Straubinger, 31.Jan.2006
Die CSU revidiert ihr Grundsatz-Programm
Soziale Marktwirtschaft soll angepasst werden

München. (E.B.) Der CSU-Vorstand hat gestern in München den Startschuss zur Überarbeitung des Parteiprogramms in der Fassung von 1993 gegeben. Es geht darum, die Folgen der Globalisierung auf nahezu allen Gebieten des öffentlichen und familiären Lebens in den Griff zu bekommen. Ein Kernpunkt ist, "die Soziale Marktwirtschaft als attraktives und zukunftfähiges Wirtschaftsmodell" der Entwicklung anzupassen, ohne die Grundsätze des christlichen Menschenbildes zu verlassen. Angesichts der Landtagswahl im Jahr 2008 soll die Neufassung nach gründlicher Diskussion in der Grundsatzkommission und an der Parteibasis auf dem Parteitag im Herbst 2007 verabschiedet werden.

Landtagspräsident Alois Glück, der Vorsitzende der Grundsatzkommission, sprach vom stärksten Umbruch in der Bundesrepublik seit ihrem Bestehen und der Einführung von Erhards Sozialer Marktwirtschaft. "Wir stehen am Ende der Sackgasse des bisherigen Wohlfahrtsstaates." Die Rahmenbedingungen für nahezu alle Lebensbereiche würden inzwischen global neu gesetzt. Die demografische Entwicklung bedinge neue Maßstäbe.

Glück hatte zunächst nur für eine Fortschreibung des bisherigen Programms plädiert, die CSU Spitze folgte aber jetzt der Forderung der Jungen Union (JU) nach einer grundlegenden Überarbeitung. JU-Chef Manfred Weber begrüßte die Entscheidung. "Das ist der Auftakt für eine spannende Diskussion". Für uns ist der Weg das Ziel - dass wir wieder Debatten über die politischen Inhalte führen.

Parteichef und Ministerpräsident Edmund Stoiber lud alle Mitglieder und interessierten Bürger ein, sich an der Programmdiskussion zu beteiligen, für die von der Grundsatzkommission zu allen Schwerpunktbereichen neue Formulierungen entworfen und dann an der Basis diskutiert werden sollen. "Wir müssen der Globalisierung ein menschliches Gesicht geben", umriss Stoiber die Aufgabe. Ein "ungebremster Kapitalismus" dürfe die Gesellschaft nicht untergraben. Die Soziale Marktwirtschaft brauche eine Soziale Ausprägung. Er räumte ein, dass es zu verschiedenen Punkten auch in der CSU unterschiedliche Meinungen gebe. Wichtig sei die Wiedereingliederung über 50-jähriger Arbeitnehmer in die Wirtschaft. Dies auch als Voraussetzung für eine Erhöhung des Rentenalters auf das 67. Lebensjahr.

Das erneuerte Programm soll kürzer und lesbarer als das alte sein. Die Größe der Kommission steht noch nicht fest. Stellvertreter Glücks ist laut Vorstandsbeschluss der 37-jährige Bundestagsabgeordnete Georg Fahrenschon.

 

Studie warnt vor den Folgen von Armut für Zukunft von Kindern
Grund für schlechte Bildung - Arbeiterwohlfahrt fordert mehr Betreuung

Nürnberg. (dpa) Armut ist einer Langzeitstudie des Instituts für Sozialpädagogik und Sozialarbeit (ISS) zufolge der größte Risikofaktor für die Zukunft der Kinder. 38 Prozent der Kinder in Deutschland erlebe familiäre Armut, berichtete der Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Bayern, Thomas Beyer, am Montag in Nürnberg. Dabei sei das Risiko der Betroffenen, arm zu bleiben, mehr als elf mal höher als das Risiko, überhaupt arm zu werden.

"Armut ist der ursächliche Grund für schlechte Bildung. Armut bestimmt die Schullaufbahn", betonte Beyer. So schafften von 100 Kindern, die bereits während ihrer Kindergartenzeit arm waren, gerade vier den Sprung auf ein Gymnasium. Bei nicht armen Kindern liege dieser Wert bei 30. Im Vergleich mit nicht armen Kindern seien Klassenwiederholungen häufiger, die Durchschnittsnoten am Ende der Grundschulzeit schlechter. In die Untersuchung über die Wirkung von Armut bis zum Ende der Grundschulzeit hat das ISS knapp 900 Kinder zwischen dem 6. und 10. Lebensjahr einbezogen.

Hauptrisikogruppen sind der Studie zufolge Kinder aus Familien mit Langzeit-Arbeitslosigkeit, von Zuwanderern und von Alleinerziehenden. Kinderarmut prägt laut Beyer die materielle, die gesundheitliche, die soziale und die kulturelle Lage eines Kindes. Die Chancenungleichheit nehme während der Grundschulzeit zu und verfestige sich.

Als Konsequenz fordert die Arbeiterwohlfahrt unter anderem den Ausbau beitragsfreier Kindertageseinrichtungen. Auch die Qualität der Bildungseinrichtungen müsse beginnend bei den Kinderkrippen konsequent weiterentwickelt werden. "Zur Bekämpfung der Armut müssen wir alle gesellschaftlichen Kräfte bündeln, da jeder Einzelfall ein Fall zu viel ist", sagte Beyer.

Über ihr Jugendwerk will die Arbeiterwohlfahrt die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in den Ferien und an Nachmittagen ausbauen. Prävention von Kinderarmut sei zwar sehr teuer, betonte Beyer. "Spätere Reparaturen' übersteigen diese Kosten aber um ein Vielfaches. "

 

1.Febr.2006
Koalition einigt sich auf Familienförderung
1000-Euro-Schwelle bei Absetzbarkeit fällt - Alleinverdiener-Familien besser gestellt

Berlin, (dpa/AP) Die Koalition hat sich nach dem Tauziehen über die Neugestaltung der Familienförderung geeinigt. Die Fraktionschefs von Union und SPD, Volker Kauder und Peter Struck, unterstrichen am Dienstag, von dem Kompromiss profitierten jetzt alle Familien - gleichgültig, ob beide Eltern berufstätige seien oder nur ein Elternteil. Struck sagte: "Das ist ein guter Tag für alle Familien in Deutschland". Die von der Koalition vorgesehene Höchstsumme des Programms in Höhe von 460 Millionen Euro soll nicht überschritten werden.

Nach dem Kompromiss können Familien, in denen beide Elternteile berufstätig sind, rückwirkend vom 1. Januar an die Kosten für die Betreuung ihrer Kinder bis 14 Jahre vom ersten Euro an steuerlich absetzen - aber nur zwei Drittel der aufgewendeten Beträge bis zu einer Höchstgrenze von 4000 Euro. Familien mit nur einem berufstätigen Elternteil können die Betreuungskosten für ihre drei-bis sechsjährigen Kinder nach den gleichen Kriterien steuermindernd geltend machen.

Kauder verwies darauf, dass diese Allein-Verdiener-Familien zugleich aber für Kleinkinder wie für die Älteren auch noch bis zu 2400 Euro für die Betreuung als "haushaltsnahe Dienstleistung" absetzen können. Dies ist bereits heute Bestandteil des Einkommen-Steuergesetzes (ESTG Paragraf 35a Absatz 2). Auf Wunsch der Union wurde in dem Koalitionskompromiss auch der Zusatz aufgenommen, dass auch bei dem von 2007 an zusätzlich geplanten Elterngeld "eine noch weitergehende Einbeziehung von Alleinverdiener-Familien geprüft" wird.

Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) sprach mit Blick auf den Koalitionskompromiss "von einer schweren langen Geburt". Die Ministerin: "Aber es hat sich gelohnt". Struck erklärte, auch Gering- und Alleinverdiener profitierten jetzt von der Neuregelung, weil die ursprünglich vorgesehene 1000-EuroSchwelle bei der Absetzbarkeit fortgefallen ist. Dennoch hätte sich die SPD noch mehr gewünscht. "Aber es ist ein guter Kompromiss", sagte Struck.

Auch der CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer unterstrich wie zuvor Kauder, dass die Union den Familien mit nur einem Berufstätigen gern noch mehr entgegen gekommen wäre. Ramsauer: "Aber wir können Steuerausfälle von mehr als 460 Millionen Euro nicht überschreiten."

Kauder hob hervor, dass mit der Neuregelung Arbeitsplätze im Haushalt geschaffen werden können - so wie dies die Koalition mit ihrem bei der Kabinettsklausur in Genshagen beschlossenem Wachstumspakt vorgesehen hatte.

Von der Leyen sagte, es lohne sich jetzt, "die Tagesmutter aus der Schwarzarbeit zu holen". Auch Alleinerziehende hätten es künftig viel leichter, "weil sie mehr Geld von der Steuer absetzen könnten".

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil erklärte, es profitierten von dem Kompromiss vor allem Alleinerziehende und Bezieher von niedrigen Einkommen. Die von der SPD angestoßene Diskussion habe sich im Interesse der Familien gelohnt.

 

2.Febr.2006
Müntefering: Rente mit 67 schon ab dem Jahr 2029
Beiträge werden 2007 auf 19,9 Prozent erhöht

Berlin. (dpa/AP) Schon vom Jahr 2029 sollen Beschäftigte eine volle Rente erst mit 67 Jahren erhalten. Dies kündigte Bundessozialminister Franz Müntefering (SPD) überraschend nach einer Kabinettssitzung am Mittwoch an. Er habe dabei die Rückendeckung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und des Bundeskabinetts, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm.

Nach den Vorstellungen des Ministers soll zwölf Jahre lang von 2012 an das Renteneintrittsalter um jeweils einen Monat nach hinten verschoben werden, danach sechs Jahre lang jeweils um zwei Monate. Damit will Müntefering die angespannten Rentenkassen entlasten, den Beitragsatz unter 20 Prozent und den Bundeszuschuss stabil halten.

Alle Kabinettsmitglieder hätten den Vorschlag akzeptiert, sagte Müntefering. Das Vorhaben stehe in Übereinstimmung mit den Koalitionsvereinbarungen. Das Gesetz soll spätestens 2007 beschlossen werden. Es würde dazu führen, dass Beschäftigte des Geburtsjahrganges 1962 oder jünger erst mit 67 ohne Abschläge in Rente gehen können.

Müntefering betonte, dass gleichzeitig ältere Menschen verstärkt in Beschäftigung gebracht werden sollen. Er fügte hinzu: "Rentenversicherungsmitglieder, die 45 volle Versicherungsjahre haben, werden auch in Zukunft mit 65 Jahren den vollen Rentenbeitrag erhalten." Zugleich kündigte der Minister an, die Beiträge zur Rentenversicherung im kommenden Jahr wie im Koalitionsvertrag vorgesehen von 19,5 auf 19,9 Prozent anzuheben.

Münteferings Vorstoß zur rascheren Einführung der Rente mit 67 war in den vergangenen Tagen auf Kritik beim Koalitionspartner gestoßen. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) hatte dem Vizekanzler vorgehalten, der Plan sei mit den Koalitionsfraktionen nicht abgestimmt und weiche vom Koalitionsvertrag ab. Ähnliche Kritik kam von Landwirtschaftsminister Horst Seehofer .

In der Diskussion um die langfristige Alterssicherung verdichten sich derweil die Hinweise, dass die Bundesregierung die staatliche Förderung der Eigenvorsorge anheben will. Nach Müntefering sprach sich am Mittwoch auch der CDU- Sozialexperte Laurenz Meyer dafür aus, mehr Anreize für privates Sparen beispielsweise für eine Riester-Rente zu schaffen.

Der Wirtschaftsforscher Bernd Raffelhüschen hat noch stärkere Abschläge für diejenigen verlangt, die vorzeitig in den Ruhestand gehen. "Es wäre sinnvoll, die lebenslänglichen Abzüge bei vorgezogenem Ruhestand von 3,6 auf 4,8 Prozent pro Jahr zu erhöhen. Das stabilisiert die Rentenfinanzen, weil dadurch wirklich länger durchgearbeitet wird", sagte er.

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