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EU einigt sich auf gemeinsame Verfassung

Kleinere EU-Staaten können ihren Einfluss absichern - Entscheidung über Nachfolge von Kommissionspräsident Prodi vertagt - Verhofstadt steht nicht mehr zur Verfügung

Brüssel. (AP/dpa) Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich am Freitag in Brüssel auf eine Verfassung für das geeinte Europa geeinigt. Dies bestätigte der deutsche Regierungssprecher Bela Anda am späten Freitagabend. Die Verhandlungsführer legten sich erst nach langen Diskussionen auf den Text fest. Er soll bis 2007 in Kraft treten, doch muss er zuvor von den Parlamenten in den 25 Mitgliedstaaten und zum Teil durch Volksabstimmungen gebilligt werden. Die Entscheidung, wer neuer EU-Kommissionspräsident werden soll, wurde derweil vertagt.

Um einen Kompromiss zu finden, nahmen die Regierungen zahlreiche Änderungen an dem vor einem Jahr vorgelegten Entwurf des Verfassungskonvents vor. Ehrgeizige Vorschläge zur Stärkung der Rolle der EU wurden dabei teilweise deutlich abgeschwächt.

So wurden die Möglichkeiten, Mehrheitsentscheidungen durch eine kleine Zahl von Mitgliedstaaten zu blockieren, weitgehend abgesichert. In zentralen Gebieten wie der Steuerpolitik oder der Außen- und Sicherheitspolitik bleibt Einstimmigkeit vorgeschrieben. Mehrere kleinere EU-Staaten hatten darauf gedrängt, die Schwelle für Mehrheiten anzuheben, um ihren Einfluss zu sichern. Am Streit über die Mehrheiten war der Verfassungsgipfel im Dezember gescheitert. Damals hatten Polen und Spanien eine Entscheidung blockiert.

Auf der anderen Seite erhält die bislang unverbindliche Charta der Grundrechte künftig Gesetzesrang. Mit der Verfassung wird zudem die Möglichkeit europaweiter Volksbegehren eingeführt.

Bis zuletzt strittig war die Frage nach dem Gottesbezug in der Verfassung. Diesen wird es nach dem Vorschlag der EU-Präsidentschaft nicht geben. Im Text wird lediglich auf das kulturelle, religiöse und humanistische Erbe Europas verwiesen.

Bundeskanzler Gerhard Schröder würdigte die Einigung als "unglaublich wichtige Zäsur". Europa sei damit "einiger und politisch führbarer geworden", betonte Schröder. Die EU könne nun ihre gewachsene politische und wirtschaftliche Rolle in der Welt wahrnehmen.

Als besonderen Erfolg nannte Schröder die künftig bei EU-Entscheidungen geltende doppelte Mehrheit nach der Zahl der Länder und der Bevölkerungsstärke. Zur Regelung des Defizitverfahrens bei Verletzung des Stabilitätspakts habe es einen "fairen Kompromiss" gegeben. Hier hat die Bundesregierung stärkere Eingriffsmöglichkeiten für die EU-Kommision verhindert.

Der belgische Ministerpräsident Guy Verhofstadt will indes nicht mehr Präsident der EU-Kommission werden. "Ich habe dem Vorsitzenden mitgeteilt, dass ich nicht länger zur Verfügung stehe", sagte Verhofstadt nach dem EU-Gipfeltreffen.

Der aus dem liberalen Lager stammende Regierungschef war Wunschkandidat der Bundesregierung und der französischen Regierung für das Amt an der Spitze der EU-Kommission. Vor allem ein Teil der Europäischen Volkspartei, darunter auch die CDU, hatte sich jedoch gegen ihn ausgesprochen. Der Favorit der Konservativen, EU-Außenkommissar Chris Patten, steht ebenfalls nicht mehr zur Verfügung. Auf einen anderen Kandidaten konnten sich die Staats- und Regierungschefs bei dem Gipfeltreffen nicht einigen. Sie verschoben ihre Entscheidung.

Beschlossen wurde auf dem EUGipfel auch, mit Kroatien 2005 Beitrittsverhandlungen aufzunehmen.