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19.Juni 2004

Die Gen-Bauern haften für fliegende Pollen
Bundestag verabschiedet Gentechnikrecht - Standortregister - Bauernverband skeptisch
Berlin. (dpa/AP) Landwirte, die gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen, haften künftig für unerrwünschte Ausbreitungen auf konventionell bearbeitete Felder. Die genauen Anbauflächen von Gen-Pflanzen sind in einem Standortregister einzusehen. Das sind Kernpunkte des rotrünen Gentechnikgesetzes, das der Bundestag am Freitag gegen den Widerstand der Opposition verabschiedete. Der Bundesrat muss nicht mehr zustimmen. Umweltschützer begrüßen die Neuregelung, der Bauernverband kritisierte sie.

Das Gesetz soll nach dem Willen von Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) Ökobauern und konventionell arbeitende Landwirte " gegen schleichende Dominanz" von Gen-Pflanzen schützen. Die Grünen Politikerin sprach von einem Erfolg für den Verbraucherschutz und Rechtssicherheit für die Landwirte. Als eines der ersten EU-Länder habe Deutschland einen gesetzlichen Rahmen für den Schutz des gentechnikfreien Anbaus geschaffen.

Umstritten war vor allem die Haftungsfrage. So müssen Gen-Bauern künftig gesamtschuldnerisch und verschuldensunabhängig für Schäden durch Verunreinigungen aufkommen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn sich Pollen genmanipulierter Pflanzen vom Acker machen, den Ökoweizen auf dem Nachbarfeld befruchten und der Biobauer seine Ernte dann nicht mehr verkaufen kann. Ein öffentlich zugängliches Bundesregister mit standortgenauen Angaben über Gen-Anbauflächen soll der bisherigen Geheimniskrämerei ein Ende machen.

Außerdem wird die so genannte gute fachliche Praxis wie Mindestabstände, Aufzeichnungspflichten oder das Ausbringen von Düngemitteln mit gentechnisch veränderten Organismen geregelt. Saatguthersteller müssen diese Anforderungen in Beipackzetteln darlegen.

Das Gesetz solle verhindern, dass ökologisch und konventionell arbeitende Landwirte "ins Abseits getrieben" würden, erklärte die Vorsitzende des Verbraucherausschusses, Herta Däubler-Gmelin (SPD). Sie müssten auch weiter ganz normal arbeiten und die Verbraucher ihre Produkte kaufen können. Union und FDP verteidigten die Möglichkeiten der Gentechnik und warfen vor allem den Grünen vor, Ängste zu schüren.

Der Industrieverband Agrar kritisierte das Gentechnikgesetz und warf Rot-Grün einen "De-facto-Ausstieg" aus der so genannten grünen Gentechnik vor. "Die Produkte der grünen Gentechnik werden trotzdem in unsere Supermärkte kommen. Nur werden unsere Landwirte nicht profitieren", erklärte Hauptgeschäftsführer Oskar Böttcher.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) beklagte, die Sicherung der Koexistenz von Betrieben mit und ohne Gen-Pflanzen sei nicht erreicht worden. Angesichts des Haftungsrisikos müsse jedem Landwirt vom Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen abgeraten werden.

Umweltverbände wie BUND und Greenpeace begrüßten das Gesetz grundsätzlich und zeigten sich besonders erfreut über die Richtung eines öffentlichen Registers, das mehr Transparenz schaffe.