Mittelbayerische Zeitung, 29.4.- 1.5.2006
Finanz-Chaos in Furth: Prüfer sind entsetzt
"Bodenlose" Finanzpolitik und "schwarzer Etat
VON WOLFGANG BAUMGARTNER, MZ

FURTH IM WALD. Rund zehn Millionen Euro mehr Schulden als im Haushaltsplan 2005 ausgewiesen und eine "bodenlose" Finanzpolitik mit einem "schwarzen Haushalt": Zu dieser Erkenntnis kamen die Mitarbeiter des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes bei der Vorstellung des Prüfungsberichts der Haushaltsjahre 1999 bis 2004 der Stadt Furth im Wald. in einer öffentlichen Stadtratssitzung erläuterten die Finanzexperten den rund 80 Seiten umfassenden Bericht und präsentierten ein niederschmetterndes Ergebnis. "Ich bin schon viel gewohnt, aber das, was hier in Furth geschehen ist, ist bodenlos", brachte es Prüfer Johann Rohrmüller auf den Punkt. Rund 300 Bürger waren zu der Sitzung gekommen, die deshalb ins Further Tagungszentrum verlegt werden musste.

Dort erfuhren die Further unter anderem, dass die Stadt "um ein Vielfaches überschuldet" ist und seit Jahren die Zins- und Tilgungsleistungen aus den Einnahmen nicht mehr aufbringen könne. Immer wieder ging ein Raunen durch das Tagungszentrum, fassungslos erfuhren die Bürger, dass ihr geliebter Drachenstich, das älteste deutsche Volksschauspiel, 700 000 Euro Defizit verursacht hat. Die jährlichen Verluste seien von einem städtischen Girokonto abgebucht worden.

Der Stadtrat habe dieser Defizits-Übernahme im Jahr 2000 zum letzten Mal zugestimmt.

Rechtswidrig, so der Kommunale Prüfungsverband, wurde auch ein Erweiterungsbau des städtischen Krankenhauses vorgenommen: Ohne Ausschreibung beauftragte die Stadt einen Investor für ein Altenpflegeheim und Betreutes Wohnen im Bereich des Krankenhauses mit dem Bau. Der Stadtrat stimmte einem Kostenumfang von 3,5 Millionen Mark zu; tatsächlich wurden 4,8 Millionen Euro an den Bauträger Überwiesen. "Es ist einfach nicht nachvollziehbar, dass eine bayerische Kommune 4,8 Millionen Euro ohne Rechtsgrundlage ausgibt", betonte der Prüfer.

Ein Bericht der örtlichen Prüfungskommission, bestehend aus sechs Stadträten, aus dem Jahr 2003 sei nicht unterschrieben in den städtischen Unterlagen aufgetaucht. In dem Dossier seien zwar finanzielle Fehlentwicklungen aufgedeckt worden, aber weder im Stadtrat noch in einem Ausschuss sei das Papier jemals beraten worden. "Wir stehen teilweise ratlos vor vielen Fragen", räumte Volker Heiduk, der von allen Stadtratsfraktionen als Sprecher beauftragt worden war, ein. Eine Arbeitsgruppe aus Stadträten, Bürgermeister Müller und Verwaltungs-Vertretern, soll nun ein Konzept zur Sanierung der städtischen Finanzen erstellen.

Rätseln um Millionen

Mühe, "den Zustand in Worte zu fassen", hatten die Experten des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes, als sie nach mehreren Monaten Akteneinsicht den vorläufigen Abschlussbericht bei einer öffentlichen Stadtratssitzung präsentierten. Demnach beläuft sich der Schuldenstand..der Grenzstadt auf mehr als 25,5 Millionen Euro. Im Haushaltsplan 2005 ist nur ein Defizit von 14,35 Millionen Euro ausgewiesen. Obwohl die Stadt bei den Gewerbesteuereinnahmen sogar über dem Durchschnitt in Bayern liegt, ist sie de facto pleite. Am Stadtrat vorbei seien Bauaufträge vergeben und Fehlbeträge von 1998 bis 2004 in Höhe von 3,5 Millionen Euro nicht berücksichtigt worden, stellten die Prüfer fest. wb

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