund und Ländern wichtige Punkte der Neuordnung der Kräfteverhältnisse im Bundesstaat umstritten. Die Kernpunkte der Reform:

I. GRUNDSATZ: REDUZIERUNG DER LÄNDERRECHTE IM BUNDESRAT

Der Anteil der im Bundesrat zustimmungspflichtigen Bundesgesetze soll von derzeit etwa 60 auf 35 bis 40 Prozent reduziert werden. Dies soll die Gesetzgebung beschleunigen. Es wird in Zukunft weniger Vermittlungsverfahren zwischen Bund und Ländern geben, die häufig die Verabschiedung von Gesetzen über Monate verzögert haben.

Die Reduzierung der zustimmungsbedürftigen Gesetze wird dadurch erreicht, dass - anders als bisher im Grundgesetz vorgesehen - eine Zustimmungsbedürftigkeit der Länderkammer nicht schon dann eintritt, wenn der Bund in einem Gesetz auch das Verwaltungsverfahren mitregelt. Das ist etwa schon dann der Fall, wenn in einem Gesetz vorgeschrieben wird, dass eine Behörde einen Bürger vor einer Entscheidung anhören muss.

Künftig wird der Bund das Verwaltungsverfahren in der Regel ohne Zustimmung des Bundesrats festlegen können. Die Länder dürfen dann aber - und das ist neu - von diesen Bestimmungen durch eigene Gesetze abweichen. Über das Ausmaß dieser Abweichungsrechte bestand bis zuletzt Uneinigkeit zwischen Bund und Ländern. So wollten die Länder auch im Nachhinein von bereits bestehenden Gesetzen abweichen dürfen.

Il. AUSGLEICH FÜR DIE LÄNDER

Während der gesamten Verhandlungen ging es vor allem um die Frage, welche Kompetenzen die Länder als Ausgleich dafür bekommen, dass sie im Bundesrat Macht abgeben.

Dies betrifft vor allem die Bereiche Bildungs- und Hochschulpolitik sowie das Umweltrecht. Hier kann der Bund zwar weiter Regelungen verabschieden. Er kann auch über den Hochschulzugang und Hochschulabschluss bestimmen, was von den Kritikern der Reform immer wieder vergessen wird. Auch erhält der Bund die Möglichkeit, ein einheitliches Umweltgesetzbuch zu erlassen, dass erstmals alle Gebiete des Umweltrechts umfassen könnte. Aber: In beiden Fällen können die Länder aber abweichende Gesetze erlassen. Das ist ebenfalls neu. Über die Modalitäten dieser Abweichungsrechte bestand ebenfalls bis zuletzt Streit.

Die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau wird abgeschafft. Der Bund wird sich aber weiterhin im bisherigen finanziellen Rahmen an Hochschulbau und Forschungsförderung beteiligen.

Wichtig auch: Die Länder sollen künftig allein für die Besoldung und Altersversorgung ihrer Beamten zuständig sein. Statusfragen der Beamten regelt dagegen weiterhin der Bund. Beim Wegfall der bislang einheitlichen Regeln befürchten arme Länder, dass Spitzenkräfte abgeworben werden.

Ferner wird in einer ganzen Reihe von Sachgebieten die Gesetzgebungszuständigkeit allein auf die Länder verlagert werden - vom Ladenschluss bis hin zum Strafvollzug.

So könnten Gefangene künftig von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich behandelt werden.

Andererseits soll der Bund etwa über die Nutzung der Kernenergie allein bestimmen können. Das Bundeskriminalamt (BKA) kann tätig werden, wenn eine länderübergreifende Terrorgefahr vorliegt.

In einem Teilbereich wird auch eine neue Art von Zustimmungszwang des Bundesrats eingeführt. Der Bund soll demnach den Ländern ohne deren Zustimmung keine Geldleistungen mehr aufdrücken können. Das war eine alte Forderung der Bundesländer, die sich in der Vergangenheit immer wieder über die Übertragung von Kosten durch den Bund beschwert hatten, gegen die sich nicht wehren konnten.

Grenzregion: Freistaat springt für gestrichene GA-Mittel ein
Zusage von Stoiber bei Besuch der CSU-Basis

Barbing. (kw) Für die "Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GA), waren ursprünglich 700 Millionen Euro vorgesehen. Diese Summe wurde von der Großen Koalition um 100 Millionen gekürzt (wir berichteten). Sechs Siebtel der gestrichenen Summe werden nach den jüngsten Verhandlungen im Koalitionsausschuss Deutschland-Ost betreffen und vom Bund übernommen werden. Ein Siebtel geht Deutschland-West verloren. Die für die bayerischen Grenzräume entfallenden Mittel will Ministerpräsident Edmund Stoiber nun aus Geldern des Freistaats ausgleichen. Das teilte er den CSU-Ortsvorsitzenden der Oberpfalz am Donnerstagabend in Barbing (Kreis Regensburg) mit.

Mit den im Rahmen der GA "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" gewährten Zuwendungen sollen Investitionsanreize für dauerhafte und qualifizierte Arbeitsplätze gegeben werden. Die Maßnahmen sollen der Verbesserung der Einkommens- und der Wirtschaftsstruktur in strukturschwachen Regionen und dem Abbau regionaler Entwicklungsunterschiede dienen.

Gemeinschaftsaufgaben gehören zu den vier Arten der Gesetzgebungszuständigkeit im föderalen System Deutschlands. Sie sind im Grundgesetz geregelt und umfassen neben der Verbesserung der regionalen Wirtschafts- und Agrarstruktur den Aus- und Neubau von Hochschulen sowie den Küstenschutz. Entschieden wird über einzelne Projekte im Planungsausschuss.

Ihm gehören der Bundesfinanzminister, der zuständige Fachminister des Bundes - beispielsweise der Bundeslandwirtschaftsminister - und die Fachminister der Länder an. Bei Abstimmungen bedarf es der Stimme des Bundes, des betroffenen Landes und der Mehrheit der Länder.

Bundestag verabschiedet Gentechnik-Novelle

Berlin. (dpa) Mit breiter Mehrheit hat der Bundestag eine Novelle des Gentechnikgesetzes verabschiedet. Damit hat das Parlament eine fünf Jahre alte EU-Richtlinie im letzten Moment umgesetzt und dadurch Strafzahlungen an Brüssel von bis zu 792 000 Euro pro Tag verhindert. Das Gesetz, das am Donnerstagabend lediglich von der Linkspartei abgelehnt wurde, regelt vor allem Verfahrensfragen und die Unterrichtung der Öffentlichkeit. Strittige Themen wie die Haftung beim Anbau von Gen-Pflanzen will Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) erst im Laufe des Jahres regeln.

Die verabschiedete Novelle, die noch die Zustimmung des Bundesrates benötigt, befasst sich unter anderem mit der Kennzeichnung genetisch veränderter Pflanzen.

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