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Landshuter,Straubinger, 14.mai 2004 GASTKOMMENTAR

DAS GRENZLAND STÄRKEN

VON HANNES BURGER

Die Erwartungen sind hoch und die Mittel begrenzt - auch in Bayern. Aber mit leeren Händen wird die Staatsregierung sicher nicht zur Kabinettssitzung in Freyung am 25. Mai antreten. Dies hat Ministerpräsident Edmund Stoiber in seiner Regierungserklärung diese Woche im Landtag deutlich gemacht, auch wenn er konkrete Projekte und Konzepte der Staatsregierung erst beim Besuch im schwächsten Landkreis des bayerischen Grenzlandes verkünden will. Allein diese Geste ist ein Signal für die Bevölkerung des Bayerischen Waldes: Wenn schon Berlin und Brüssel nichts für Euch tun, Bayern lässt Euch in dieser schwierigen Übergangszeit nicht im Stich. Nun müssen Taten folgen. Dabei stellt sich die Frage: Was kann die Staatsregierung denn tun? Der alte Spruch, Geld macht nicht glücklich, aber es beruhigt, passt sicher auch hier. Mit Geld allein ist es jedoch nicht getan. Die EU-Osterweiterung ist ja kein akuter Schaden, den man wie aus einem Katastrophenfonds abmildern kann.

Was wir im bayerischen Grenzland sicher nicht brauchen können, ist leichter zu definieren: nämlich die salbungsvoll geölten Sprüche der Schönredner Gerhard Schröder und Joschka Fischer bei ihrer organisierten Europa-Euphorie. Sie tun nichts, aber auch gar nichts, um Sorgen und Ängste der Menschen - übrigens auf beiden Seiten der Grenzen - emst zu nehmen, dem eigenen Land zu helfen oder die EU zu veranlassen, die Übergangszeiten und das unfaire Fördergefälle abzufedern. Zu allem Überfluss wird diese Unfähigkeit und Untätigkeit von den Genossen der bayerischen SPD im Bundestag in Demut und Gehorsam hingenommen. Die SPD im Landtag stellt dafür an die Staatsregierung "mutig" dumm-dreiste Fragen, für die großteils Berlin die zuständige Adresse wäre.

Dass die Grünen jeden wirtschaftlichen Schaden als Erfolg bejubeln, den ihre Gurus in Berlin Land und Leuten in Bayern zufügen - sei es durch Verkehrsblockaden oder Strangulierung der Landwirtschaft - das überrascht längst niemanden mehr.

Stattdessen versuchen Schröder, Fischer und Konsorten die deutsche Grenzbevölkerung nur gesundzubeten: Euch kleingläubigen, dummen Hintersassen sind die Segnungen der EU-Osterweiterung nur nicht richtig erklärt worden, darum habt Ihr Eure großen Chancen nicht kapiert und es fehlt Euch der Glaube an die rosige Zukunft. Gerade so als ob Menschen, die 40 Jahre am Eisernen Vorhang oder im sozialistischen Paradies leben mussten, nicht weit besser wüssten, was offene Grenzen und friedliche Nachbarschaft bedeuten.

Bayern hat sein Grenzland in der Vergangenheit stark unterstützt. Vor allem, nachdem die Staatsregierung zu Beginn der siebziger Jahre eines begriffen hatte: Wenn im Bayerischen Wald Lichter ausgehen, Arbeitsplätze schwinden, alte Leute in einer romantischen Museums-Landschaft zurückbleiben und junge wegziehen, dann verursacht das zehnfaehe Kosten in den neuen Trabantenstädten der Ballungsräume. Diese Strukturpolitik hat immerhin die Grenzregionen in Oberfranken, der Oberpfalz und Niederbayem so gut vorangebracht, dass man schon geglaubt hat, weitere Förderungen seien nicht mehr nötig. Brüssel und Berlin haben die Mittel ständig gekürzt und in Bayern stand leider die Vorzeigeregion München/Oberbayern zu sehr im Vordergrund und zudem wurde dem Land auch von Brüssel Strukturhilfe aus eigenen Mitteln weithin untersagt.

Die Chancen kommen später, Probleme bringt aber nun die nahe Zukunft. Damit das Grenzland sie bewältigt und nicht wieder in Zeiten der Resignation und Abwanderung zurückfällt, braucht es sowohl eigene Anstrengungen als auch Förderung von außen.

Das betrifft nicht nur den Staat. Auch Wirtschaftsführer machen es sich zu einfach, wenn sie - über Teilverlagerungen ihrer Firmen und Mischkalkulationen ihrer Kosten hinaus - zum kompletten Abwandern in die neuen EU-Länder aufrufen. Sie sehen dabei nur kurzfristige betriebswirtschaftliche Vorteile, beachten aber nicht das Ende.Das Erste und Wichtigste, was die Staatsregierung tun kann und wohl auch plant, ist die Fortsetzung der Wirtschaftsförderung mit eigenen Mitteln, nachdem sich der Bund daraus verabschiedet hat. Aus Wirtschaft, Tourismus und Gemeinden allein in Niederbayem liegen Zuschussanträge mit einem Bedarf von über 100 Millionen Euro vor, die hier Investitionen von 400 bis 500 Millionen auslösen würden. Benötigt werden sie vorwiegend für die Erweiterung bestehender Firmen zur Sicherung von Arbeitsplätzen und für touristische Einrichtungen der Gemeinden. Längst notwendige neue Projekte oder langfristige Zukunftsideen wie etwa die wichtige Planung für neue Bahnstrecken - etwa Passau-Prag - sind da noch nicht einkalkuliert.

Es besteht also durchaus eine hohe Investitions-Bereitschaft in der Region. Aus Landesmitteln und den kargen Restmitteln des Bundes für Strukturhilfen steht vorerst nur etwa ein Drittel des Bedarfs zur Verfügung. Da ist auch der noch höhere Zuschussbedarf der Gemeinden für kommunale Investitionen nicht eingerechnet. Denen fehlen oft die Eigenmittel, um Zuschüsse überhaupt annehmen zu können. Gerade das Handwerk ist aber auf Investitionen von Industrie, Tourismus-Betrieben und vor allem Gemeinden angewiesen.

In Tschechien winkt ein Lohngefälle von etwa 1:4, eine Steuerbefreiung von zehn Jahren und manch weiterer Vorteil, zudem 50 Prozent EU-Zuschuss für Investitionen. In Bayern können nicht einmal die von der EU noch erlaubten oberen Fördersätze zwischen 15 und 25 Prozent ausgeschöpft werden, weil das Geld nicht reicht. Ein weiteres Ertüchtigungs-Programm Bayerns ist deshalb hier dringend nötig.

Eine wichtige Unterstützung für das Grenzland wäre es ferner, nicht ständig Behörden abzubauen und in die Zentren zu verlagern.

Vielmehr gibt es sicher noch manche Behörde - Gleiches gilt auch für Institute von Universitäten -, die angesichts heutiger Kommunikations-Techniken in den Bayerischen Wald ausgelagert werden könnten. Wer bisher hierher versetzt wurde, hat das zuerst als Strafe empfunden, danach wollte aus dieser nur etwas anderen Lebensqualität niemand weg. Abgesehen davon wäre es geradezu Irrsinn mit Methode, wollte man etwa den Straubingern die Justiz-Vollzugsanstalt und die Forensische Psychiatrie belassen, zugleich noch davor warnen, dass die Kriminalität bei offeneren Grenzen steigen wird, aber dann die Polizeidirektion nach Regensburg in Sicherheit bringen.Nahezu grenzenlos sind Projekte, mit denen etwa die Ministerien für Landwirtschaft und Umwelt bereits bestehende Einrichtungen im Bayerischen Wald ausbauen, ergänzen und verzahnen könnten. Diese Region braucht Industrie, aber die ist kein Schwerpunkt. Landwirtschaft und Kulturlandschaft, Naturschutz und gesunde Ernährung, Tourismus, Hotellerie und Wellness gehören auf dem grünen Dach Europas zusammen.