VDI nachrichten, 7.Januar 2005

Vergaloppiert

Wolfgang A. Herrmann ist das, was man gemeinhin als Vorreiter bezeichnet. Diesmal galoppiert der reformfreudige Präsident der Technischen Universität München allerdings hinter der Entwicklung hinterher. Der einstige Kandidat für den Posten des bayerischen Wissenschaftsministers plädiert für die Beibehaltung des akademischen Titels "Diplom-Ingenieur" - nachdem sich erst vor wenigen Wochen die Chefs der Technischen Universitäten schweren Herzens zu Bachelor und Master bekannt hatten.

Das Argument Herrmanns ist nicht neu: "Der Diplom-Ingenieur ist in aller Welt ein hoch geschätztes deutsches Markenzeichen. Kein Unternehmen würde daran denken, seine bewährte Marke aufzugeben, nur weil es eine neue Produktserie auflegt." Es sei töricht, diesen Wettbewerbsvorteil künftig nicht mehr auszuspielen, gerade im Zeitalter der Globalisierung. Absolventen der forschungsorientierten Ingenieurwissenschaften sollten sich daher auch weiterhin mit dem Qualitätssiegel "Dipl.-Ing." schmücken dürfen. Nun könnte man dies als Alleingang eines spät Erwachten abtun, würde sich plötzlich nicht auch sein Kollege Dietrich Wörner solidarisch erklären. Der Präsident der TU Darmstadt hält es für "gefährlich, den Markennamen eines erfolgreichen Produkts aufzugeben". Warum die beiden Hochschulchefs jetzt erst ihre Rösser satteln, bleibt schleierhaft. Vor einigen Jahren hätte eine solche Debatte Sinn gemacht, jetzt schafft sie mehr Verwirrung denn Klarheit. ws

Kommentar R-Kiehl: Herr A.Herrman hat vollkommen recht – siehe dazu auch die anderen Dateien unter www.rki-i.com zu diesem Thema.

Straubinger, 5.Januar 2005
Hochschulchefs fordern: Den Diplom-Ingenieur beibehalten
TU-Präsident:"Man wirft doch kein Markenzeichen weg"

München. (stu) Der akademische Titel Diplom-Ingenieur muss bleiben. Das fordern die Chefs der Technischen Hochschulen und Universitäten. Ihr Sprecher, Prof.Wolfgang A.Herrmann, Präsident der TU München, kritisiert die Abschaffung des Titels im Zuge des sogenannten Bologna-Prozesses: "Man wirft ein Markenzeichen doch nicht einfach weg".

"Der deutsche Diplom-Ingenieur hat Weltstandards gesetzt", sagt Herrmann, der die TU 9, die Vereinigung der neun bedeutendsten Technischen Universitäten und Hochschulen geschlossen hinter sich weiß.

Die Hochschulchefs sind entschlossen, "diesen Schildbürgerstreich einer unbeherzten Politik" zu verhindern: Der Diplom-Ingenieur sei in aller Welt ein hochgeschätztes deutsches Markenzeichen. Kein Unternehmen würde daran denken, seine bewährte Marke aufzugeben, nur weil es eine neue Produktserie auflege, so der Münchner TU-Präsident. Das aber erwarte die Kultusminister-Konferenz, wenn nun die Bachelor und Master-Studiengänge mit den neuen Titeln abschließen.

"Bachelors und Masters gibt es weltweit massenhaft, den deutschen Diplom-Ingenieur gibt es nur einmal." Es sei schlicht töricht, diesen Wettbewerbsvorteil nicht mehr auszuspielen, gerade im Zeitalter der rasanten Globalisierung, so Hermann.

Die Bologna-Erklärung von 1999 eröffne den Mitgliedsstaaten ausdrücklich die Möglichkeit, kulturelle Besonderheiten und historische Entwicklungen bei der Schaffung des gemeinsamen europäischen Hochschulraums geltend zu machen. Der Abschlussgrad "Dipl.-Ing." wurde 1899 zum ersten Mal verliehen.

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