Straubinger, 22.Jan2005

"Das hätte verheerende Konsequenzen"

Warum Bundestagsabgeordneter Klaus Hofbauer (Cham) für den Erhalt der
Regionalförderung kämpft

Von Gerhard Wolf, Redaktion Cham

Die europäische Regionalförderung ist die eine Regelung, die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GA) die andere. Von beiden Förderprogrammen hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten Ostbayern recht gut profitiert. Beide sind nach übereinstimmender Auffassung ostbayerischer Politiker und Wirtschaftsvertreter bewährte Programme, auf die man nicht verzichten sollte, zumal sie die gleiche Zielsetzung haben: den Ausbau der Infrastruktur sowie die Förderung von Industrie und Gewerbe. Regionalförderung und GA dienen ja auch dem wichtigen Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen bzw. zu erhalten.

Nun könnte man meinen, dass man sich nicht nur in Ostbayern dafür einsetzt, beide Programme zu erhalten, sondern auch auf Landes- und Bundesebene am gleichen Strang zieht. Etwas anders denkt man indes bei der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel. Mit der EU-Osterweiterung im Mai 2004 ist natürlich bei der EU das Geld, das für die Förderung strukturschwacher Gebiete zur Verfügung steht, knapper geworden, weshalb ab dem Jahr 2006 die Förderpräferenzen neu abgestimmt werden sollen. Immerhin ist man sich in der EU-Kommission darüber im Klaren, dass die Regionen in den "alten" Mitgliedsstaaten, die an die Beitrittsländer grenzen, zumindest für eine gewisse Übergangszeit noch unterstützt werden sollen. Für diese Auffassung sprechen auch mögliche Nachteile gegenüber den neuen Mitgliedsländern, die mit niedrigeren Lohnkosten locken können, zugleich aber von Brüssel eine ungleich höhere Förderung als die "alten Staaten" erhalten sollen und diesen so einen "knallharten Wettbewerb" aufzwingen könnten. Eine dieser Regionen, die solche Nachteile erleiden könnte, ist das ostbayerische Grenzland.

Neue Berechnungsgrundlage

Warum ist dieses Thema so aktuell, dass sich der Chamer Bundestagsabgeordnete Klaus Hofbauer (CSU) so intensiv dafür interessiert? Der im Frühjahr 2004 vorgelegte Bericht der Europäischen Kommission geht von einer Begrenzung der EU-Zahlungsermächtigungen auf 1,24 Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU aus. Auf dieser Basis wurden die Beträge für die Strukturförderung in den Jahren 2007 bis 2013 wie folgt berechnet: Von insgesamt 373,3 Milliarden Euro sollen die Zielgebiete 1 wozu die neuen deutschen Bundesländer gehören - 250 Milliarden Euro erhalten, die Zielgebiete 2 und 3, wozu Ostbayern zählt, 60 bzw. 13 Milliarden Euro. Aus diesen beiden Töpfen können dann grenzüberschreitende Projekte im EU-Raum als eine Weiterführung der bisherigen Interreg-Förderung bezuschusst werden.

Der Finanzplanungszeitraum der EU läuft 2006 aus und gemeinsam mit den anderen großen Betragszahlern vertritt die Bundesregierung das Ziel, die Ausgaben der EU in den folgenden sieben Jahren von bisher 1,24 auf dann 1,0 Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU zu begrenzen. Ein wesentlicher Grund hierfür ist der Stabilitäts- und Wachstumspakt, der mittelfristig einen ausgeglichenen Haushalt vorschreibt. Deshalb spricht sich die Bundesregierung für eine deutliche Reduzierung des von der Kommission vorgeschlagenen Mittelvolumens aus.

Aus Sicht von MdB Klaus Hofbauer bedeutet diese Absicht jedoch, dass bei einer Begrenzung der Ausgaben die Ziel-2- und Ziel-3-Gebiete keinerlei Förderung mehr erhalten würden. Eine solche ersatzlose Streichung der europäischen Regionalförderung hätte jedoch, befürchtet Hofbauer, "für Ostbayern verheerende Konsequenzen". Denn: "Nirgendwo ist seit der EU-Erweiterung das Lohn-, Förder- und Steuergefälle so hoch wie entlang der bayerisch-tschechischen Grenze", warnt der Chamer Abgeordnete.

Unzureichende Anstrengungen

Was für Hofbauer - quasi erschwerend - hinzu kommt, sind die in seinen Augen unzureichende Anstrengungen der Bundesregierung, um die nationalen Spielräume in der Regionalpolitik zu erweitern oder wenigstens zu erhalten. Und er verweist auf das nationale Strukturförderinstrument, die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GA), die in der Vergangenheit schon wiederholt zurückgefahren worden ist. Erinnert sei nur an die Auseinandersetzungen im vergangenen Jahr, als Berlin ankündigte, die Gemeinschaftsaufgabe nicht mehr unterstützen zu wollen. Nur dem gemeinsamen Protest der ostbayerischen Abgeordneten, auch der SPD, und der bayerischen Staatsregierung war es zu verdanken, dass zumindest der jetzige Status erhalten blieb. Doch was dann, so Hofbauer, wenn die Gemeinschaftsaufgabe von der Bundesregierung doch noch komplett "ad acta" gelegt wird?

Für ihn sind schon allein die Vorzeichen für die Region Ostbayern "erschreckend": Auf Dauer würde es keine nationalen Gelder aus Berlin mehr geben und auch die europäische Förderung würde komplett wegfallen, wenn nur noch die Ziel-l-Gebiete eine Strukturförderung von Brüssel bekommen. "Die Folge ist, dass Bayern sowohl national als auch europäisch leer ausgeht und das Fördergefälle zum Nachbarland Tschechien, ein Höchstförderland, noch höher wird. Das gefährdet nicht nur die strukturpolitischen Erfolge der vergangenen Jahrzehnte, sondern auch die zukünftige Entwicklung der gesamten europäischen Grenzregion", kritisiert Hofbauer, ohne dabei die Notwendigkeit zu bestreiten, dass die neuen Bundesländer weiterhin voll gefördert werden.

Dass der Abgeordnete mit seinen Befürchtungen zumindest teilweise Recht hat, lässt sich aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums erkennen. Auf eine Anfrage Hofbauers teilte Staatssekretär Karl Diller mit, dass die Bundesregierung nur noch Maßnahmen gefördert wissen wolle, die einen "besonderen Mehrwert" aufweisen. Damit werde zwar keine vollständige Streichung der vorgeschlagenen Förderinhalte für die Ziel-2- und Ziel-3-Gebiete angestrebt, wohl aber eine deutliche finanzielle, inhaltliche und teilweise auch räumliche Konzentration gegenüber den Vorschlägen aus Brüssel. Zudem verweist Diller noch auf die kritische Haltung des Bundes zur Absicht der Kommission, künftig auch ausgesprochen strukturstarke Gebiete aus dem europäischen Regionalfonds flächendeckend zu unterstützen, wenn es sich dabei um wachstumsorientierte Maßnahmen handelt.

Die Alarmglocken schrillen

Auch wenn der Finanzstaatssekretär eine ausdrückliche Unterstützung der Regionen an der deutsch-tschechischen Binnengrenze nicht ausschließt, bei Hofbauer "schrillen die Alarmglocken." Mit seinen Befürchtungen steht er indes nicht allein.

Der Landkreis Cham hat beispielsweise die Angebote von Gemeinschaftsaufgabe und EU-Regionalförderung in den vergangenen zehn Jahren "intensivst genutzt", wie Klaus Schedlbauer, Wirtschaftsreferent beim Landratsamt Cham, berichtet. So bekamen investitionswillige Betriebe, die die Voraussetzungen für die Förderung erfüllten, bis zu 25 Prozent Zuschüsse. Allein von 1999 bis 2001 konnten im Landkreis Cham zehn Vorhaben gefördert werden, mit denen 450 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden konnten.

"Sollte der Bund aus der Gemeinschaftsaufgabe aussteigen, müsste zumindest die Regionalförderung nach den bisherigen Kriterien weiterlaufen", wünscht sich deshalb Schedlbauer für die Betriebe im Landkreis Cham. "Es geht um eine symbolische Wirkung mit Blick auf Brüssel", so der Wirtschaftsreferent, der ohne die Fortführung der Regionalförderung um das weitere wirtschaftliche Wachstum fürchtet. Denn ohne den Bund und die EU hätte es der Freistaat enorm schwer für die Grenzregionen zu sorgen; vorausgesetzt er darf es dann überhaupt noch.

"Besser da als Ostbayern"

Während Schedlbauer mit Blick auf Tschechiens eher noch schwach ausgebildetes Handwerk momentan keine so großen Probleme für die ostbayerischen Betriebe sieht, warnt Richard Brunner, der für die IHK Regensburg der Mann vor Ort ist, umso deutlicher. "Wenn die Beiträge der EU-Länder für die Förderung auf ein Prozent des Bruttosozialprodukts gedeckelt werden, bedeutet das für Ostbayern, dass nicht mehr genügend Geld aus Brüssel kommt. Dabei hätte es diese Region durchaus noch nötig, um sich wegen des deutlichen Fördergefälles zu Tschechien behaupten zu können." Brunner bezweifelt zudem die Notwendigkeit einer flächendeckenden Ziel-I-Förderung für die neuen Bundesländer. Dort gebe es inzwischen schon manche Regionen, die eine solche Unterstützung nicht mehr nötig hätten, meint er mit Blick etwa auf den Raum Leipzig. "Der steht besser da als Ostbayern.""Für uns ist es wichtig, in der jetzigen Phase am Ball zu bleiben", so der Leiter der Chamer IHK-Außenstelle, der wie Hofbauer das Gefühl hat, dass die Bundesregierung sich für die alten Länder alles andere als einsetzt. Auch für Brunner ist der ganze Aufschwung, den der Landkreis Cham in den vergangenen zehn bis 15 Jahren erfahren hat, auf die Wirkung der Gemeinschaftsaufgabe und der europäischen Strukturförderung zurückzuführen. Brunner weiter: "Es wäre fahrlässig die Frage zu stellen, ob Ostbayern in sechs Jahren überhaupt noch eine Förderung braucht." Zudem steht der IHK-Mann auf dem Standpunkt: Wenn eines Tages die EU schon keine Regionalförderung mehr gewährt, dann sollte wenigstens die rechtliche Möglichkeit gegeben sein, dass Bund und Land zumindest noch eine nationale Förderung geben können. Es wäre deshalb, so Brunner, das falsche Signal gegenüber Brüssel, wenn Berlin jetzt die Gemeinschaftsaufgabe gar vollends kappen würde.

 

Förderung nur bis 2004 gesichert

Ostbayerns Betriebe profitierten von der Gemeinschaftsaufgabe

Ostbayern erhält weiterhin GA-Fördermittel vom Bund. Allerdings kürzte Berlin im vergangenen Jahr den für Bayern vorgesehenen Betrag an der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GA) von zehn auf 7,7 Millionen Euro. Schon 2003 wollte die Bundesregierung komplett aus der Regionalförderung aussteigen. Durch die Initiative Bayerns und das Entgegenkommen der Ost-Länder wurde aber eine Korrektur durch die Umschichtung von Fördermitteln von Ost nach West möglich.

Gesichert waren damit die Bundes-Gelder jedoch nur für das Jahr 2004, weshalb dieses Thema auch heuer wieder aktuell bleibt. Dabei vertreten die Kritiker an den Plänen des Bundes die Auffassung, dass eine Kürzung der Gemeinschaftsaufgabe vor allem ein fatales Signal gegenüber Brüssel wäre, wenn es um den Zuschnitt der neuen Fördergebiete ab 2007 geht. Und außerdem ist Bundeskanzler Schröder immer noch die Einlösung seines Versprechens nach Extra-Mitteln für das Grenzland schuldig, macht etwa Bayerns Wirtschaftsminister Otto Wiesheu deutlich. Im vergangenen Juli hatte das Bundeskabinett den finanziellen Rückzug des Bundes aus der GA-West ab dem Jahr 2004 beschlossen. Nach massiven Protesten aus vielen Ländern und Regionen hatte der Bundestag diese Entscheidung modifiziert und eine Option für eine mögliche Mittelumschichtung von 100 Millionen Euro Ost-Fördergelder für den Einsatz in Westdeutschland geschaffen. Bayern und Hessen hatten daraufhin im GA-Planungsausschuss einen Antrag zur Mittelumschichtung eingebracht, der von allen Ländern und vom Bund dann einstimmig angenommen worden ist.

Dabei war vor allem bei den ostdeutschen Ländern Überzeugungsarbeit nötig gewesen, um dieses Ergebnis zu erreichen. 2004 erhielt damit Ostdeutschland GA-Mittel des Bundes in Höhe von 600 Millionen Euro (2003: 800 Millionen Euro) und Westdeutschland insgesamt 100 Millionen Euro (2003: 135 Millionen Euro). Die Mittel werden dann von den jeweiligen Bundesländern immer noch um dieselbe Anteilssumme aufgestockt. Bayern hat an der GA-West einen Anteil von 7,7 Prozent.

Die GA regelt, welche Unternehmen bei ihren Investitionen mit welchen Fördersätzen maximal gefördert werden können. In Westdeutschland können nur in den Fördergebieten der GA-West große Unternehmen ab 250 Beschäftigte bei Investitionen mit bis zu 18 Prozent unterstützt werden. Bei Unternehmen mit geringerer Mitarbeiterzahl können bis zu 28 Prozent gewährt werden. In den anderen Regionalfördergebieten im Westen Deutschlands können keine großen Unternehmen über 250 Beschäftigte gefördert werden. Außerdem sind dort die Förderhöchstsätze weitaus geringer.

In Bayern befinden sich GA-Fördergebiete ausschließlich entlang der bayerisch-tschechischen Grenze. Es sind dies die Stadt und der Landkreis Hof, weiter die Landkreise Wunsiedel, Tirschenreuth, Cham, Regen, Freyung-Grafenau und Passau sowie die Stadt Passau.

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