Straubinger, Landshuter, 4.Dezember 2004: Leserbrief

Woher kommt das Geld f'ür die Schulden

Was da seit Jahrzehnten bei der Etatdebatte um den jährlichen Bundeshaushalt abgeliefert wird, gleicht nach meinem Dafürhalten eher einem spiritistischen, geisterhaften Ritual als einer sachkundigen, kompetenten und ernsthaften Auseinandersetzung. Im hohen Haus, dem Deutschen Bundestag, begegnet man stets einer gelangweilten Regierungsmannschaft, die schon vor jeder Aussprache das Gesetz mit ihrer Mehrheit als beschlossen ansieht. Und immer versucht jedwede Opposition wortstark alles besser machen zu wollen. Seit Jahrzehnten geht es um die steigenden Schulden, um die zulässige Nettoneuverschuldung, um den Berg von Zinsen, der aus den Steuermitteln zu zahlen ist. Altschuldenmacher werfen den Neuschuldenmachern haushalts- und finanzpolitisches Versagen vor, wollen eventuell vor das Bundesverfassungs gericht ziehen.

Die Regierung kontert. Die Kohl-Regierung habe 1998 einen riesigen Schuldenberg von 1,28 Billionen Euro für alle öffentlichen Haushalte hinterlassen - eine schwere "Erbschaft". Und die Mastricht-Kriterien habe die frühere Regierung vor 1998 mehrmals verletzt. Das stimmt offensichtlich. Die Opposition versucht das mit den Kosten der Wiedereinheit zu begründen. Indessen: Auch nach 1998 kostet die Einheit alljährlich etwa vier Prozent des westdeutschen Bruttoinlandsprodukts!

Das Schuldenkarussell dreht sich derweil spiralenförmig weiter. Die Schuldenfalle hat die rot-grüne Regierung fortgesetzt, auch wenn es ihr zugegebenermaßen gelang, in den Jahren 1999 bis 2001 unter dem Drei-Prozent-Kriterium der Nettoneuverschuldung zu bleiben. Mit der Wachstumskrise, der gigantischen Beschäftigungslücke, den überbordenden Sozialbudgets, dem unbewältigten Reformstau musste zwangsläufig eine Steuer-, Haushalts- und Finanzkrise eintreten.

Nun landet das Land im Jahr 2005 bei wahrscheinlich 1,45 Billionen Euro Gesamtschulden, einem Anteil am BIP von 66 Prozent. Das wäre in der Tat ein historischer Rekord!

Herr Eichel versucht das mit dem gestörten volkswirtschaftlichen Gleichgewicht" zu begründen (dem bekannten Magischen Viereck; angemessenes und stetiges Wachstum, hoher Beschäftigungsgrad, Stabilität des Preisniveaus, außenwirtschaftliches Gleichgewicht). Die Säulen der .Stabilität wackeln in der Tat. Doch: ist das nicht schon seit Jahren so?

Ehrlicherweise muss man aber endlich auch einmal fragen, wo kommt das viele Geld für die öffentlichen Schulden von Bund, Ländern und Kommunen her? Wer finanziert die "Verbindlichkeiten" (so z.B. 3,1 Billionen Rentenwerte, 3,9 Billionen Kredite, 1,0 Billionen Euro Ansprüche gegenüber Versicherungen)? Wer finanziert die privaten Schulden (über Konsumenten- und Wohnungsbaukredite, die nach einer Studie im Jahr 2002 bei 24395 Euro je Privathaushalt lagen)?

Die Antwort ist eigentlich ganz einfach. Auf jeden "Schuldner", jeden "Kreditnehmer" im weitesten Sinne kommt im Kreislauf des Kapitalmarktes (bei Aktiva und Passiva, die sich ausgleichen) ein Gläubiger. Und das waren laut einer Studie der Deutschen Bundesbank 2003 sage und schreibe etwa 16,3 Billionen Euro (!). Der Kapitalmarkt boomt, viel rascher als das Realprodukt.

Und das ist die Quelle für alle Kredite, Schulden usw. Das wachsende Geldvermögen erlaubt nahezu allen Schuldnern Schulden mit Zinsen zu machen. Ohne Angebote der mächtigen "Geldsammelstellen" von denen es einige tausend gibt, wäre kein Finanzminister, kein Privathaushalt, kein Unternehmer in der Lage, "Schulden" zu machen. Das erbringt den "Kreditinstituten" einen wachsenden Gewinn.

Hinter den Gläubiger-Institutionen, die das Geschäft mit dem Geld machen, stecken natürlich in der ersten Kette der Verteilung des Geldvermögens die Millionen Anleger von Geldvermögen. Oft im Sinne von Zinsen und Zinseszinsen. Die Banken verdienen, aber auch die Anleger. Immerhin entstanden im Jahre 2002 etwa 207 Mrd. Euro Kapitaleinkommen allein aus Geldanlagen der privaten Haushalte.

Und die stammen vorwiegend von den zehn Prozent derer, die 48 Prozent des Geldvermögens der privaten Haushalte (2003 rund vier Billionen Euro gegenüber rund 870 Mrd. Euro in Gesamtdeutschland - geschätzt im Jahre 1980) auf sich vereinen. Da muten die Zinsen von Eichel eher "gering" an, die ja die Gläubigerbanken kassieren!

Im Übrigen: Der Staat haftet für seine Staatsschulden, kein einzelner Bürger, auch kein "Baby" wie Herr Merz meinte.

Wie vollzieht sich das Anlagengeschäft? Über Sichteinlagen, Termingelder, Spareinlagen- und Briefe, Geldmarktpapiere, Rentenwerte, Finanzdevirate, Aktien, Investmentzertifikate, Kredite, Ansprüche gegenüber Versicherungen, aus Pensionsrückstellungen und anderen einfallsreichen "Finanzprodukten".

Es ist wahrlich nicht nur das Geld von nationalen und internationalen "Bank- und Kreditinstitutionen" was den Kapitalmarkt sprudeln lässt, ein hoher Anteil wird durch die Geldvermögen privater Haushalte gespeist. Und so brachten diese in den Jahren 1991 bis 2003 allein rund zwei Billionen Euro auf die "hohe Kante" (Sparquote 1991 gleich 13 Prozent, 2003 gleich 10,7 Prozent, Tendenz: aber eher steigend). Woher kommt das Geld für die Schulden?

Prof. Alfred Keck, Breslauer Str. 73, 84028 Landshut