zurück

R.Kiehl: siehe dazu auch die anderen Kommentare und Artikel unter www.rki-i.com

 

28 S T ER N 3 3 / 2 0 0 4

 

Schlechte Rendite

Wo die Milliarden bleiben, die in die Arbeitslosenversicherung gezahlt werden

 

Sein ganzes Arbeitnehmerleben zahlt der normale Malocher in die Arbeitslosenversicherung. 6,5 Prozent vom Bruttogehalt - manchmal 30 Jahre und länger.  Ein schöner Batzen Geld kommt da zusammen.  Doch wer seinen Job verliert, für den reicht es gerade mal für ein Jahr Arbeitslosengeld.  Da kann doch was nicht stimmen.  Wo bleibt das viele Geld?  Die Begründung für die schlechte Rendite ist die Solidarität.  Wer gut ausgebildet ist oder in einem gesunden Unternehmen arbeitet, hat ein niedriges Risiko, den Job zu verlieren, und zahlt für schlecht ausgebildete Kollegen oder solche in Krisenbranchen mit.  Doch der Solidarausgleich ist nur ein kleiner Teil der Wahrheit.  Mehr als ein Drittel des Haushalts der Bundesagentur für Arbeit (36,7 Prozent) wird nämlich gar nicht für das Arbeitslosengeld verwendet, sondern für Politik.  "Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen" heißt das im Amtsdeutsch: Umschulung, Fortbildung und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. 20,9 Milliarden Euro gaben die Arbeitsagenturen dafür im vergangenen Jahr aus.  Das entspricht ungefähr den Haushalten der Länder Brandenburg und Sachsen Anhalt zusammen.  Aber leider, leider:

In diversen Studien haben Wissenschaftler inzwischen nachgewiesen, dass die Teilnehmer an solchen Maßnahmen danach schlechter einen Job finden als vorher.  Die vielen Milliarden nützen also nicht nur nichts.  Sie schaden.  Würden sie ersatzlos gestrichen, wofür sich viele Arbeitsmarktexperten aussprechen, könnte der Beitrag für alle um 2,4 Prozentpunkte gesenkt werden.

Das nächste Kapitel in der Geschichte von der wundersamen Geldvernichtung betrifft die "versicherungsfremden Leistungen".  Nur Arbeitnehmer zahlen in die Arbeitslosenversicherung, Beamte und Selbstständige nicht.  Mit den Beiträgen werden aber auch Aufgaben der gesamten Gesellschaft finanziert, wie die Berufsberatung für Schüler.  Würde die Arbeitslosenversicherung von solchen "versicherungsfremden" Aufgaben befreit, könnten knapp sieben Milliarden Euro pro Jahr eingespart werden; macht 0,7 Prozentpunkte weniger.  Also: Ohne Arbeitsmarktprojekte (minus 2,4) und ohne versicherungsfremde Leistungen (minus 0,7) würde der Beitrag von 6,5 Prozent auf 3,4 Prozent fast halbiert.  Natürlich ist auch die Wiedervereinigung eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft und müsste daher aus der Steuerkasse finanziert werden.  Nirgendwo ist die Umverteilung zwischen Ost und West aber so dramatisch wie in der Arbeitslosenversicherung. 2003 nahmen die Arbeitsagenturen den Arbeitnehmern im Westen 47,5 Milliarden Euro ab.  Ausgezahlt wurden im Westen aber nur 38,4 Milliarden.  Die Differenz, 9,1 Milliarden, wurde in den Osten überwiesen.  Dort zahlten alle Arbeitnehmer zusammen 3,2 Milliarden Euro Beiträge.  Die Ausgaben betrugen im Osten hingegen 18,5 Milliarden Euro.  Für einen Arbeitnehmer im Westen bedeutet das: Statt der 3,4 Prozent "echtem Versicherungsbeitrag“  müsste er nur 2,7 Prozent Beitrag zahlen und hätte denselben Versicherungsschutz wie heute mit 6,5 Prozent.  In Euro ausgedrückt: Für einen Durchschnittsverdiener im Westen mit einem Bruttogehalt von 2000 Euro im Monat könnte der Beitrag von heute 130 Euro auf 54 Euro gesenkt werden.

 

WALTER WÜLLENWEBER

 

 

 

S T ER N 3 3 / 2 0 0 4   29

 

R.Kiehl: Was haben die anderen Länder mit unserem gewachsendem Sozialstaat zu tun? Bismark schuf diesen, Adenauer führte diesen fort, Schröder und andere zerstören diesen...zugunsten einer Ellbogengesellschaft: zurück in das Neandertal...siehe dazu bitte auch die anderen Kommentare und Artikel unter www.rki-i.com: z.B.Ist der Sozialstaat noch zu retten,...

Strenge Regeln

Wie Arbeitslose im Ausland gefördert und gefordert werden

 

USA:   Arbeitslose müssen sich beeilen, etwas Neues zu finden: "Unemployment Benefits" werden nur maximal ein halbes Jahr lang gezahlt.  Ihre Höhe schwankt je nach Bundesstaat und vorherigem Einkommen zwischen 5 und 760 Dollar pro Woche.  Wer dann keinen neuen Job hat und nicht auf eigenes Vermögen zurückgreifen kann, ist auf die magere Sozialhilfe, größtenteils in Form von Lebensmittelgutscheinen, angewiesen.