Straubinger, 21.Jan 2005

Union hat im Visa-Skandal Fischer im Visier

Untersuchungsausschuss nimmt Arbeit auf – SPD spricht von "schwerem Dilettantismus"

Berlin. (AP/dpa) Mit gegenseitigen Vorwürfen der Unaufrichtigkeit zwischen Rot-Grün und Union hat am Donnerstag in Berlin die Untersuchung der umstrittenen Visa-Erteilungspraxis in Osteuropa begonnen. Die Union will nach eigenen Angaben mit dem Untersuchungsausschuss des Bundestages in erster Linie Außenminister Joschka Fischer treffen, weil der für "massenhafte Einschleusung" von Kriminellen, Prostituierten und Terroristen durch falsche Visa-Erteilung durch deutsche Botschaften verantwortlich sei. Auf der ersten Sitzung hinter verschlossenen Türen konnte die Union nicht ihren Antrag durchsetzen, zunächst einen Ankläger und einen Richter aus einem Kölner Schleuserprozess als Zeugen anzuhören. Diese hatten in einem Urteil gegen einen Ukrainer der Bundesregierung vorgehalten, ihre Visa-Politik habe es Kriminellen leicht gemacht.

Die Obleute von Rot-Grün, Olaf Scholz und Jerzy Montag, warfen der Union "schweren Dilettantismus" vor. Ihre Anträge zeugten von wenig Überblick, eher von Aktionismus. Die Folge wären nicht zu bewältigende Aktenmassen. "Dies ist nicht die Schülerunion," erklärte Scholz.

Nach den von der Union vorgelegten 48 Beweisanträgen müssten allein aus dem Auswärtigen Amt 3 000 Akten mit 1,7 Millionen Blatt sowie weitere 1,2 Millionen Visa-Anträge beigezogen werden. Aus dem Bundesinneministerium kämen weitere 3000 Ordner und vom Bundesgrenzschutz zusätzlich mindestens 30 000 Ordner mit 180 000 Einzelvorgängen hinzu.

Vor Beginn der Sitzung hatte der Obmann der Union, Jürgen Gehb erklärt, wenn durch die Untersuchungen Fischers Ruf als Verantwortlicher für die Botschaften beschädigt werde, werde das von seine Seite "nicht mit Trauer" aufgenommen. Schölz sagte hingegen, der Union werde es nicht gelingen, den "zu Recht bestehenden guten Ruf des Außenministers" zu beschädigen. Er räumte ein, dass die deutschen Regelungen für die Visa-Erteilung von Kriminellen missbraucht worden seien und auch weiterhin würden.

SPD-Politiker Montag sagte, der Missbrauch von Reise-Erleichterungen, die vom früheren Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) 1995 eingeführt worden seien, hätte mit dem von der Union stets hervorgehobenen Erlass des ehemaligen Staatsministers im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, von März 2000 nichts zu tun. Wegen des Volmer-Erlasses müsse der Minister vor dem Ausschuss erscheinen, erklärte der Ausschussvorsitzende, Hans-Peter Uhl (CSU).

Vorwürfe der Union gegen Volmer, er habe sein Abgeordnetenmandat mit seiner Nebentätigkeit verknüpft, wiesen die Grünen zurück. Uhl hatte im NDR erklärt, die wirtschaftlichen Kontakte Volmers zur Bundesdruckerei, die die Visa-Formulare herstellt, könnten sich als abenteuerlicher Sachverhalt erweisen. Volmer hat nach eigener Darstellung vor einem Jahr eine Cosultingfirma mitbegründet, deren Kunde die Bundesdruckerei sei. Mit der Bundesdruckerei sei er aber erst ein Jahr nach seinem Ausscheiden aus dem Amt in Kontakt gekommen.

zurück