25.September 2004

Abschaffung der Lernmittelfreiheit sorgt weiter für große Aufregung

SPD: Volksbegehren im Frühjahr - Deimer nennt Vorhaben kontraproduktiv

M ü n c h e n. (dpa/AP) Die von der CSU beschlossene Abschaffung der Lernmittelfreiheit in Bayern sorgt weiter für Wirbel. Kultusministerin Monika Hohlmeier (CSU), die sich am Freitag erstmals zu dem Thema äußerte, kündigte Gespräche mit den Elternverbänden an. Die SPD warf dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) erneut Wortbruch vor und kündigte ihr Volksbegehren gegen die Pläne für das kommende Frühjahr an. Kritik kam auch von Städtetagschef Josef Deimer (CSU) sowie von der ÖDP.

Hohlmeier sagte, sie werde in den kommenden 14 Tagen die Vertreter der Elternverbände einladen. Dabei wolle sie über den geplanten Gesetzentwurf informieren und dessen Ausgestaltung erörtern. Auf jeden Fall sei "eine starke soziale Komponente" vorgesehen. Zudem müßten Familien ab dem dritten Kind die Schulbücher nicht bezahlen.

Nach Angaben Hohlmeiers werden die Schulen ihre derzeit vorhandenen Bücherbestände weiter nutzen. "Die Vorstellung, daß Eltern jetzt für jede Jahrgangsstufe komplett einen neuen Büchersatz kaufen müssen, ist falsch", sagte die Ministerin.

Maget erklärte, Stoiber habe mit dem Beschluss sein Versprechen gebrochen, nicht an der Bildung zu sparen: "Die Abschaffung der Lernmittelfreiheit ist ein Anschlag auf ein soziales Grundrecht." Schon jetzt koste ein Schulkind die Eltern rund 900 Euro im Jahr. Mit den Bücherkosten kämen nochmals rund 300 Euro auf die Familien zu. Die Landtags-SPD will zunächst die parlamentarischen Möglichkeiten ausschöpfen, um die Pläne zu stoppen.

Der Vorsitzende des Bayerischen Städtetages und Landshuter Oberbürgermeister Deimer kritisierte das Vorhaben seiner eigenen Partei als kontraproduktiv. "Wir können doch nicht täglich verkünden, wie wichtig die Bildung unserer Kinder ist, und im gleichen Atemzug die Lernmittelfreiheit abschaffen", erklärte Deimer. "Im Gegenteil: Wenn der Freistaat Bayern bei der Bildungspolitik internationale Spitzenplätze erreichen will, muss er sein Engagement im Bildungsbereich verstärken."Deimer erinnerte daran, dass die OECD in ihrer jüngsten Studie bei den Bildungsausgaben erneut einen dringenden Handlungsbedarf auch in Deutschland aufgezeigt habe. Deimer gab zudem zu bedenken, dass sich das Sparvolumen von 20 bis 30 Millionen Euro, das durch die Streichung, der Lernmittelfreiheit erzielt werde, im Staatshaushalt erst hinter der zweiten Kommastelle auswirke.

Auch die konservative ÖDP meldete Kritik an. Bayern spare durch die Abschaffung der Lernmittelfreiheit bei den Familien rund 15 Millionen Euro, zugleich würden 30 Millionen Euro für die neue bayerische Landesvertretung.. in Brüssel "verprasst", rechnete ÖDP-Landesgeschäftsführer Urban Mangold vor. Mit diesem "Schloss Neuwahnstein" zeige die CSU allen Bayern, wie sehr sie sich inzwischen von christlich-sozialen Grundsätzen entfernt habe.

 

Kommentar R.Kiehl: ...Wir mußten uns unsere Lernmittel selbst besorgen – entweder von den klassenhöheren Schülern abkaufen (gebraucht: wir haben schon sehr früh gelernt mit unserem mühsam mit Zeitungsaustragen verdienten Geld sparsam umzugehen) oder aber diese wurden uns damals - als Teil einer sozial schwachen Bevölkerungsschicht von der Schule gestellt – und wir mußten diese zum Ende des Schuljahres wieder zurückgeben. Wenn Herr Magat erklärt, daß die Abschaffung der Lernmittelfreiheit ein Anschlag auf das soziale Grundrecht ist, ist mir nicht ganz klar, wie eine SPD-Regierung eine HartzIV-Reform erklären will – die Bildung unserer Kinder hat nichts, aber auch rein garnichts mit einer Lernmittelfreiheit, sprich mit Geld oder Fördermitteln zu tun...Geld ersetzt keinen Willen, keine Disziplin, kein Gehirn....Die Politik kann mit noch soviel Geld nicht die eigentlichen Probleme unserer Bildungsmisere beseitigen: Herr Magat und andere sollten lieber anfangen, sich Gedanken darüber zu machen, wo die Ursprünge dieser unserer Bildungsmisere liegen!...Er und andere haben die Realitäten vollkommen aus den Augen verloren...

CSU für Studiengebührenmöglichst schon ab 2005

Opposition dagegen -"Haushaltsgarantie" für Unis

München. (dpa/AP) Neben den Schülern will die Landtags-CSU auch die Studenten stärker zur Kasse bitten. Nach Angaben des CSU- Hochschulexperten Ludwig Spaenle sollen möglichst schon zum Wintersemester 2005/2006 Studiengebühren in Bayern eingeführt werden. SPD und Grüne lehnen die Pläne ab.

Voraussetzung für die Einführung von Studiengebühren ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das laut Spaenle Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres erwartet wird. Bayern werde danach schnellstmöglich handeln, sagte Spaenle am Freitag in München. CSU-Fraktionsvize Otmar Bernhard versicherte, die Gebühren sollten möglichst in vollem Umfang den Unis zugute kommen.

Die Landtags-SPD hat sich nach Angaben ihres Hochschulexperten Wolfgang Vogel bei ihrer Klausur in München mit eindeutiger Mehrheit gegen Studiengebühren ausgesprochen: "Das würde wieder zu mehr sozialer Auslese beitragen." Die Grünen-Hochschulexpertin Ulrike Gote sprach von "Abkassieren".

Die Landtags-CSU beschloß bei ihrer Klausurtagung im oberfränkischen Kloster Banz zudem eine "Haushaltsgarantie" für die Hochschulen bis zum Jahr 2008. Bis dahin soll der Wissenschaftsetat in keinem Fall unter die 3,8 Milliarden Euro von 2004 sinken.

Der Freistaat will in einem "Innovationspakt" mit den Hochschulen bayernweit für ein ausgewogenes Fächerspektrum sorgen und die Lehre verbessern. Mit einer radikalen Reform des Hochschulgesetzes sollen die Unis mehr Kompetenzen bekommen und künftig auch für Berufungsverfahren, Mittelvergabe und Prüfungsordnungen zuständig sein.

Auch die SPD verabschiedete bei ihrer Klausur Eckpunkte zu einer Hochschulreform, die zum Teil den Vorschlägen der CSU entsprechen. Vogel forderte eine stärkere Demokratisierung der Unis und eine Reform der Lehrerausbildung. Während des gesamten Studiums sollten angehende Lehrer zu Praktika verpflichtet werden, um ihre Eignung für den Beruf rechtzeitig austesten zu können.

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