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Medizin-. Mediziner können beim so genannten Knocheninfarkt mit hochenergetischen Schallwellen Knochenabbau aufhalten.

Stoßwellentherapie als Alternative zum künstlichen Hüftgelenk

VDI nachrichten, München, 19.3.04 -

Stoßwellen haben sich zur Zertrümmerung von Nieren und Gallensteinen bewährt. Jetzt werden sie von Orthopäden auch zur Behandlung von Hüftkopfnekrosen eingesetzt - mit Erfolg, wie ein Team aus Hattingen vermeldet. Bisher wird die Behandlung, die in vielen Fällen Operationen und künstliche Hüftgelenke überflüssig macht, von den Kassen aber nicht anerkannt.

Die weitgehend nebenwirkungsarme Zertrümmerung von Nieren-, Blasen-, Gallen- und neuerdings Bauchspeicheldrüsensteinen mit Stoßwellen hat sich als nicht operatives Verfahren an spezialisierten Zentren seit Jahren bewährt. Stoßwellen sind starke Druckwellen, die man hören, fühlen, ja sogar sichtbar machen kann und die beispielsweise bei einer Explosion unter Wasser entstehen.

Die Idee der extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) geht zurück auf Physiker der Flugzeugfirma Dornier. Sie untersuchten den Effekt von Regentropfen, die, wenn sie bei hoher Geschwindigkeit zum Beispiel auf Oberschalljets aufschlagen, Schockwellen auslösen und damit zu Beschädigungen führen. Interdisziplinäre Arbeitsgruppen machten das Prinzip für die Medizin nutzbar und entwickelten 1980 den ersten Lithotripter.

Bei der Stoßwellenbehandlung von Patienten mit Steinerkrankungen führen die von außen durch das Gewebe dringenden Wellen zu einer Zerbröselung des Steins, dessen Krümel der Körper nach einigen Wochen auf natürlichem Weg ausscheidet.

Es lag nahe, dass sich auch Orthopäden die risikoarme Technik zu eigen machen wurden. Bereits 1992 erprobten der Mediziner Roland Schleberger und Kollegen von der Universitätsklinik Bochum die Stoßwellen an den Bewegungsorganen. Ihr Ziel: Kalkablagerungen im Schultergelenk aufzulösen, verzögerte Knochenbruchheilungen zu behandeln sowie Schmerzen und Entzündungen zu lindern. Mittlerweile ließen sich einige tausend Patienten mit dieser Therapie von ihren Schmerzen befreien.

Seit etwa fünf Jahren lässt eine andere und umwälzende Variante dieser Technik die Fachwelt aufhorchen. Ein Arbeitsteam um den Hattinger Orthopäden Hans-Joachim Lauber und Jörn Ludwig aus Bochum hat begonnen die hochenergetischen Stoßwellen zur Behandlung der bislang unheilbaren Hüftkopfnekrose einzusetzen. Das auch als "Knocheninfarkt" bezeichnete Leiden ist eine schmerzhafte auf Röntgenbildern im Frühstadium nicht erkennbare Erkrankung.

Aufgrund mangelnder Durchblutung lässt die Nährstoffversorgung im runden Kopf des Oberschenkelknochens nach, bis das Tragwerk feiner Bälkchen im Knocheninneren - die so genannte "Spongiosa" - seine Festigkeit verliert und schließlich teilweise "zusammenbricht".

Dabei handelt es sich nicht um eine Verschleißerscheinung. Ursachen der Hüftkopfnekrose, von der hier zu Lande jährlich rund 6000 Menschen betroffen sind, können eine Vielzahl von Einzelerkrankungen wie etwa Arterienverkalkung, Stoffwechselerkrankungen oder ein Bruch aber auch übermäßiger Alkoholgenuss oder Kortisonbehandlungen sein.

Linderung können Mediziner betroffenen Patienten dann nur mit schweren operativen Eingriffen verschaffen. Am Ende des Leidensweges wenn der Zerfall der Knochensubstanz weit fortgeschritten ist - steht bisher die Enoprothese, das künstliche Hüftgelenk. Der unheilvolle Verlauf dieser Krankheit lässt sich nun ohne Skalpell mit der Stoßwellentherapie aufhalten. Joachim Lauber: "Aus neueren Untersuchungen weiß man, dass bei Knochenbrüchen, die bei Durchblutungsstörungen schlecht heilen, eine Behandlung mit Stoßwellen helfen kann. Weil Hüftkopfnekrosen aus einem ähnlichen Grund entstehen, nahmen wir an, dass die Stoßwellen-Lithotripsien auch hier helfen könnten."

Um den Knocheninfarkt von außen behandeln zu können, mussten die Mediziner allerdings dazulernen - z. B., den Oberschenkel-Kopf des Patienten millimetergenau zurechtzurücken, um die von der Hüftgelenk-Pfanne umschlossene Nekrose ins "Visier" der energiereichen Schallwellen zu bringen. Jörn Ludwig: "Die hochenergetische Stoßwellentherapie wird unter Narkose durchgeführt; wir applizieren 4000 Impulse mit einer Ladespannung von 28 kV bei einer Fokusgröße von 8 mm."Nach Angaben der Ärzte dringen die Stoßwellen bis zum lädierten Knochen vor und stoppen den Zerstörungsprozess. Vermutlich wirken sie dort wie feinste Bohrungen, denn kernspintomografische Aufnahmen von mittlerweile 250 behandelten Patienten belegen, dass nach der Behandlung die Blutzirkulation im schwammartigen Gerüstwerk der Knochenbälkchen ver bessert und das Wachstum der knochenbildenden Zellen angeregt wird.

Lauber: "Oft wird durch die Behandlung nicht nur der zerstörerische Prozess der Krankheit gestoppt. Bei vielen Patienten wächst sogar neuer Knochen nach".

Durch die Therapie wird außerdem die Dauer der Arbeitsunfähigkeit verkürzt, und die Rehabilitationszeit sowie die Kosten reduzieren sich um 80 %.

Nach Angaben der Hattinger Orthopäden ist das Verfahren ausgesprochen nebenwirkungsarm. Außer kleinsten punktförmigen Hautblutungen seien keine Komplikationen aufgetreten, betonen die Experten.

Allerdings werden Stoßwellentherapien im Bereich der Orthopädie zur Zeit noch nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Der deutsche Patient muss deshalb etwa 1700 E aus eigener Tasche berappen; ein Großteil der Privatkassen trägt jedoch die Kosten. In anderen Ländern ist das anders. So wird etwa in den USA die Stoßwellentherapie anerkannt - bisher aber auch nicht bei der Behandlung von Hüftkopfnekrosen."Schon kurios", betont Lauber", dass die Kassen schwerwiegende Eingriffe wie die operative Umstellung des Hüftgelenks finanzieren, unsere preiswertere und den Patienten praktisch nicht belastende Methode jedoch ignorieren. BODO DORRA www.lauber-platzek.com

Krankenkassen

"Die Wirksamkeit ist nicht belegt"Anders als viele Privatkassen, übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen nicht die Behandlungskosten der ESWT. "Die Analyse und Bewertung aller Stellungnahmen der wissenschaftlichen Literatur" hat ergeben, dass die Wirksamkeit und medizinische Notwendigkeit der ESWT bei den verschiedenen Indikationen nicht hinreichend belegt ist", so etwa der DAK-Sprecher Frank Meiners. Demnach wurde das Verfahren aufgrund des fehlenden Wirksamkeitsnachweises und des Fehlens von Studien mit einer ausreichenden Nachbeobachtungszeit, die die behauptete Sicherheit des Verfahrens belegen könnten, als nicht erstattungsfähig angesehen. "Wissenschaftliche Arbeiten, die nach der Beschlussfassung in 1998 veröffentlicht wurden, erbrachten keine weiterführenden Informationen." jok

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