Straubinger, 24.03.06
"Gibt's nicht bei uns - das wäre blauäugig"
Schulleiter zum Thema Gewalt und Pornos auf Schülerhandys und wie man damit umgeht
Von Gerhard Wolf

Cham. Nein - konkret darauf angesprochen hat keiner der von uns befragten Schulleiter damit schon zu tun gehabt - ausschließen will es jedoch auch keiner. So vertraut Gerhard Pschorn vom RSG auf die ausgeprägte Sozialkompetenz seiner Schüler, meint aber doch, "es wäre blauäugig anzunehmen, dass es so etwas bei uns nicht gibt". Seit der Razzia in Immenstadt, wo die Polizei auf Schülerhandys Porno- und Sodomie- sowie Gewaltdarstellungen gefunden hat, ist man auch an unseren Schulen hellhörig geworden - und reagiert entsprechend.

"Wir haben den Erlass des Kultusministeriums schon vorher umgesetzt", betont beispielsweise Raimund Bergler, der Leiter der Johann-Brunner-Schule in Cham. Bergler rechnet durchaus damit, dass "unsere Schüler Erfahrungen mit der BlueTooth-Technologie haben, mit der man alle möglichen Daten von Handy zu Handy laden kann - auch Gewalt- und Pornobilder oder -videos." Innerschulisch könne man auf die Vorfälle reagieren, so der Rektor weiter. So seien die Schülerinnen und Schüler über die strafrechtlichen Konsequenzen informiert worden, wonach die Weitergabe solcher Bilder verboten ist. Daneben hat Bergler den Jugendsozialarbeiter auf eine vermutete Personengruppe unter den Schülern angesetzt, sich mit ihnen zu unterhalten. Außerdem sei an die Eltern ein Informationsbrief verschickt worden und zudem habe man sich mit der Polizei in Verbindung gesetzt und die Problematik erörtert.

"Nicht in die kriminelle Ecke"

"Unsere Kinder sind sicher über solche Darstellungen auf Handys informiert. Aber das ist noch kein Anlass, um sie in eine kriminelle Ecke zu stellen", gibt Raimund Bergler zu bedenken. "Wir vertrauen auch darauf, dass unsere Eltern so sensibel sind und selbst die Handys ihrer Kinder kontrollieren." Dies an der Schule selbst zu tun, davon hält Bergler nichts. Ansonsten bleibt es an der Johann-Brunner-Schule dabei, dass Handys während des Unterrichts ausgeschaltet sein müssen, sonst werden sie eingezogen.

Nicht anders ist es an allen anderen Schulen. Ob dies noch verschärft wird, bleibt abzuwarten, nachdem Bayerns Kultusminister Siegfried Schneider angekündigt hat, dass er ein generelles Handyverbot an den Schulen prüfen lässt. Die von uns befragten Schulleiter halten aber nichts davon. "Wer soll das kontrollieren", fragen etwa Rudolf Reinhardt und Gerhard Pschorn, die Chefs der beiden Gymnasien. "Da müsste man ja jeden Tag die Schultaschen durchsuchen", meint Reinhardt skeptisch. Für viel wichtiger findet er, mit den Schülern über die Problematik solcher Daten auf Handys zu diskutieren. "Und das wird im Unterricht gemacht, wie überhaupt des Thema Gewalt immer wieder erörtert wird."

Ausgeprägte Sozialkompetenz

RSG-Chef Gerhard Pschorn geht davon aus, " dass es auch bei uns eine Klientel gibt, die sicher ein anderes Verhältnis zu solchen Darstellungen hat". Er vertraut aber weitgehend auf die "ausgeprägte Sozialkompetenz seiner Schülerinnen und Schüler". Zudem wird, gerade nach Sonthofen, über das Thema in den verschiedenen Fächern diskutiert. "Natürlich müssen wir dabei auch die Eltern unserer Schüler einbinden. Sie sind näher dran an ihren Kindern und sollten sich Gedanken machen, wie diese mit ihrer Freizeit umgehen." Die Möglichkeit, so etwas zu verhindern, schätzt Pschorn als sehr gering ein, weil die technische Entwicklung so rasant verläuft. Frater Dietmar Wagner, der Leiter der Maristen-Realschule, ist am vergangenen Freitag mit Handy-Missbrauch durch Gewalt- bzw. Pornodarstellungen konfrontiert worden: Die Elternbeirats-Vorsitzende informierte ihn über einen Vater, der auf dem Mobiltelefon seines Sohnes solche Darstellungen gefunden hat. "Ich habe daraufhin sofort ein Rundschreiben an alle Eltern geschickt, sie über die Problematik informiert und sie gebeten mit ihren Kindern zu sprechen." Dem Vorfall selbst ist Frater Dietmar nicht nachgegangen, weil er den Namen des Vaters nicht erfahren hat. "Wir sind auf konkrete Mitteilungen angewiesen - sei es durch die Klassenleiter, Pausenaufsichten oder auch von den Schülern selbst." Was das Handyverbot während des Unterrichts angeht, verweist Frater Dietmar darauf, dass diese nur während der großen Pausen benutzt werden dürfen.

Handys werden nicht gefilzt

"Handys werden bei uns nicht gefilzt", schließt sich Elisabeth Fäth-Marxreiter, die Chefin der Werner von-Siemens-Berufsschule, der Haltung ihrer Schulleiterkollegen an. Und - sie hält ebenso wenig von Razzien, bei denen die Schülerhandys überprüft werden. Natürlich kommt es ab und zu vor, dass Berufsschüler während des Unterrichts ertappt werden, dass sie ihr Handy benutzen. Das Gerät wird dann abgenommen und am Ende des Schultags wieder zurückgegeben. "Wir sind nach Sonthofen natürlich hellhörig geworden", so Elisabeth Fäth-Marxreiter. Ein konkreter Nachweis eines solchen "Handy-Missbrauchs" ist ihr aber noch nicht bekannt geworden. "Wir werden unsere Schüler nicht nur aufklären, was für strafrechtliche Folgen sie erwartet, sondern ihnen auch klar machen, was etwa Gewaltszenen für die jeweiligen Opfer bedeutet."

Auch Alfons Windmaißer, Chams Vizepolizeichef, ist bisher kein Fall von Schüler-Handys mit Gewalt- oder Pornoaufnahmen bekannt. "Wir können erst reagieren, wenn uns ein solcher Vorfall gemeldet wird. Gedanken um dieses Thema haben wir uns natürlich schon gemacht."

"Das ist bei uns keine Ausnahme"
ödp-Kreisrat Klaus Bucher zu Porno- und Gewaltvideos auf Schüler-Handys

Der Chamer ödp-Kreisrat Klaus Bucher warnt davor, das Thema Porno-, Gewalt- und Sodomie-Videos auf Handys von minderjährigen Schülern zu unterschätzen. Er hat beruflich mit Schülern zu tun und wurde am 9. März mit diesem Thema konfrontiert: Eine volljährige Schülerin habe minderjährigen Schülerinnen jeweils ein Pornovideo und Sodomie-Video gezeigt, berichtet Bucher und ergänzt, dass er diesen Vorfall nicht auf dem Gelände der betreffenden Schule bebachtet hat. Und obwohl er sich eigentlich der jugendschutzrechtlichen Bestimmungen bewusst gewesen sei, habe er sich leider nichts dabei gedacht, da die "Qualität der Videos sehr schlecht und das Display des Handys sehr klein gewesen sei". Nach Berichten über eine Razzia an einer Schule in Immenstadt habe er jedoch die betreffenden Schülerinnen beim nächsten Treffen über die rechtliche Lage informiert und die volljährige Schülerin darauf hingewiesen, dass sie sich mit ihrem Verhalten strafbar gemacht habe. In den vergangenen Tagen hat Bucher von mehreren Schülern und Schülerinnen anderer Schulen auf Nachfrage die Information erhalten, dass sie solche Videos kennen und auch von Schülerinnen und Schülern wissen, die solche besitzen. Laut Bucher handelt es sich dabei durchgehend um Berichte von Schülerinnen und Schülern verschiedener Chamer Schulen. Bucher geht davon aus, dass bei Handykontrollen im Landkreis an jeder Haupt- und Realschule, an jedem Gymnasium und an jeder Berufsschule solche Videos gefunden würden. Es handle sich nicht mehr um nur Einzelfälle, sondern um eine alltägliche Erscheinung. Die Jugendlichen nähmen das Thema nicht ernst, sondern fänden es lustig, vor allem wenn sich andere Schülerinnen und Schüler angeekelt abwenden. Leider wüssten weder Schulleitung noch Lehrer noch Eltern von dem, was sich vor allem während der Pausen abspiele.

Klaus Bucher hält deshalb sofortige umfassende Kontrollen und ein Handyverbot an Schulen für unumgänglich. "Wir müssen unsere Kinder schützen. Handys werden während der Schulzeit nicht gebraucht. Übrigens wurden z.B. in Londoner Schulen Handys verboten, weil dort das Happy Slapping' (fröhliches Schlagen), also das Verprügeln von Kindern mit gleichzeitiger Videoaufnahme überhand nahm." -ger-

zurück