Straubinger, 10.August 2005
Bayerns Hochschulen sollen mehr
Eigenverantwortung bekommen
Ministerrat beschloss Reformpaket - Stoiber verspricht "modernstes Hochschulrecht"

München. (Eig.Ber.) Auf seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause hat der bayerische Ministerrat in München die Weichen für eine umfassende Reform des Hochschulrechts gestellt. Der Reformansatz, der nach den Worten von Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) zum "modernsten Hochschulrecht in Deutschland" führen soll, umfasst drei Teile: Eine Reform des Hochschulrechts, ein "Optimierungskonzept Hochschule 2008" und ein neues Universitätsklinikgesetz.

Ziel der Reformbemühungen seien größere Autonomie, mehr Gestaltungsfreiheit und die Verschlankung der Verwaltung, sagte Stoiber nach den Kabinettsberatungen in München. Die geplante Reform solle ein "Meilenstein auf dem Weg zur weiteren Steigerung der Leistungsfähigkeit der bayerischen Hochschulen" sein. Die großen Universitäten in München (Ludwig-Maximilians- und Technische Universität), Erlangen Nürnberg und Würzburg erreichten in internationalen Rankings bereits jetzt Spitzenplätze, man dürfe sich darauf aber nicht ausruhen, betonte, der Regierungschef.

Sollten die Reformbestrebungen vom Landtag gebilligt werden, sollen die Hochschulen und ihre Organe größere Autonomie und mehr Gestaltungsfreiheit erhalten. Zentrale Stellung als Entscheidungs- und Kontrollgremium wird ein "Hochschulrat" einnehmen, dem auch Vertreter der "beruflichen Praxis", der Wirtschaft und der Kulturbereiche angehören sollen. Die Hochschulen können von den Möglichkeiten einer umfassenden Haushaltsflexibilisierung bis hin zu einem Globalhaushalt Gebrauch machen. Für die Studierenden soll durch Einführung der internationalen Abschlüsse Bachelor und Master größere Vergleichbarkeit geschaffen werden. Der Umfang des Hochschulgesetzes verringert sich mit dem Gesetzentwurf um ein Drittel.

Andererseits wird freilich ein neues Gesetz geschaffen: Nach dem Universitätsklinikgesetz werden die Universitätskliniken des Freistaats künftig rechtlich selbstständige Anstalten des öffentlichen Rechts. Staatliche Zustimmungsvorbehalte sollen abgebaut werden. Damit sollen die Kliniken nicht zuletzt in die Lage versetzt werden, mit den immer stärker werdenden Privatkliniken besser konkurrieren zu können, sagte Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU). Auf die beiden Münchner Universitätsklinika will Goppel nach eigenen Worten verstärkt Druck ausüben, um zu einer Zusammenlegung zu kommen. Man müsse dort "gute Gründe haben", um das zu verhindern, sagte Goppel.

Über die einzelne Hochschule hinaus soll das "Optimierungskonzept für die Bayerischen Hochschulen 2008" für mehr Effizienz und Qualität sorgen. Grundsatz dieses Konzeptes, in das die Empfehlungen der so genannten Mittelstraß-Kommission eingeflossen sind, ist die Erkenntnis, dass "nicht mehr alle alles" machen, sondern sich die Einzelnen auf ihre Stärken konzentrieren sollen, erläuterte Stoiber. In zwei Punkten ist das Optimierungskonzept allerdings von den Empfehlungen der Mittelstraß Kommission abgewichen: So bleibt die Theologie wegen der Zustimmungsbedürftigkeit der Kirchen erst einmal unangetastet. Zum zweiten bleibt die Lehrerbildung an den Universitäten und wird nicht "runter an die Fachhochschulen"(Minister Goppel) gegeben.

Die Oppositionsparteien SPD und Grüne sprachen von einem "Reförmeben". Die CSU-Staatsregierung habe nicht den Mut zu einem großen Wurf, erklärte der hochschulpolitisehe Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Wolfgang Vogel. Die Finanzierung der Hochschulen sei vollkommen unzureichend. Im internationalen Vergleich lägen die bayerischen Unis bei der Mittelausstattung und der Relation von Studierenden zu Professoren "weit abgeschlagen im hinteren Mittelfeld".

Die vom Kabinett Stoiber vorgeschlagene Hochschulreform sei in vielen Bereichen schon wieder "verstaubt", erklärte der Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Landtag, Sepp Dürr. Die Zusammensetzung der Hochschulräte kritisierte Dürr als "undemokratisch". Die patriarchalisehen Strukturen wollten Stoiber und Goppel "nicht wirklich antasten".

Die Gesetzentwürfe gehen jetzt in das Anhörungsverfahren, bei dem Hochschulen und andere Organisationen ihre Vorstellungen einbringen können. Anschließend muss der 1 Landtag entscheiden. Ralf Müller

 

Kommentar:

HOCHSCHULE 2008

VON LUTZ ROSSMANN

Als eine der wichtigsten Entscheidungen dieser Legislaturperiode hat Ministerpräsident Stoiber das "Optimierungskonzept Hochschule 2008" bezeichnet, zu dem das Kabinett gestern den Startschuss gegeben hat. Mit Gesetzesänderungen soll den 26 Universitäten und Fachhochschulen ein Meilenstein gesetzt werden, auf dem Weg in eine Zukunft, für die Schule und Bildung die Voraussetzung für wirtschaftlichen Aufstieg und weltweite Konkurrenzfähigkeit bedeuten. Das ist bei allen Gegensätzen im Grunde zwischen den Parteien unstrittig. Der bayerische Weg basiert auf "Verschlankung des Hochschulrechts durch Deregulierung", das heißt: Mehr Selbstständigkeit und Eigenverantwortung, wozu der Staat die notwendigen Mittel gibt; trotz aller Haushaltsmisere mit den größtmöglichen Steigerungsraten.

Was da vorgesehen ist, erscheint richtig, zumal Stoiber und sein Wissenschaftsminister Goppel vom "Innovationsbündnis Hochschule 2008" ausgehen können, das der Landtag im Mai abgesegnet hat und das von den Rektoren bzw. Präsidenten der Hochschulen in feierlichem Akt unterschrieben wurde. Aber die Einzelheiten des Konzepts werden noch zu diskutieren bleiben. Angefangen bei der Kooperation zwischen den Hochschulen und nicht zuletzt bei der Frage, ob die Studiengebühren, die es nicht nur in Bayern demnächst geben wird, wirklich sozial verträglich finanzierbar sind. Der Staatsregierung stehen da noch schwierige Verhandlungen mit den Banken über günstige Kredite zwecks Zahlung der Gebühren bevor.

Für die gestärkte Hochschulautonomie nur stichwortartig einige Beispiele dafür, dass es umzudenken gilt: Die Universität Passau zum Beispiel muss das Lehrfach Geographie mit Magisterabschluss und die Volkswirtschaftslehre (Diplom) ab dem Wintersemester 2005/2006 einstellen. Sie soll sich dafür mehr den Wirtschaftswissenschaften wie auch der Lehrerausbildung widmen. Mit Regensburg ist eine verstärkte Kooperation u. a. in Alter Geschichte und Romanistik vorgesehen. Verstärkt müssen sich alle Universitäten bei Berufungen untereinander abstimmen. Die Fachhochschule Landshut soll nach dem Optimierungskonzept den Studienschwerpunkt Mikroelektronik aufgeben, der in Deggendorf und Regensburg abgedeckt wird. Die souveräner werdenden Führungsgremien der Hochschulen sind gefordert. So weit wie in der Wirtschaft, wo man mit der Konkurrenz fusioniert oder sie aufkauft, darf das neue Bildungsdenken eben doch nicht gehen.

Es liegen noch viele Steine auf dem Weg in die Zukunft. Ihn zu ebnen, wird Jahre dauern.

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