Straubinger, 15.Mai 2006
Kommentar
IM STREIKFIBER
VON WOLFGANG PALM

Die Nachrichtenlage lässt wohl nur einen Schluss zu: Deutschland befindet sich im Streikfieber, und die Temperatur scheint zu steigen. Während unsere Wirtschaft mit einem Wachstum von mageren 0,4 Prozent fast stagniert, rufen Gewerkschafter nach einem "großen Schluck aus der Pulle". Hoffentlich verschlucken sie sich nicht. Nicht weniger als sechs Prozent mehr Lohn fordert ver.di für 119000 Mitarbeiter der Deutschen Telekom. Dafür gibt es nur eine Bewertung: irreal. Der unter einem hohen und weiter steigenden Wettbewerbsdruck stehende Konzern muss darauf achten, dass überhöhte Tarifabschlüsse nicht die Basis der Konkurrenzfähigkeit zerstören.

Indes gibt es ab und an auch Lichtblicke. Die Tarifeinigung bei der Deutschen Post (plus 2,3 Prozent, Laufzeit 24 Monate) erscheint maßvoll und passt in die Landschaft. Auch die Lage der Post wird von schwierigen Rahmenbedingungen geprägt. Dass die Arbeitnehmerseite das einsieht und daraus die richtigen Konsequenzen zieht, verdient ein dickes Lob. Ganz anders die Situation bei den Klinikärzten, die ihre Streikaktionen in dieser Woche auf die Spitze treiben. Während die finanziellen Verhältnisse im gesamten Gesundheitswesen äußerst ernst sind, legen die Ärzte ein erstaunliches Maß an Unvernunft und Egoismus an den Tag.

Hippokrates, der Urvater der Medizin, würde sich im Grab umdrehen. Die ethische Basis des Berufsstandes gerät ins Wanken. Zigtausende Patienten bleiben unversorgt und Krankenhäuser sind von der Pleite bedroht. Das Verhalten der Klinikärzte wirft ein Schlaglicht auf das kranke Gesundheitswesen. Unterversorgung mit Medikamenten, Behinderung des medizinischen Fortschritts, Mangel an Wettbewerb und Transparenz, unzureichende Kapitaldeckung, zu geringe Eigenverantwortung, überbordende regulatorische Eingriffe der Politik - und jetzt obendrein noch die Klinikärzte im Streikfieber. Ja, das kann ein böses Ende nehmen. Armer Standort Deutschland!

Neues Weißbuch zum Einsatz der Bundeswehr
Berlin. (dpa) Im Falle eines Terror-Anschlags in Deutschland will die Bundesregierung bei Bedarf die Bundeswehr einsetzen. Das geht aus dem Entwurf des neuen Weißbuchs zur Sicherheitspolitik hervor, das einer Boulevardzeitung nach eigenen Angaben vorliegt. Dem Bericht zufolge heißt es darin: "Infolge der neuartigen Qualität des internationalen Terrorismus sind heute Anschläge Realität geworden, die sich nach Art, Zielsetzung und Intensität mit dem herkömmlichen 'Begriff des Verteidigungsfalls gleichsetzen lassen."

 

Kultusministerium und Uni an einen Tisch
Regensburg. (ta) Universitäten lassen sich durch die neue G8-Stundentafel nicht vor vollendete Tatsachen stehend so eine Pressemitteilung der Universität Bayern. Vertreter der bayerischen Universitäten bedauern außerordentlich das eigenmächtige Vorgehen des Kultusministeriums und der Staatsregierung bei der Festlegung der neuen G8-Stundentafeln. .Der Vorsitzende der Universität Bayern, Professor Walter Schweitzer, mahnte nach der Sitzung der bayerischen Uni-Chefs am Freitag in Regensburg, die Einbeziehung der Universitäten in die inhaltliche und strukturelle Gestaltung des achtjährigen Gymnasiums an, das nicht zuletzt aus einer Forderung der Universitäten entstanden sei. "Kultusministerium und Universitäten müssen an einen Tisch die im Kabinettsbeschluss vom Mai 2006 angelegten Schieflagen bei den Naturwissenschaften wieder ins Lot zu bringen," so Schweitzer.

 

11.Mai 2006
"Verstand kann nicht alles sein"
Heiner Geissler forderte bei Vortrag an der FH Landshut eine Renaissance der Ethik

Landshut. Wenn ein Politiker will, dass ihm die Menschen zuhören, wird er am besten Bestsellerautor. Dann darf er auch Vorträge halten, bei denen man ihm anderthalb Stunden aufmerksam lauscht. Vielleicht würde das auch nicht bei jedem funktionieren, aber bei Heiner Geissler, dem ehemaligen CDU-Generalsekretär verhält es sich so: Der 76-Jährige zog bei seinem Vortrag im Rahmen der Wissens-Werk-Reihe an der Fachhochschule ein Publikum in den Bann, das über den vollbesetzten Hörsaal hinausreichte.

Die von der Fachhochschule, der Hochschulgemeinde und der BMW Group veranstaltete Vortragsreihe legt die Frage nach dem Wissen über das Wissen zugrunde. Heiner Geissler befasste sich am Montagabend mit dem Themenkomplex Politik, Wissenschaft und Ethik. "Der Markt ist kein Naturgesetz", sagte der Autor von Bestsellern wie "Was würde Jesus heute sagen?" an der FH. Die Wissenschaften, vor allem die Wirtschaftswissenschaften, könnten Politik nicht ersetzen, müssten jedoch die Politik begleiten und helfen, Zukunftskonzepte zu entwickeln, sagte der frühere Sozialpolitiker. Er warnte vor einer alleinigen Wertschätzung kognitiver Erkenntnis: "Der Verstand kann nicht alles sein." Vielmehr sei eine Renaissance der Ethik in der Politik gefordert, die Berücksichtigung moralischer Werte anstelle kapitalistischer Machtspiele.

Schuld an einer weltweit immer mehr auseinander klaffenden sozialen Schere ist laut Geissler der" ökonomisch falsche Kapitalismus", der ethische Werte ausklammere. Als Beispiel sozialer Fehlentwicklung nannte er die USA. Sie seien ein Vorbild einer Gesellschaft, die von einem radikalen Prozess der Entsolidarisierung geprägt sei. So hätten 50 Millionen Amerikaner keine Krankenversicherung.

Heiner Geissler versteht es, große Politik auch auf der Ebene des kleinen Mannes zu erklären. So hält er nichts von den verschleierten Verordnungen einer Agenda 2010 mit sozialen Härten wie dem Wegfall des Kündigungsschutzes: "Wenn es Aufträge gibt, werden Leute eingestellt, auch wenn es einen Kündigungsschutz gibt."

Eine vermögende Elite allein sei unfähig, den Prozess der Globalisierung human zu gestalten. Inzwischen sei der Shareholder-Value jedoch an die Stelle der sozialen Marktwirtschaft getreten. So werde die zunehmende Arbeitslosigkeit in Deutschland von internationalen Konzernen verursacht, die prosperierende Firmen aufkauften und "Marktbereinigungsgründen" zumachten. "Heute befinden wir uns im Übergang von der Nationalökonomie zur Globalwirtschaft. Nicht mehr das Gespenst des Kommunismus gehe um, sondern die Angst in der ganzen Welt" sagte Geissler.

Der rapide - "transrapide" - Fortschritt, wie Geissler sagte, verlange auch in der Welt von Morgen lebenslanges Lernen und Mobilität. "Aber was soll das für eine Welt sein?", fragte der promovierte Philosoph und Rechtswissenschaftler. "Eine, die ein menschliches Gesicht hat, oder eine, die über Leichen geht?" Auch in der globalen Welt habe die Nächstenliebe eine übergeordnete Bedeutung, mahnte Geissler an.

In Deutschland werde der Versuch unternommen, die Frauen an den Pranger zu stellen, wenn es um den Nachwuchsmangel gehe. Die Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung werde eine Aufgabe der Zukunft in der Politik sein. "Ob die Leute Kinder wollen, geht den Staat zunächst nichts an", sagte Geissler. Schließlich bringe niemand Kinder zur Welt, damit Deutschland eine Zukunft habe.

Auf den Vortrag folgte eine Fragerunde, zu der auch jene Besucher zugeschaltet wurden, die im Hörsaal keinen Platz mehr gefunden hatten. Das Publikum machte von der Möglichkeit, sich mit Fragen an den Politiker zu wenden, regen Gebrauch. Und Geissler beantwortete sie in derselben Art, in der er seinen Vortrag gehalten hatte: Mit zum Teil humorvollen Ausführungen über den Tellerrand eindimensionaler Betrachtung hinaus. -rm-

 

Forschung: Medizinische Hochschule Hannover gefördert
Zwei Exzellenzcluster in engerer Auswahl
VDI nachrichten, Hannover, 12. 5. 06, ber -

Beim Bundeswettbewerb um die Förderung der Spitzenforschung haben mehrere Projekte der Medizinischen Hochschule Hannover die erste Auswahlrunde bestanden. Neben der Graduiertenschule "Hannover Biomedical Research School' sind zwei Exzellenzcluster in die engere Wahl gekommen.

Seit etwa fünf Jahren ist an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) der Forschungsschwerpunkt "Regenerative Therapien" etabliert. Hier werden Grundlagen aus der Stammzellenforschung im klinischen Bereich angewendet. Vor allem will man zerstörte oder geschädigte Organe mit Methoden der Stammzellentransplantation und des Tissue Engineering regenerieren.

"Oft ist eine Zelltransplantation sinnvoll. Wenn sich aber sehr viel Narbengewebe gebildet hat, ist Tissue Engineering besser" erklärt Prof. Ulrich Martin, Forschungsleiter des gentherapeutischen Exzellenzclusters.

Sowohl Stammzelltherapie als auch Tissue Engineering, also das Züchten künstlichen Gewebes auf Basis kultivierter Zellen auf verschiedenen Gerüstmaterialien, werden in diesem Forscherverbund für die Organbereiche Leber, Herzgefäße und Blut bildendes System erforscht.

Neu ist die Arbeit an embryonalen Stammzellen von Primaten. "Sie sind denen des Menschen sehr ähnlich, weiß Martin. Derzeit will man dort mit Methoden des Tissue Engineering einen künstlichen Herzmuskel entwickeln. Martin hält seine Arbeit für zukunftsträchtig: "Wir versuchen an embryonalen Stammzellen Mechanismen zu entwickeln, die auf adulte Stammzellen anwendbar sind", sagt er. Ein anderes Exzellenzcluster widmet sich der Infektionsforschung. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt der MHH und der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig. Im Max-Planck-Institut für experimentelle Endokrinologie wollen beide Institutionen das Infektionsforschungszentrum etablieren. Ziel ist der Brückenschlag von der Grundlagenforschung an Infektionserregern zur klinischen Anwendung.

Dort will man neue Anti-Infektiva entwickeln und am Menschen testen. Zudem soll die Empfindlichkeit von Individuen auf Erreger besser beschrieben werden. "Wir wollen verstehen, wie manche Mikroorganismen sich im Menschen kolonialisieren, und dann Methoden entwickeln, um dies längerfristig zu verhindern, erläutert Prof. Thomas Schulz, Koordinator des Exzellenzclusters Infektionsforschung. Infektionserreger, die Tumoren auslösen, haben die Forscher ebenfalls im Fokus. "Wir kennen acht Mikroorganismen, die beim Menschen maligne Erkrankungen erzeugen können" sagt Schulz. Ein besonderes Interesse haben die Forscher an Infektionskrankheiten, die bei immungeschwächten Patienten auftreten. Weshalb das Projekt fürderungswürdig erscheint, liegt für Schulz auf der Hand."Noch heute gehören Infektionskrankheiten zu den häufigsten Todesursachen weltweit", sagt er. Nicht nur HIV, Malaria oder Hepatitis C gehen auf Viren zurück, sondern auch einige Tumorerkrankungen. "Könnte man zwei bis drei der wichtigsten Infektionskrankheiten beherrschbar machen, würde dies einen wichtigen Fortschritt bedeuten, sagt der Koordinator des Exzellenzclusters Infektionsforschung. ANETTE WEINGÄRTNER/ber

Förderinitiative

Mit dem Ziel, den Wissenschaftsstandort Deutschland nachhaltig zu stärken, haben Bund und Länder die Exzellenzinitiative beschlossen. Bis 2011 werden zusätzlich 1,9 Mrd. E bereitgestellt. Die Exzellenzcluster erhalten durchschnittlich 6,5 Mio. E pro Jahr. Das restliche Geld fließt in die Förderung von Graduiertenschulen und in Zukunftskonzepte zum Ausbau der universitären Spitzenforschung. Endgültig entschieden wird im Oktober. wei

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