Straubinger, 4.Juni 2005

REPORTAGE UND HINTERGRUND
"Die Union wird die Wachstumskräfte mobilisieren"

Exklusiv-Interview mit Staatsminister Erwin Huber

Herr Huber, in demonstrativer Geschlossenheit haben CDU und CSU zu Beginn dieser Woche Angela Merkel zu ihrer Kanzlerkandidatin nominiert. Welche Erwartungen setzen Sie ganz persönlich in die CDU-Chefin? Steht auch die Basis Ihrer Partei voll und ganz hinter ihr?

Huber:CDU und CSU haben sich schnell, einmütig und überzeugend auf Angela Merkel als Kanzlerkandidatin verständigt. Angela Merkel ist eine hervorragende Kandidatin. Sie kann als erste Frau in der Geschichte Deutschlands Bundeskanzlerin werden. Es gehört zu ihrer Erfolgsbilanz, dass die CDU heute in zehn Ländern die Ministerpräsidenten stellt. Und die Bürgerinnen und Bürger wissen, dass die von ihr geführte Bundestagsfraktion von CDU und CSU eine klare, harte aber immer konstruktive Oppositionspolitik gemacht hat, ganz anders als SPD und Grüne das in den 90er Jahren praktiziert haben. Die CSU wird im Bundestagswahlkampf 2005 ihren Beitrag leisten für die Einheit und Einigkeit der Union. Es ist schon überaus erfreulich, wie schnell die Sympathiewerte für Frau Merkel nach oben schießen und jetzt schon vor Schröder liegen. In Bayern wird Edmund Stoiber die CSU als Spitzenkandidat in die Wahl führen.

Die Schaffung von Jobs, Jobs und nochmals Jobs - daran dürfte Rot-Grün scheitern und die Union im Herbst in die Pflicht genommen werden. Wie soll Ihrer Ansicht nach die Misere auf dem Arbeitsmarkt behoben werden?

Huber:Rot-Grün ist gescheitert, vor allem in der Wirtschaftspolitik. Die Arbeitslosigkeit ist das Kernübel in Deutschland. Fast fünf Millionen Arbeitslose, das bedeutet, dass jede vierte Familie in Deutschland konkret von Arbeitslosigkeit betroffen ist. Und noch mehr Menschen haben konkrete Sorgen um ihren Arbeitsplatz. Wer mit offenen Augen durch die Welt geht und nicht nur Nabelschau betreibt, der sieht sofort, dass sehr viele andere Länder in Europa wesentlich höhere Wachstumsraten und deutlich niedrigere Arbeitslosigkeit haben als wir. Deswegen brauchen wir sehr rasch mehr Wachstum. Die Union wird die soziale Marktwirtschaft wieder neu beleben und die Wachstumskräfte mobilisieren. Wir werden den Arbeitsmarkt so aufstellen, dass Arbeitsplätze absoluten Vorrang haben. Mit einem konsequenten Bürokratieabbau schaffen wir mehr Bewegungsspielraum. Und wir werden das viel zu komplizierte und leistungsfeindliche deutsche Steuerrecht so vereinfachen, dass Arbeit und Investieren in Deutschland wieder attraktiv wird. Mehr Arbeit und mehr Wachstum wird das zentrale Thema des gemeinsamen Regierungsprogramms von CDU und CSU, das wir am 11. Juli beschließen und vorstellen.

Die Binnennachfrage bleibt das Sorgenkind der deutschen Konjunktur, was vor allem dem Mittelstand zu schaffen macht. Wie könnte der private Konsum flächendeckend wieder angekurbelt werden?

Huber:Jedenfalls nicht durch schuldenfinanzierte Kreditprogramme. Die schwache Binnennachfrage ist das Spiegelbild der Stimmungslage in unserem Land. Sieben Jahre Rot-Grün haben dafür gesorgt, dass in Deutschland eine defätistische Stimmung vorherrscht, die die Menschen lähmt und das Land insgesamt weit zurückwirft. Wenn die Menschen spüren, hier ist eine Regierung, die die Dinge zum Positiven verändert, die endlich anpackt und wirklich konsequent alle Weichen auf Wachstum und Arbeit stellt, dann werden die Menschen auch mitziehen und mitmachen. Auch wenn sie wissen, dass es bis zur vollständigen Gesundung Deutschlands ein längerer Weg sein wird. Wer ein Ziel vor Augen hat und vertrauenswürdige Bergführer, der schafft auch den Anstieg zum Gipfel.

Wird die Union im Wahlkampf den Mut haben, sich klar für eine unternehmerfreundliche und freiheitlich ausgerichtete Wirtschaftspolitik einzusetzen oder alles Wichtige im Ungefähren lassen, um die Gunst der Wähler nicht zu verspielen "und dem politischen Gegner keine Angriffsfläche im sozialen Bereich zu bieten?

Huber:Wir werden vor der Wahl klar sagen, was wir nach der Wahl anders machen werden als Rot-Grün. Gegen dieses Grundprinzip einer seriösen und ehrlichen Politik hat Rot-Grün permanent verstoßen. Das war einer der Grundfehler von Rot-Grün, der dazu geführt hat, dass die Regierung so viel Vertrauen eingebüßt hat. Noch vor der letzten Bundestagswahl haben SPD und Grüne den Eindruck erweckt, Deutschland sei ein Land im Aufschwung. Und als Schröder dann den Karren mit der Agenda 2010 radikal herumwerfen wollte, hat er den riesigen Fehler begangen, vorher weder die Bevölkerung, noch seine eigene Partei einzubeziehen. Schröder hat es bis heute nicht geschafft, die Menschen über die wahre Lage aufzuklären und ihnen die Notwendigkeit von Veränderungen deutlich zu machen. So kann man ein Land nicht regieren. Das zeigt sich jetzt in den; Phase des Zerfalls dieser Bundesregierung überdeutlich.

Die SPD wird im Wahlkampf nichts unversucht lassen, die Union als radikale und kaltherzige Vertreterin eines Kapitalismus pur anzuprangern und damit die Heuschrecken-Attacke Münteferings verschärfen. Wie wird die CSU darauf reagieren, zumal auch in Ihren Reihen diese Kritik des SPD-Chefs vereinzelt Anklang findet?

Huber:Die Menschen werden nicht mehr auf billige Polemiker hereinfallen. Es ist schon eine besondere Dreistigkeit, dass die SPD jetzt eine Art Oppositionswahlkampf führen will und versucht, die Union in die neoliberale Ecke zu stellen. Dieses gigantische Ablenkungsmanöver wird aber nicht gelingen. Es geht zuerst um die Bilanz dieser rot-grünen Regierung. Und diese Bilanz ist verheerend. Rekordarbeitslosigkeit, Rekordarmut, Rekordverschuldung, niedrigstes Wirtschaftswachstum in Europa. Das haben SPD und Grüne zu verantworten und damit müssen sie sich dem Wähler stellen. Auch ist völlig klar: CDU und CSU sind die großen Volksparteien der Mitte, die die soziale Marktwirtschaft erfunden und geprägt haben. Und das wissen die Menschen auch sehr genau, weil sie sehen wie die Union in 11 von 16 Ländern besser regiert. Sie wissen auch, dass es mit der Union nie eine reine Marktwirtschaft, sondern immer die soziale Marktwirtschaft von Ludwig Erhard gibt.

Sind die negativen Auswirkungen der Globalisierung auf dem heimischen Arbeitsmarkt überhaupt noch mit nationalstaatlichen Maßnahmen in Grenzen zu halten?

Huber:Gerade deshalb muss man die Hausaufgaben machen. Natürlich sind die Handlungsspielräume in einer globalisierten Wirtschaft ohne Grenzen wesentlich kleiner als früher. Hinzu kommt, dass Brüssel immer mehr Kompetenzen an sich gezogen hat, auch in vielen Bereichen, die wir selber besser regeln können. Trotzdem kommen viele andere Staaten in Europa mit diesen Bedingungen wesentlich besser zurecht als Deutschland. Denken Sie nur an unser Nachbarland Österreich, aber auch an die Niederlande, Großbritannien, Irland und die skandinavischen Länder. All diese Länder haben ein viel höheres Wachstum und eine deutlich niedrigere Arbeitslosigkeit. Das zeigt eindeutig, was nationale Politik auch heute bewegen kann und auch bewegen muss. Und hier hat Rot-Grün komplett versagt. Diesen Rückstand müssen wir aufholen, damit Deutschland endlich wieder die Wachstumslokomotive in Europa wird.

Ist angesichts der Haushaltslöcher der zwischen CDU und CSU ausgehandelte Steuerkompromiss "Konzept 21" noch umsetzbar? Wird es nicht doch schon in der nächsten Legislaturperiode zu einer Erhöhung der Mehrwertsteuer kommen?

Huber: Zuerst brauchen wir einen Kassensturz. Rot-Grün hat unser Land an den Rand des Staatsbankrotts geführt. Die Sanierung der zerrütteten Finanzen wird Jahre. dauern. Unser "Steuerkonzept 21" ist solide erarbeitet und durchgerechnet. Das ist selbstverständlich die Grundlage für den steuerpolitischen Teil unseres Regierungsprogramms. Das Motto ist ganz klar: Steuervereinfachung, Steuersätze runter, weniger Ausnahmen. Auf alle Fragen der Steuerpolitik werden wir in unserem Regierungsprogramm am 11. Juli eine Antwort geben.

Wird es unter einer unionsgeführten Bundesregierung im Bereich der Energiepolitik zu einer Revision des atomaren Ausstiegsbeschlusses von Rot-Grün kommen?

Huber:Die ideologiefixierte Energiepolitik von Rot-Grün hat unserem Land massiv geschadet, weil sie die Energiekosten enorm verteuert hat. Das war in doppelter Weise unsozial: Wer weniger verdient, spürt die hohen Kosten für Benzin, Strom und Gas natürlich besonders stark. Außerdem hat diese Politik der Energieverteuerung tausende Arbeitsplätze in Deutschland gekostet. Wir müssen zurück zu einer vernünftigen Energiepolitik für eine preiswerte, sichere und umweltverträgliche Energieversorgung. In einem ausgewogenen Energiemix wird auch die Kernenergie solange eine Rolle spielen, bis es gleichwertige Energieträger in Deutschland gibt. Das ist heute nicht der Fall. Das heißt nicht, dass es in Deutschland neue Kernkraftwerke geben wird. Es geht allein darum, die bestehenden deutschen Kernkraftwerke, die die sichersten der Welt sind, länger laufen zu lassen. Das Kernkraftwerk Isar 2 ist Weltmeister in Sicherheit und Leistungskraft. Der Ausstieg aus der Kernkraft ist falsch und wird korrigiert.

Was würden Sie dem früheren EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen nach dem Nein der Franzosen zur EU- Verfassung gerne ins Stammbuch schreiben? Was sagen Sie zu der Aussage des SPD-Fraktionsvizes Ludwig Stiegler, der der Unionskanzlerkandidatin jede außenpolitische Erfahrung absprach?

Huber:Herr Verheugen muss jetzt nach dem deutlichen Nein der Franzosen und Niederländer zur EU-Verfassung zur Kenntnis nehmen, dass man die wichtigsten EU-Entscheidungen nicht weiter über die Köpfe der Menschen hinweg treffen kann. Das Ergebnis in beiden Ländern ist eine eindeutige Warnung, vor allem gegen die völlig überhastete Erweiterungspolitik bis hin zur Türkei. Bundeskanzler Schröder und der französische Staatspräsident Chirac tragen mit ihrem forcierten Eintreten für einen EU-Beitritt der Türkei eine wesentliche Verantwortung für das Scheitern des Europäischen Verfassungsvertrages. Alle Pläne für neue Erweiterungsrunden müssen jetzt auf den Prüfstand. Europa braucht eine Phase der Konsolidierung. Und Äußerungen von Herrn Stiegler kommentieren sich in der Regel von selbst. Wohin es führt, wenn Stiegler wie der Elefant im Porzellanladen spazieren geht, sieht man in Bayern: Die SPD hat die schlechtesten Ergebnisse in ihrer Geschichte.

Um die Handschrift der CSU in einer künftigen Unions-Regierung mit oder ohne FDP - zu unterstreichen wäre es Ihrer Ansicht nach sinnvoll, wenn sowohl CSU-Chef Edmund Stoiber als Superminister für Finanzen und Wirtschaft, als auch Günther Beckstein als Bundesinnenminister Merkels Kompetenzteam bereichern? Wie interpretieren Sie in diesem Zusammenhang das erst kürzlich ausgesprochene große Lob des Ministerpräsidenten an Sie, das in dem Satz gipfelte: "Huber ist noch lange nicht am Ende seiner Möglichkeiten"?

Huber:Über Lob freue ich mich immer und über ein Lob des Ministerpräsidenten natürlich ganz besonders. Und im Übrigen: CDU und CSU gehen gemeinsam, geschlossen und eng untergehakt in diesen Wahlkampf. Dafür steht Edmund Stoiber als unser Parteichef und dafür stehen alle, die in der CSU Verantwortung tragen. Nur mit dieser maximalen Geschlossenheit können wir unser Potential voll ausschöpfen. Dann werden wir sehen, wie das Ergebnis ist. Das Gewicht der CSU als tragende Säule der Union wird in Berlin nach der Bundestagswahl angemessen zur Geltung kommen.

Die Menschen haben bei den letzten Wahlen der CSU in unserer niederbayerischen Heimat einen überragenden Vertrauensbeweis gegeben. Ich bitte auch bei der Bundestagswahl um dieses Vertrauen, das wir mit Einsatz und harter Arbeit rechtfertigen werden. Personalentscheidungen werden getroffen, wenn die Zeit dafür reif ist.

Die Fragen stellte Dr.Hans Götzl

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