Umwelt: Partikelfilter wird in Diskussion um Feinstaubbelastung instrumentalisiert

Viel Wind um feinen Staub
VDI nachrichten, Berlin/Düsseldorf, 8. 4. 05 -

Die war die Luft so sauber wie heute. Doch die aktuelle Diskussion um die Feinstaubbelastung bzw. die Überschreitung ihrer Grenzwerte nimmt teilweise hysterische Formen an. Dass der Dieselpartikelfilter von Umweltverbänden als Allheilmittel instrumentalisiert und das Thema Feinstaub verzerrt wird, war abzusehen. Recherchen der VDI nachrichten zeigen, dass der Stra-ßenverkehr bei der Feinstäubgesamtemission (PM10) in Deutschland nur auf einen Anteil von 20% kommt. Auch betrage der Anteil der Kfz-Dieselmotoren an der Feinstaubbelastung aller mobilen PM10-Quellen nur 21 %, so Fachleute des TÜV Süddeutschland. Die errechneten dass, selbst wenn alle Lkw und Pkw mit Dieselmotor - 9,1 Mio. von insgesamt 45,4 Mio. Pkw in Deutschland mit Filtern ausgerüstet wären, würde die PM10-Feinstaubbelastung nur um rund 5 % sinken. Fachleute meinen, dass die Diskussion um Feinstaub überhitzt geführt werde.

 

Umwelt: Partikelfilter sind für Experten ein wichtiger Ansatz um die Feinstaubbelastung zu senken, aber eben nur ein Ansatz

"Luft war nie so sauber wie heute"
VDI nachrichten, Berlin, 8. 4. 05 -

Die aktuelle Debatte um Feinstaub fokussiert sich auf den Verkehr. Der Dieselpartikelfilter wird als Allheilmittel propagiert. Doch selbst wenn alte Pkw und Nutzfahrzeuge mit Dieselmotor mit Filtern ausgerüstet wären, würde die PM10-Feinstaubbelastung nur um rund 5 % sinken, so Experten des TÜV Süddeutschland. Die Maßnahmen müssen breiter angelegt werden, um die Belastung tatsächlich in den Griff zu bekommen, darauf dringen Fachleute.

Seit Beginn der systematischen Messungen in den 60er Jahren war die Luft nie so sauber wie heute", sagte Prof. Peter Bruckmann, Leiter der Abteilung Luftüberwachung, Radioaktivität, Geräusche im Landesumweltamt (LUA) Nordrhein-Westfalen (NRW) gegenüber den VDI nachrichten. Die Belastung durch Schwefeldioxid sei um Faktor 10 zurückgegangen, es seien zwei Drittel weniger Staub und 90 % weniger Schwermetalle in der Luft. Vor diesem Hintergrund werde die aktuelle Diskussion um Feinstaub deutlich überhitzt geführt.

Hintergrund der Debatte ist die EU-Richtlinie 1999/30/EG aus dem Jahr 1999, deren Bestimmungen ab 2005 greifen.

Die Richtlinie setzt neue Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickoxide, Staub und Blei in der Außenluft. Bei Feinstäuben (PM10) darf die Belastung im Jahresdurchschnitt 40 pg/M3 nicht überschreiten und höchstens an 35 Tagen im Jahr über 50 pg/m3 liegen. Diese Grenze ist vielerorts nicht einzuhalten. Gerade Meßstellen an verkehrsreichen Straßen verzeichneten schon an über 40 Tagen Grenzwertüberschreitungen teilweise lagen die Werte über 300 pg/M3.

Um die Gesundheit der Bevölkerung nicht länger zu gefährden, fordern Umweltverbände, die Grünen und Umweltbundesamt (UBA) vehement die sofortige Einführung von Dieselpartikelfiltern. So spricht sich etwa die Deutsche Umwelthilfe für eine befristete aufkommensneutrale Förderung des Partikelfilters für Alt- und Neufahrzeuge aus und bezieht sich dabei auf NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn. Die hatte vorgeschlagen, eine Steuerbegünstigung für Diesel-Pkw mit Partikelfilter über einen Malus für Diesel ohne Filter zu bezahlen - und so die Länderhaushalte zu schonen.

Für eine rasche steuerliche Förderung von Partikelfiltern plädierte auch Prof.Dr.-Ing. Klaus G.Schmidt. Der Vorsitzende der Kommission Rein-

Aktuelle Diskussion

über Feinstaub

deutlich überhitzt

haltung der Luft (KRDL) des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) fordert zudem, "die Maut für Fern-Lkw mit nachgerüsteten Dieselrußfiltern kurzfristig zu senken, um Marktanreize zu schaffen." Schwere Lkw gelten als wichtigste Rußpartikelquelle im Verkehr. Laut Angaben des Instituts für Energiewirtschaft und rationale Energieanwendung der Uni Stuttgart kommen zwei Drittel der Dieselrußemissionen im Verkehr von Lkw, ein Drittel geht auf Pkw zurück.

Schmidt von der VDI-KRDL plädiert für die rasche Einführung der Filter, um eine City-Maut überflüssig zu machen, die im Zuge der Feinstaubdebatte ebenso ins Spiel gebracht wurde wie Fahrverbote in den Innenstädten. Dagegen verwahrt sich Rolf Pangels, Hauptgeschäftsftihrer des Handelsverbands BAG. Er richtete schwere Vorwürfe an die deutsche Automobilbranche, "weil sie über Jahre hinweg die serienmäßige Einführung der Filter aufgeschoben hat". Es könne nicht sein, dass dafür nun die innerstädtische Wirtschaft bluten muss, so Pangels.

Ähnliche Diskussionsbeiträge gab es in der letzten Woche zuhau£ Bei ProL Bruckmann vom NRW-LUA lösen sie Kopfschütteln aus. Er hält es für verfrüht, den Dieselpartikelfilter als "die Lösung" schlechthin darzustellen. "Wir brauchen Maßnahmen an allen Quellen, um die Feinstaubbelastung in den Griff zu bekommen. Partikelfilter sind dazu ein wichtiger aber eben nur ein Ansatz", so der Experte.

Bruckmanns Abteilung koordiniert in NRW die Luftüberwachung und führt dafür an 68 Meßstellen im Land kontinuierliche Messungen durch. Dabei ermittelt das LUA in unregelmäßigen Abständen auch die Zusammensetzung der Proben. An stark befahrenen Straßen fände man im gesammelten Feinstaub etwa 30 % "sekundäre Aerosole" (u.a. Ammoniumsulfat und -nitrat), 25 % wassergebundene Silikate, 10 % organische Stoffe und etwa 20 % Ruß aus Verbrennungsprozessen. "Ob und inwieweit der Ruß aus Fahrzeugabgasen, Hausheizungen oder Industrie stammt, lässt sich nicht ermitteln, erklärte Bruckmann.Allerdings dürfe man den Anteil des Straßenverkehrs an der Belastung nicht unterschätzen, so der Experte vom LUA. Sein Amt stelle an verkehrsreichen Straßen oft lokale Zusatzbelastung an Feinstäuben von über 30 % fest, wozu auch Reifen- und Bremsabrieb sowie aufgewirbelter Straßenstaub beitrugen. Zudem merkte Bruckmann weiter an, dass gerade die Tage mit den höchsten Schadstoffkonzentrationen in der Luft mit meteorologischen Bedingungen zusammenfallen, wo es kaum Luftbewegung gibt. Zuletzt sei der Verkehr auch an der Grundbelastung der Luft mit Feinstäuben beteiligt. So spielten Stickoxide aus Abgasen eine wichtige Rolle beim Entstehen sekundärer Aerosole in der Atmosphäre. -

Bruckmarin nennt Industrie, Haushalte und Landwirtschaft als weitere wichtige Stickoxidquellen. Die Landwirtschaft trage zudem über den massiven Austrag von Ammoniak zur Bildung lungengängiger Schwebestäube bei. Ammoniak verbinde sich in der Atmosphäre mit Stick- und Schwefeloxiden zu Ammoniumsulfat und -nitrat. Vor der Stickstoffdioxid-Problematik warnt auch die KRDL. Ab 2010 müssen auch hier strengere Grenzwerte eingehalten werden. Ihr Vorsitzender Prof. Schmidt: "Die Versäumnisse der Industrie und Politik bei der Entwicklung der Dieselrußfilter dürfen sich bei den Stickstoffoxidfiltern nicht wiederholen." P TRECHOW/WOP

 

Feinstäube: Je kleiner die Teilchen, desto schlimmer ihre Wirkung

Eine große Gesundheitsgefahr
VDI nachrichten, Leipzig/Halle, 8. 4. 05 -

Die Weitgesundheitsorganisation WHO rechnet damit, dass bereits l0 m g Feinstaub in 1 m3 Luft eine Verkürzung der Lebenserwartung um ein halbes Jahr bewirkt. in Deutschland sollen gar 65 000 Todesfälle pro Jahr darauf zurückzuführen sein. Eine Zahl, die in der Fachwelt heftig diskutiert wird.

Feinstäube sind inzwischen zu einer der größten Gesundheitsgefahren in Stadtgebieten geworden", sagt Dr. Martin Lanzendorf vom Umweltforschungszentrum LeipzigHalle (UFZ). Die ultrafeinen Partikel sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Aber sie können sich im feinen Lungengewebe einnisten und chronische Atemwegserkrankungen oder Lungenkrebs hervorrufen. Und sie können giftige Stoffe mit in die Lunge tragen, von wo sie das Blut bis in die Organe transportiert.

Bereits 10 m g Feinstaub in 1 M3 Luft könnten die Lebenserwartung um ein halbes Jahr senken, so die Weltgesundheitsorganisation WHO. Und eine Studie der EU-Kommission kommt zu dem Schluss, dass in Deutschland jedes Jahr rund 65 000 Personen an Herz- und Kreislauf-Erkrankungen sterben, die auf Luftverschmutzungen zurückzuführen waren. Heinz-Erich Wichmann, Leiter des Institutes für Epidemiologie des GSF-Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit in Neuherberg, mag diese hohen Zahlen allerdings nicht bestätigen. Doch spricht er immerhin noch von bis zu 19 000 Opfern.Klar ist, dass die Lebenserwartung durch starke Emissionen verkürzt werden kann. Doch Norbert Englert vom Umweltbundesamt (UBA) stellt klar: "Es ist völlig falsch, daraus Zahlen von Todesopfern errechnen zu wollen."

Die bisherige Diskussion dreht sich um PM10 - also um Staubpartikel mit einem Durchmesser von 10 m m. Doch Experten befürchten, dass die noch kleineren Staubpartikel am gefährlichsten sind. Für die gibt es keine Grenzwerte. "Bei größeren Staubpartikeln gibt es verschiedene Abwehrmechanismen des Körpers", umschreibt Dr. Ulrich Franck vom UFZ die Gefahr für die Gesundheit. "Kleineren Partikeln aber hat der Mensch nichts entgegenzusetzen."

GSF-Wissenschaftler konnten inzwischen nachweisen, dass solche ultrafeinen Staubpartikel in die Blutzirkulation, das Herz, Leber und andere Organe transportiert werden und selbst bis in das Hirn vordringen können.

"Welche Wirkungen sie dort auslösen, ist weitgehend unbekannt. Allerdings weisen erste Untersuchungen z.B. auf gestörte Proteinreaktionen, also auf oxidativen Stress, hin", warnt Dr. Wolfgang G. Kreyling vom GSF-Forschungszentrum. Auch scheint das Immunsystem vielfältiger betroffen zu sein, als man bisher annahm. Brüssels EU-Beamte, an deren Schreibtischen Europas Richtlinie zur Luftreinhaltung entstanden ist, leiden unter Feinstaub. Direkt nach Ostern warnte das Königlich Meteorologische Institut in Belgien vor dicker Luft wegen des Feinstaubs: Auf einer zehn Einheiten umfassenden Skala sei Stufe Acht und damit Alarmphase erreicht.

In einem solchen Fall sollten die Bürger Sport und Aktivitäten an der "frischen Luft" einschränken, empfehlen die Experten. Radfahrer sollten zudem Hauptverkehrsstraßen meiden, um zusätzliche Belastungen durch Dieselruß zu umgehen. Ach ja,und dann wäre da noch das Rauchen:"Schon das Abbrennen von drei bis fünf Zigaretten in einem normalen Zimmer führt zu Feinstaubkonzentrationen von einigen Hundert bis Tausend Mikrogramm pro Kubikmeter", sagte der Leipziger Wissenschaftler Ulrich Franck. Ganz zu schwiegen von den anderen Gefahren, die im Zigarettenqualm lauern.

Experten haben

auch die ultrafeine

Partikel im Visier

VDI nachrichten -8. April 2005 - Nr. 14

Umwelt: Interview mit Marion Wichmann-Fiebig, Abteilungsleiterin Luft im Umweltbundesamt
EU-Kompromiss streut Feinstaub in die Augen
VDI nachrichten Berlin, 8. 4. 05 -

Beim Festlegen des Feinstaublimits "PM1O"-hat man sich 1999 offensichtlich verschätzt, denn gemessen wird in der EU erst seit dem Jahr - an Aufwirbelungen und Reifenabrieb etwa wurde nicht gedacht. Resultat. "Feinstaubalarm" heißt es vielerorts. Doch zur Hysterie bestehe kein Grund, " weil wir keine akute Gesundheitsgefährdung haben,". sagt Marion Wichmann-Fiebig, Leiterin Abt. 115 Luft im Umweltbundesamt gegenüber den VDI nachrichten. Die erhöhte Feinstaubbelastung wirke langfristig, auch "ist der Grenzwert in der Richtlinie ein politischer Kompromiss"-.

VDI nachrichten: Frau Wichmann-Fiebig - Ist die Luft in Deutschland schlecht?

Wichmann-Fiebig: Nicht schlechter als anderswo in Europa.

VDI nachrichten: Besser?

Wichmann-Fiebig: Wenn sie nach Feinstaub fragen: besser als in Oberitalien aber schlechter als in Skandinavien.

VDI nachrichten: Aber die Luft ist viel sauberer als früher. Das Umweltbundesamt gibt die Staubemissionen für 1990 mit 1, 8 Mio. t an, vor 40 Jahren waren es sogar noch 3 Mio. t jährlich, 2002 nur noch 200 000 t...

Wichmann-Fiebig: ... diese Daten beziehen sich auf Gesamtstaub, nicht auf Feinstaub. Wobei sich auch die Situation beim Feinstaub verbessert hat. Aber in hoch belasteten Straßen hat sich so viel dann wieder auch nicht getan.

VDI nachrichten: Luftmessungen gibt es schon lange, auch an belasteten Straßen. Mit den Daten werden Modellrechnungen gemacht. Wie kann es da sein, dass die EU Grenzwerte setzt, die jenseits dessen sind, - was mit ihren eigenen Abgasnormen für Pkw und Lkw erreichbar scheint?

Wichmann-Fiebig:Die EU-Staaten haben der Zielsetzung 1999 zugestimmt. Damals begann man erst, Feinstaub zu messen. Vorher hat man ihn per Analogieschluss aus der Gesamtstaubemission ermittelt - und sich offensichtlich verschätzt. Man hat beispielsweise kaum an Aufwirbelungen und Reifenabrieb gedacht. Außerdem ist der Dieselanteil heute viel höher als erwartet.

VDI nachrichten: Abgasnormen gelten auch für Diesel. Die EU4 ist in Kraft. Doch es dauert natürlich, bis die Neuwagen den Markt durchdringen. Verfolgt die Feinstaubrichtlinie nicht ein zu ambitioniertes Ziel? Abgasgrenzen und Richtlinie harmonieren offensichtlich nicht!

Wichmann-Flebig:Grundlage der Feinstaubrichtlinie ist der Gesundheitsschutz. Dieser ist bei den Abgasgrenzwerten offensichtlich nicht ausreichend beachtet worden ...

VDI nachrichten: ... man kann es auch schlechtes Timing nennen. Kommen wir zu den Feinstaubquellen. Viele Experten sprechen von 70 % Grundbelastung und 30 % lokaler Emission in belasteten Straßen. Ähnliche Zahlen nennt das Landesumweltamt NRW. In aktuellen Veröffentlichungen macht Ihr Haus eine ganz andere Rechnung auf. Plötzlich sind drei Viertel der Emissionen verkehrsbedingt - allein 50 % des Feinstaubs kommen danach aus Dieselfahrzeugen. Haben Sie neue Erkenntnisse?

Wichmann-Flebig:Diese Zahlen sind sicherlich eine obere Abschätzung. Wir haben stark aggregiert (angehäuft; Red.) Ob 70 % aus dem Hintergrund kommen, wage ich zu bezweifeln. Vielleicht in NRW, aber nicht in Berlin. Hier geht es um den Verkehr.

VDI nachrichten: Wobei gerade die Frankfurter Allee als höchstbelastete Straße Berlins in einem Viertel mit vielen Kohleheizungen liegt.

Wichmann-Flebig:An diesem Standort kann die Belastung durchaus damit zusammenhängen. Um es noch mal deutlich zu machen: Wir haben eine grobe obere Abschätzung für die Gesamtheit der Quellen gegeben. Die kann natürlich nicht an jedem Standort gelten.

VDI nachrichten: Wir haben versucht, uns bei Meßstellen kundig zu machen, ob sie die Bestandteile des gesammelten Feinstaubs analysieren. Auffällig war bei den Antworten, dass der Rußanteil in Proben oft bei etwa 20 % liegt. Wobei Ruß noch nichts darüber aussagt, ob er aus Pkw, Lkw, Baggern oder Hausheizungen kommt...

Wichmann-Flebig:... stimmt, kann alles sein.

VDI nachrichten: 20 % Ruß sprechen eine völlig andere Sprache als die Zahlen des Umweltbundesamt. Wie sind solche Analysen zu bewerten? Einzelfälle? Und wie kommen sie zu den 50 % Dieselanteil am Feinstaub?

Wichmann-Fiebig:Die Zahlen kommen aus ähnlichen Analysen, aber offensichtlich anderen Standorten. So erklärt sich, dass Unterschiede auftreten. Zudem birgt eine Analyse der Inhaltsstoffe Unsicherheiten.

VDI nachrichten: Gibt es Bemühungen die Beprobungen und Analysen miteinander zu vergleichen, um zu gesicherten Erkenntnissen zu gelangen?

Wichmann-Fiebig:Gibt es. Allerdings sind wir aktuell eher dabei, die Messverfahren zu harmonisieren. Das Landesumweltamt NRW hat gerade die Ergebnisse eines Vergleichs veröffentlicht, bei dem die Messstellen der Bundesländer mit ihren Verfahren an ein und demselben Ort gemessen haben. Ich kenne die Ergebnisse noch nicht im Einzelnen. Doch ich weiß, dass es wesentliche Differenzen gab.

VDI nachrichten: Analysen aus der Schweiz zeigen, dass der Feinstaub in fünf verschiedenen Städten völlig unterschiedlich zusammengesetzt war. Ihr Haus fordert ganze Maßnahmenbündel gegen Feinstaub. Dafür sollte man allerdings wissen, welche Feinstaubquellen tatsächlich relevant sind. Ist es Ammoniak aus der Landwirtschaft, der in der Atmosphäre mit Schwefeldioxid und Stickoxiden feine Schwebstoffe bildet? Sind es Müllverbrennungsanlagen, Hausheizungen, Industrie? Und wie sehen die lokalen Einflüsse genau aus? Bisher ist die Debatte sehr auf den Partikelfilter eingeengt.

Wichmann-Flebig:Der Partikelfilter ist eine schnell verfügbare Technik. Aber es ist klar, dass er allein die Probleme nicht löst. Die Maßnahmen dürfen nicht auf den Verkehr beschränkt bleiben, sondern auch Industrie, Landwirtschaft und Haushalte einbeziehen. Allerdings ist es schwer, dort schnell wesentliche Verbesserungen durchzusetzen. Gerade in der Landwirtschaft muss man ganz dicke Bretter bohren, was nicht heißt, dass man es nicht angeht.

VDI nachrichten: Partikelfilter sollen kurzfristig helfen. In der Düsseldorfer Corneliusstraße, die ja sehr feinstaubbelastet ist, kommt laut Umweltamt NRW die Hälfte der lokalen Belastung von Lkw, obwohl die dort nur einen Anteil von 3 % bis 4 % am Verkehrsaufkommen haben. Das würde heißen, man muß vor allem ran an Lkw...

Wichmann-Fiebig:... es wäre wünschenswert, Lkw möglichst schnell mit Filtern auszustatten

VDI nachrichten: ... das ist ja im Gange und wird durch die stufenweise Verschärfung der Abgasgrenzen systematisch vorangetrieben. Von daher sind die aktuelle Hysterie und die vielen Schuldzuweisungen kaum nachvollziehbar.

Wichmann-Fiebig: Wir sind spät dran. Schließlich verfehlen wir die Grenzwerte. Allerdings sind wir nicht in der Situation, Fahrverbote aussprechen zu müssen. Zur Hysterie besteht keinerlei Grund, weil wir keine akute Gesundheitsgefährdung haben. Die erhöhte Feinstaubbelastung wirkt langfristig. Wir haben genug Zeit, sinnvolle Maßnahmen zu planen.

VDI nachrichten: Ist das Problem dann wirklich gravierend? Würde es nicht reichen, den Verkehr an belasteten Straßen zu verlagern?

Wichmann-Fiebig:Das wäre nicht im Sinne des Gesamtgesundheitsschutzes der Bevölkerung. Es gibt ja keinen Schwellenwert, unterhalb dem Feinstaub nicht gesundheitsgefährdend ist. Der Grenzwert in der Richtlinie ist ein politischer Kompromiss. Selbst wenn wir ihn einhalten, drohen noch Erkrankungen. Es geht also darum, das allgemeine Belastungsniveau zu senken.

VDI nachrichten: Folgt man ihren Ausführungen, müsste die Metallindustrie einen hohen Krankenstand haben. Dort kommen ja laut Angaben Ihres Hauses mittlerweile 80 % der Feinstaubemissionen nicht aus Schornsteinen, sondern aus Dachöffnungen, Hallentoren und Fenstern.

Wichmann-Fiebig:Am Arbeitsplatz gelten andere Regeln. Schließlich müssen auch Asthmatiker und Säuglinge die Luft draußen einatmen - und zwar ständig.

VDI nachrichten: Gibt es Vergleichswerte über Feinstaub in anderen europäischen Ländern?

Wichmann-Fiebig:Ja. Alle müssen inzwischen messen. Allerdings sind einige EU-Staaten sehr kreativ in der Auswahl der Meßstandorte. Anders Italien. Dort nimmt man es genau und hatte bisher fast jeden Tag in diesem Jahr Überschreitungen. Die Niederlande haben Probleme, Großbritannien auch. Es ist ein europäisches Problem.

VD1nachrichten: Gibt es Messungen in Megastädten Asiens oder Südamerikas?

Wichmann-Fiebig: Die gibt es. Und natürlich sind die Belastungen dort ungleich höher als hier.

VDI nachrichten: Das wirft die Frage auf, ob wir nicht gerade über ein Luxusproblem reden?

Wichmann-Fiebig:Ich denke, jede Gesellschaft muss für sich entscheiden, was Luxus ist. Das ist ein politischer Prozess. 1999 hat auch Deutschland für die neuen Feinstaubgrenzwerte gestimmt, weil man erkannt hat, dass es sich um ein Gesundheitsproblem handelt, das politisches Handeln erfordert. PETER TRECHOW

 

 

Particulate Matter - PM.

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