Forschung: 70 Mrd.E in sieben Jahren

EU stärkt Autonomie der Wissenschaft
VDI nachrichten, Brüssel, 8. 4. 05 -

Die geplante Verdoppelung der Forschungsausgaben von 5 Mrd. € auf 10 Mrd. € jährlich sprengt die Finanzplanung der EU. Dennoch beschloss die Kommission das 7. Forschungsrahmenprogramm mit mehr als 70 Mrd. € von 2007 bis 2013.

"Dies ist die Stunde der Wahrheit," erinnert der neue EU-Forschungskommissar Janez Potocnik die 25 Staats- und Regierungschefs an ihre eigenen Beschlüsse. Bereits vor fünf Jahren verständigten sich die damals noch 15 Staatslenker in Barcelona auf das Ziel, bis zum Jahre 2010 die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) auf 3 % des Bruttosozialprodukts in den Mitgliedstaaten zu steigern. Die Lissabon-Ziele, bis zum Ende des Jahrzehnts die wettbewerbsfähigste Region der Welt sein zu wollen, stutzte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso in der jüngsten Halbzeitbilanz zwar kräftig zurück. Doch beim Frühjahrsgipfel im März bekräftigte die EU der 25 erneut, an der 3 %-Marke festhalten zu wollen.

Die EU-Finanzminister müssen bei den Verhandlungen über die finanzielle Vorausschau (2007-2013) beweisen, wie ernst sie es tatsächlich mit der Absicht halten, Forschung und Innovation in Europa Vorfahrt einzuräumen.

Potocnik vollzieht mit dem 7. EU-Forschungsrahmenprogramm einen Paradigmenwechsel. Mit dem Europäischen Forschungsrat (EFR) will der 46-jährige Slowene erstmals den europäischen Forschern selbst die Entscheidung über Schwerpunkte europäischer Grundlagen- und Spitzenforschung in die Hände legen. "In völliger Autonomie ohne Vorgaben von EU-Kommission oder Ministerrat" soll allein die wissenschaftliche Exzellenz maßgebend für Brüsseler Unterstützung sein.

Damit die besten Köpfe in Europa bleiben, sollen vor allem innovative Nachwuchswissenschaftler großzügige Fördergelder erhalten. Und dies ohne großen bürokratischen Aufwand und langwierige Antragsverfahren, verspricht Potocnik. "Ich verbinde mit dieser Entscheidung die Hoffnung, dass die Grundlagenforschung in Europa endlich den ihr zukommenden Stellenwert erhält," zeigt sich Professor Erwin Neher vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie optimistisch.

Der Göttinger Medizin-Nobelpreisträger gehört zu dem fünfköpfigen Vorbereitungsgremium, das die Zusammensetzung des 20-köpfigen "European Research Councils" und Vergaberichtlinien bis Ende April ausarbeiten soll. Zwar habe die EU-Kommission auch in der Verganganheit den Wert der Grundlagenforschung erkannt, so Neher. Aber die bisherigen Förderinstrumente seien zu wenig auf die spezifischen Bedürfnisse der Spitzenforschung zugeschnitten.

Im 7. EU-Forschungrahmenprogramm sind hierfür jährlich 1,5 Mrd. € vorgesehen. Auch wenn es nicht zur Verdopplung des europäischen EU-Budgets kommen sollte, will die Brüsseler Behörde an diesem Etattitel zugunsten von mehr Autonomie der Wissenschaft festhalten. Dies bekräftigte unlängst EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso in einem Gedankenaustausch mit europäischen Nobelpreisträgern in Brüssel. "Der Kommissionspräsident will die Forschung stärker in das Bewußtsein aller Bürger rücken," berichtet Neher. Mehr Engagement und Mittel für Forschung und Innovation versteht Barroso als Schlüssel für mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa.

Der Portugiese und der Slowene ziehen hier an einem Strang. Ob die EU-Finanzminister ihnen Gefolgschaft leisten, bleibt abzuwarten. Aus dem Europäischen Parlament, traditionell auf Seiten der Kommission für mehr Forschungsmittel, kommt unerwartet Gegenwind au£ So fordert der EP-Haushaltspolltiker Reimer Böge Abstriche von 6 Mrd. € in der Forschungs- und Infrastrukturpolitik. In einem diese Woche vorgelegten Gegenentwurf des CDU-Europaparlamentariers soll der Kommissions-Finanzvorschlag drastisch um 50 Mrd. € zusammengestrichen werden. T. A. FRIEDRICH

R.Kiehl: ...weniger ist manchmal mehr...und solange die nationalen Rahmenbedingungen nicht ausgehebelt werden, ist der Ansatz der EU sicherlich zu begrüßen.

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