Landshuter,Straubinger, 9. Oktober 2004

Nicht nur bei den kleinen Leuten kürzen

Der Bundeskanzler gab einmal zu Beginn seiner Amtszeit 1998 ein Versprechen, die Zahl der Arbeitslosen unter die 3,5-Millionengrenze bis zum Ende seiner ersten Legislaturperiode zu drücken. Sollte dies ihm nicht gelingen, wäre die Koalition es nicht wert, wieder gewählt zu werden. Wie sich dann zeigte, wurden Vorhaben wie Versprechen nicht erfüllt. Eine schlechte Konjunkturlage musste dafür herhalten.

War es nur ein leichtsinnig im Siegestaumel nach der gewonnenen 98er Wahl gegebenes Wort oder wäre es mit Kenntnis, Lebenserfahrung und Ehrlichkeit besser unterblieben? Er fühlte sich darauf genötigt, sich mit abgedroschenen Sprüchen aus der Affäre zu ziehen. Hauptsache, die Wahl war gewonnen. Und weil alles noch nicht so schlimm erschien, das System Hoffnung noch anhielt, eine Flutkatastrophe ablenkend hinzukam, langte es mit knapper Mehrheit auch noch für die darauf folgende jetzige Wahlperiode.

Vergangenheitsbehaftet, erlaubt man sich dann doch Gedanken, wie es zu den jetzigen Sachlagen bis zu Hartz IV kommen konnte; und das scheint ein langer Weg.

Während der ersten Nachkriegsjahre, als noch ein schier unbegrenzter Bedarf an Gütern herrschte, war Arbeit in Hülle und Fülle vorhanden. An vielen Arbeitsplätzen wurde den Menschen abverlangt, was heute kaum noch vorstellbar und zumutbar ist. Arbeiten, für die keine deutschen Arbeitskräfte mehr aufzulesen waren, erledigten Gastarbeiter. Die Industrie fertigte in Konkurrenz zueinander die Massenbedarfsgüter an noch mit viel Personal besetzten Fließbändern. Die Haushalte füllten sich mit Kühlschränken, Waschmaschinen, Fernsehern, Telefonen. Es rollte die Autowelle. Es herrschte eine Stimmung gemäß dem Slogan: "Es geht immer nur noch aufwärts. ".Aber jeder hätte damals wissen können, dass Wachstumskurven nicht im Himmel enden, sondern irgendwann wieder Bodenhaftung erfahren.

Die Bedarfssättigung verschärfte den Konkurrenzkampf, es kam zu Überproduktionen in nahezu allen Branchen. Trotz gehobener Qualitätsnormen blieben immer mehr altbekannte Firmennamen auf der Strecke oder gingen in Konzentrationen auf. So verwandelte sich gemächlich soziale Marktwirtschaft in Marktwirtschaft pur. Einige Industriezweige wurden bequem, verschliefen die Weiterentwicklung (Unternehmer wurden zu Unterlassern), wanderten ab Richtung Fernost. Die im Zuge der Pneumatik- und Elektronikentwicklung sich bietenden Rationalisierungsmöglichkeiten nutzten Firmen kalt, um sich aus dem Würgegriff der Gewerkschaften zu winden und wieder Luft zu verschaffen. An den Fließbändern nahmen Roboter Platz.

Es wurden in steter Folge Beratungsfinnen beauftragt mit dem Ziel, Fertigungs- und Vertriebskosten noch weiter zu drücken (man nannte das: "Ballast abwerfen"). Und jedes Mal blieb weiteres - nach und nach auch qualifizierteres Personal - auf der Strecke, das man der Nürnberger Anstalt vor die Türe stellte. Bei dem inzwischen aufgelaufenen Schuldenstand der öffentlichen Hand werden selbst die bisher so sicheren Arbeitsplätze der Beamten und im Öffentlichen Dienst in Gefahr geraten.

Die Politik ist in dieser Lage nicht zu beneiden. Aber man darf sich doch fragen, was hat sie selbst verursachend beigetragen? In dem gut bestückten Bundestag und weiteren 16 Länderparlamenten sitzen viele Abgeordnete voller "Tatendrang", der sich vielfach daran erschöpft, mit einer teuren Gesetzesmaschinerie den wuchernden Staatsapparat stets weiter zu beflügeln. Man fragt sich, was leistet die Politik nun selbst an eigenen, glaubhaften Beiträgen zu der den kleinen Leuten jetzt verordneten Rosskur? Da entdecke ich wenig Lernfähigkeit. Ich gestehe gerne, dass wir alle an dem Honig der Wohltaten in der Vergangenheit mehr oder wenig gerne mitgesaugt haben. Aber wenn es jetzt zur Sache geht, dann bitte nicht nur bei den kleinen Leuten - frei nach dem Motto: Die Treppe wird nur von oben gekehrt.

Vorausschauend wehre ich mich aber gleich gegen die zu erwartende Neidunterstellung. Wenn, wie in einer kürzlichen Fernsehsendung behauptet wurde, die Renten seien immerhin um 3,2 Prozent gestiegen, die Einkünfte der Politiker im gleichen Zeitraum nur um magere zwei Prozent, dann mache man sich dies nur kurz an den realen Zahlen klar. Was für den Rentner etwa 30 Euro sein können und kaum ein Inflationsausgleich ist, können es für den Politiker unter Umständen 200 Euro und mehr sein. Unter Beibehaltung gleicher oder nur wenig verringerter Zuwachsprozente geht die Wohlfahrtsschere doch sehr auseinander. Also, man sollte die kleinen Leute nicht für dümmer halten, als man sich selber darstellt.

HansKeller, Hoffeldweg 2, Sattelpeilnstein, 93455 Traitsching

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