Landshuter,Straubinger, 28.Oktober 2004

Auszahlungspraxis der Lebensversicherer auf dem Prüfstand

Verbraucherschützer kritisieren vor Verfassungsgericht "Lotterie-Spiel" –

Zypries kündigt Verbesserung an

Karlsruhe. (AP/dpa) Der Streit um die Auszahlung der nicht garantierten Überschussbeteiligungen bei Lebensversicherungen hat das Bundesverfassungsgericht erreicht. In drei Musterverfahren, über die der Erste Senat verhandelt, fordern die Betroffenen eine stärkere Beteiligung an den Überschüssen und stillen Reserven der Versicherungen. Das Urteil wird in etwa drei Monaten erwartet. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) kündigte am Mittwoch in Berlin eine Stärkung der Rechte der Versicherten an.

Bei der Anhörung in Karlsruhe äußerte der Bund der Versicherten scharfe Kritik an der mangelnden Transparenz bei Vertragsabschluss, an der Undurchsichtigkeit der Bilanzen und den mangelnden Möglichkeiten der Kunden, die Auszahlungen gerichtlich kontrollieren zu lassen.

Geschäftsführerin Lilo Blunck sagte, der Verbraucher könne sich auf kein "Lotterie-Spiel" einlassen.

Hintergrund ist, dass die Lebensversicherungen ihren Versicherten zwar garantieren, dass sie die eingezahlten Prämien plus Zinsen wieder bekommen. Die Höhe der Überschussbeteiligung und die am Ende ausbezahlte Gesamtsumme ist nach Worten des Justiziars des Bundes der Versicherten, Joachim Bluhm, jedoch eine "Wundertüte".

Laut Gesetz müssen 90 Prozent des Überschusses zeitnah an die Versicherten weitergegeben werden. Mit dem Rest dürfen die Gesellschaften stille Reserven aufbauen. In der Praxis werden nach Branchenangaben die 90 Prozent Auszahlung sogar übererfüllt. Dennoch landeten in der Vergangenheit zwei bis drei Prozent in stillen Reserven. Ob und wann diese Reserven aufgelöst werden, entscheidet das Unternehmen. Der Wert dieser Reserven ist meist nicht ersichtlich, denn bilanziert wird der Anschaffungswert. Im System ist auch ein Interessenkonflikt zwischen Versicherten und Aktionären angelegt, da Aktionäre möglichst hohe stille Reserven befürworten.

Die Lebensversicherer verteidigten vor dem Bundesverfassungsgericht ihr System. Der Hauptgeschäftsführer der Versicherungswirtschaft, Jörg Freiherr von Fürstenwerth, wies auf die dramatischen Aktienverluste seit 2001 hin. Kapital-Lebensversicherungen hätten Insolvenz anmelden müssen, wenn sie die stillen Reserven zu guten Zeiten hätten ausbezahlen müssen. Ohne diese könne es keine garantierten Leistungen mehr geben, betonte Fürstenwerth.

Umstritten blieb in der Verhandlung, ob die stillen Reserven nicht wenigstens offen gelegt werden müssten. Die Richter fragten mehrfach nach, warum Lebensversicherer ihren Kunden nicht die Informationen geben, die sie auch bei Abschluss der so genannten Riester Rente erhalten müssen.

Bundesjustizministerin Zypries unterstrich in Berlin, das geltende Versicherungsrecht selbst sei zwar verfassungsgemäß. Umstritten sei aber dessen Anwendung und Auslegung. Dennoch plane die rot-grüne Bundesregierung eine Neufassung des Gesetzes, um die Überschussbeteiligung auf einer klarere Grundlage zu stellen und damit die Verbraucherrechte zu stärken. Dazu gebe es im Versicherungsvertragsgesetz keine ausdrücklichen Vorschriften. Dies sei "rechtspolitisch unbefriedigend", erklärte die SPD-Politikerin.

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