Straubinger, 6.Dez 2004

Deutschland bei PISA zwei leicht verbessert
Schüler haben aber im Vergleich mit der Spitze noch Wissensrückstand von einem Jahr

Berlin. (dpa) Trotz leichter Verbesserungen liegen deutsche Schüler bei PISA zwei mit ihrem Wissen weiterhin ein bis eineinhalb Schuljahre hinter der internationalen Spitzengruppe. Finnland, Hongkong, Kanada, Japan und Südkorea sind die klaren Sieger beim zweiten PISA-Test, an dem über 250000 Schüler aus 40 Nationen teilnahmen. Deutschland rückt nach dem dpa vorliegenden Bericht für die Kultusministerkonferenz in allen drei Testdisziplinen leicht auf und erreicht das Mittelfeld. Am überzeugendsten gelingt dies in Mathematik. Gleichzeitig hat sich aber die Chancenungleichheit im deutschen Schulsystem verschärft.

Im diesjährigen Untersuchungsschwerpunkt Mathematik und auch in den Naturwissenschaften legten vor allem die Gymnasiasten gegenüber dem ersten Test im Jahr 2000 zu, während die Hauptschüler gleich schwach blieben. Der Unterschied zwischen guten und schwachen Schülern sowie zwischen einzelnen Schulen hat sich damit weiter vergrößert und ist nur noch in der Türkei und in Belgien größer. Auch die in Deutschland ohnehin schon ausgeprägte Abhängigkeit von Bildungserfolg und familiärer Herkunft ist noch stärker geworden.

PISA-Koordinator Andreas Schleicher erklärte, Deutschland könne nur mit einer umfassenden Bildungsreform seine Schulprobleme lösen. Wenn es künftig das "ganze Potenzial, das in den jungen Menschen steckt", ausschöpfen wolle, dann sei dies nicht mit kleinen Korrekturen am System zu erreichen.

Die Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft (GEW) sieht in den leichten Leistungsverbesserungen "keinen Grund zur Entwarnung". Mit seinen Schulen spiele Deutschland weiter "in der zweiten Liga". Es sei ein "offenes Geheimnis, dass gerade an Gymnasien für den PISA-Test fleißig trainiert und wohl auch verschärft ausgesiebt worden ist", sagte GEW-Vorstandsmitglied Marianne Demmer. Nach Aussage von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) kann es sich Deutschland nicht erlauben, alle Jahre wieder von PISA bestätigt zu bekommen", dass wir bei der Bildung im Mittelfeld stehen".

Als klarer Aufsteiger des zweiten PISA-Tests gilt Polen, das sich nach einer umfassenden Schulreform von einem der letzten Plätze in der wichtigsten Basiskompetenz Lesen und Textverständnis an Deutschland vorbei ins obere Mittelfeld vorarbeiten konnte. Die internationale Überraschung ist Hongkong, das erstmals an PISA teilnahm und gleich Sieger in Mathematik wurde.

In dem internen PISA-Bericht für die Kultusminister der Bundesrepublik wurde "eine sehr enge Koppelung" zwischen Bildungserfolg und Einkommen sowie Vorbildung der Eltern bescheinigt. Schlechte Noten in sozialer Förderung bekommen in Europa sonst noch Belgien und Ungarn. Gut jeder fünfte Schüler in Deutschland kann laut PISA auch am Ende seiner Pflichtschulzeit allenfalls auf Grundschulniveau rechnen und selbst einfachste Texte nicht verstehen.

 

Straubinger, 7.Dez 2004

Deutschlands Schüler weiter nur Mittelmaß
Bulmahn gibt sich mit Abschneiden bei Schultest nicht zufrieden – Ruf nach mehr Qualität

Berlin. (AP/dpa) Trotz geringfügiger Verbesserungen sind die Leistungen deutscher Schüler im internationalen Vergleich weiterhin nur Mittelmaß. Die 15-Jährigen erreichten bei der PISA-Studie mit Schwerpunkt Mathematik einen Mittelwert von 503 Punkten und lagen damit drei Punkte über dem OECD-Durchschnitt, wie die Organisation am Montag bekannt gab. Nach wie vor hängen in Deutschland die Bildungschancen erheblich vom sozialen Hintergrund ab.

Die Bildungsexperten kritisierten, dass damit das Leistungspotenzial eines großen Anteils junger Menschen ungenutzt bleibt. Vielen Staaten, die bei der Studie deutlich besser abschnitten, wie Finnland, Korea oder die Niederlande, gelingt es offenbar wesentlich besser, schwächere Schüler zu fördern und zu integrieren.

Insgesamt erreicht Deutschland unter 29 verglichenen OECD-Staaten bei den Naturwissenschaften 502 Punkte und in der Lesekompetenz 491 Punkte. Beim Lösen von Problemen in alltagstypischen Situationen liegen die Schüler mit 513 Punkten über dem OECD-Durchschnitt. Dies weist laut den Experten darauf hin, dass das vorhandene Potenzial in deutschen Schulen offensichtlich nur unzureichend in fachliche Kompetenz umgesetzt wird.

Im Vergleich zur ersten PISA-Studie wurden die stärksten Leistungszuwächse bei Gymnasien festgestellt. Hauptschulen schnitten weiterhin schlecht ab. Zudem wird dem deutschen Schulsystem erneut eine hohe soziale Selektivität bescheinigt: Nur in Ungarn, Belgien und Portugal haben Kinder aus sozial benachteiligten Familien und Zuwandererkinder ähnlich schlechte Bildungschancen wie in Deutschland. Die Experten bescheinigen deutschen Schulen außerdem wesentlich geringere Gestaltungsfreiräume als in anderen OECD-Ländern. Deutschland kann sich nach den Worten von Bildungsministerin Edelgard Bulmahn mit seinem mittelmäßigen Abschneiden nicht zufrieden geben. "Die Schüler in Deutschland brauchen einen besseren Unterricht, bessere Betreuung und eine bessere individuelle Förderung", sagte Bulmahn. "Wir dürfen nicht länger Kinder aussortieren und den schlechten Schülern keine Chance geben." Dass jeder fünfte Schüler in Deutschland nicht richtig lesen und schreiben lerne und mehr als zehn Prozent nicht einmal die Hauptschule abschließe, "kann uns nicht ruhen lassen", erklärte die SPD-Politikerin.

Bundesfamilienministerin Renate Schmidt zeigte wenig Hoffnung, dass sich am schlechten Abschneiden Deutschlands in naher Zukunft etwas ändert. Sie nannte Zersplitterung und mangelnde Bereitschaft zur Veränderung als Ursachen. "In fünf Jahren fünf Plätze nach vorne, das ist ein realistisches Ziel", sagte sie.

Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung und Forschung, Ulrike Flach, machte das späte Einschulen in Deutschland für das mittelmäßige PISA-Ergebnis verantwortlich. Die bayerische Kultusministerin Monika Hohlmeier sagte in einem Interview: "Entscheidend ist, dass wir die Qualität des Unterrichts voranbringen."

R.Kiehl: Vielleicht darf ich zu diesen Anmerkungen einen kurzen Ausschnitt der "Geschichte" meiner Ausbildung als Kommentar anführen. Ich wurde im Oktober 1947 im fast vollständig zerstörten Ludwigshafen geboren, zu einer Zeit, da jeder damit beschäftigt war, das zerstörte Land wieder aufzubauen: Mein Vater als Beschäftigter einer Gießerei, meine Mutter mit Putzarbeiten zum Aufbessern seines kärglichen Gehaltes. Wir als Kinder beschäftigten uns zwischen den Ruinen selbst oder halfen ebenfalls mit, z.B. mit dem Austragen von Zeitungen. Einen Kindergarten konnten wir nicht besuchen, mangels Möglichkeit.
Kurz vor meiner Einschulung im sechsten Lebensjahr erkrankte ich schwer an Keuchhusten, war fast am Ersticken und nach über einem halbem Jahr glücklich diese schwere Krankheit überlebt zu haben. Eingeschult wurde ich dann erst mit 7. Die ersten Jahre an der damaligen Volksschule war ich ein mehr schlechter als guter Schüler mit Noten um 3 oder 4. In der sechsten Klasse schließlich bekam ich von einem Mitschüler einige Komics, darunter Sigurd oder Tarzan-Hefte, welche ich mit Interesse trotz des Verbotes durch meinen Vater - und mit entsprechender Sehschwäche jetzt - verschlang: Im Endeffekt eben mit der Taschenlampe unter dem Kopfkissen...dies war der Beginn meines Interessses für Bücher allgemein, welche ich mir dann kistenweise nach hause schleppte und ebenfalls zu mir nahm. Der Erfolg, ich war innerhalb eines halben Jahres auf einem Notenschnitt von 1.0...meine Lehrer und der evangelische Pfarrer baff...
In der Folgezeit bemühte sich vor allem der Pfarrer, mich auf eine weiterführende Schule zu bringen: Es gab damals nur eine Möglichkeit, nämlich ein Internat zu besuchen. Da dies von meinen Eltern finanziell natürlich nicht zu verkraften war, wurde dies im Endeffekt durch die evangelische Kirche möglich und zwar im Einverständnis aller, auch von mir. Dafür sollte ich dann Pfarrer (oder Lehrer) werden.
Die ersten Jahre der Internatszeit verliefen dann im Prinzip ohne Probleme mit guten Noten, viel Sport und Kameradschaft, Morgenandacht und Kirchgang...Probleme gab es für mich nur, als ich wiederholt gebeten wurde, vor allem in Mathe, mich zurückzuhalten und die anderen Schüler, welche nicht so schnell waren wie ich, auch zu Wort kommen zu lassen...was mich in meinem Elan erheblich hinderte. Das größte Problem erwuchs mir dann, als wir mit Französisch starteten: Meine Lehrerin hielt mir laufend Mathe vor Augen und meinte vor allen Schülern, wenn man so gut in Mathe wäre, müßte man auch so gut in Französisch sein, was mich jedesmal zur Weißglut und Raserei brachte und im Endeffekt zur Totalverweigerung. Dazu kam, daß mir mein Vater andauernd, wenn er mich über einem Buch erwischte, meinte, ich solle endlich etwas arbeiten! Zum Glück bekam ich irgendwann zur rechten Zeit ein Prospekt der BASF zur Hand, in dem für ein Ingenieurausbildungsberuf mit entsprechender Vergütung geworben wurde, was mir gefiel und ich demgemäß in der Folgezeit alles daran setzte, diese Ausbildung zu beginnen.
Zwei Jahre wechselnd in den Ausbildungswerkstätten und Labors wie auch Technika und Teilbetrieben der BASF: Ich war in den praktischen Tätigkeiten wiederum so gut, daß mich die Ausbilder der Werkstätten zum Ausbilder machen und behalten wollten,...in einem organischen Synthese-Labor widersprach ich mit Recht und Nachweis dem Leiter bei einigen Synthesen, was mir dieser in der Folgezeit sehr übel nahm...diese meine "Sturheit" oder "Rechthaberei" oder auch Zivilcourage – je nachdem aus welcher Sicht betrachtet, sollte mir bis zum heutigen Tag treu bleiben und meinen Weg bestimmen - ...

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