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Lebensversicherung darf angetastet werden

Urteil: 54-jährige Langzeitarbeitslose muss Altersvorsorge angreifen - "Macht mir Angst"

Berlin. (AP/dpa) Das Berliner Landessozialgericht hat einer 54-jährigen Langzeitarbeitslosen den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe verwehrt, solange sie ihre Lebensversicherung nicht verkauft. Das Urteil gegen die seit 2001 arbeitslose Berlinerin fiel am Freitag und verweist in der Begründung auf das Sozialreformgesetz Hartz I, Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles wurde die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.

Der Rechtsstreit betrifft alle Langzeitarbeitslosen und Inhaber von Lebensversicherungen, die 2003 und 2004 Arbeitslosenhilfe beantragt haben oder beantragen. Für den konkreten Fall entschied das Gericht, dass der Klägerin nach der Änderung der Arbeitslosenhilfe-Verordnung durch die Hartz-Reform nur noch ein Freibetrag von 200 Euro pro Lebensjahr zustehe, also insgesamt 10 800 Euro. Ihre 1992 abgeschlossene Kapitallebensversicherung habe aber einen deutlich höheren Rückkaufswert. Bis Anfang 2003 hatte sie mehr als 16 000 Euro einbezahlt.

Bevor die 54-jährige Arbeitslosenhilfe beanspruchen könne, müsse sie daher ihre Altersvorsorge angreifen und sie zum Verkehrswert verkaufen. Das Reformgesetz sei gültig und könne nur vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben werden.

Bereits in der ersten Instanz war die Klägerin unterlegen. Der Vorsitzende Richter räumte ein, dass die Klägerin wegen mehrfacher Rechtsänderungen "im zeitlichen Ablauf ungünstig behandelt" werde. Bis zur Änderung der Arbeitslosenhilfe-Verordnung habe noch ein Anrechnungsbetrag von 520 Euro pro Lebensjahr gegolten. Von Januar 2005 an soll mit der geplanten Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe nach Hartz IV zum Arbeitslosengeld II wieder ein höherer Freibetrag gelten, davon 200 Euro pro Lebensjahr für private Lebensversicherungen.

Der Anwalt der Klägerin kritisierte, dass die Riester-Rente nicht auf die Arbeitslosenhilfe angerechnet werden müsse. Diese Privilegierung verstoße gegen das Gleichheitsgebot. Das Gericht erklärte dagegen, es gebe sachliche Gründe für gesonderte Behandlung der Riester-Rente.

Die Klägerin, eine alleinstehende Buchhalterin, bewohnt nach eigenen Angaben eine Ein-Zimmer-Wohnung und lebt von Darlehen einer Freundin. Seit Oktober 2001 sei sie arbeitslos. Nach Ablauf des Zeitraums für das Arbeitslosengeld habe sie Arbeitslosenhilfe vom Februar 2003 beantragt. "Ich habe unter Entbehrungen vorgesorgt und auf vieles verzichtet - auf Urlaub, auf Auto. Ich habe mir vieles nicht geleistet, um im Alter Sicherheit zu haben", sagte die Buchhalterin. Es mache ihr Angst, jetzt ohne Absicherung dazustehen. Schon frühzeitig, bevor das Thema in aller Munde gewesen sei, habe sie die Lebensversicherungen abgeschlossen. Ihr sei klar gewesen, dass sie von ihrer Rente nicht würde leben können. Zeitweise habe sie nur halbtags gearbeitet. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte habe ihr eine monatliche Rente von gut 500 Euro ausgerechnet. Sie habe bereits "unzählige Bewerbungen" geschrieben, jedoch ohne Erfolg, sagte die 54-Jährige. (AZ: L 6 AL 25/04)