VDI 10.September 2004

Umwelt: Belastung der Anwohner von Industrieanlagen erstmals sauber nachgewiesen

Gift in der Luft ist nicht einfach verpufft

Eine vom nordrhein-westfälischen Umweltministerium in Auftrag gegebene Studie hat erstmals einen direkten Zusammenhang zwischen der Nähe des Wohnortes zu einer Industrieanlage und der Belastung der Anwohner durch Schadstoffe nachgewiesen.

An drei Standorten, den so genannten "Hot Spots" in Duisburg-Süd, Duisburg-Nord und Dortmund-Hörde, wurden Kinder und deren Mütter bei der Einschulungsuntersuchung auf typische Krankheitsbilder und Schadstoffbelastungen untersucht. Das Ergebnis: Je näher die Untersuchten an der Industrieanlage wohnten, umso eher konnten giftige Stoffe in erhöhter Konzentration im Körper nachgewiesen werden und umso häufiger traten Allergien und Atemwegs-Erkrankungen auf

NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn: "Ein solcher Zusammenhang wurde schon lange vermutet, kann mit dieser Studie aber nun zum ersten Mal unwissenschaftlich nachgewiesen werden. Wir haben die Daten der medizinischen Untersuchungen mit den Adressen der untersuchten Personen abgeglichen und können nun eindeutig belegen, dass die Belastungen in unmittelbarer Nachbarschaft der Industrieanlagen viel höher sind, als ein paar Kilometer davon entfernt. Dabei konnten im Körper gefundene Schadstoffe und die auftretenden Gesundheitsprobleme der Produktion in der nahen Anlage zugeordnet werden."

Im Duisburger Norden stand mit der mittlerweile geschlossenen Kokerei in Duisburg-Bruckhausen ein Industriebetrieb mit hohen Benzolemissionen und einem hohen Ausstoß von polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK). Hier konnte im Urin der an der Studie Teilnehmenden eine erhöhte Konzentration von kokereispezifischen Schadstoffen bzw. ihrer Abbauprodukte im Körper gemessen werden.

Im Duisburger Süden wurde bei den untersuchten Kindern und Müttern eine erhöhte Blei- und Cadmiumbelastung festgestellt. Dort gibt es Metall verarbeitende Betriebe, die bei ihrer Produktion eben diese Schadstoffe freisetzen. In Dortmund-Hörde traten im Umfeld des ehemaligen Stahlwerks Phoenix-Ost gehäuft Beschwerden der Atemwege und Allergien auf. Die Bevölkerung in diesem Stadtteil wurde über Jahre durch Staubwolken belästigt.

Zwar mussten die an den Hot Spots untersuchten Kinder und Mütter nicht unmittelbar ärztlich behandelt werden, trotzdem ist die Belastung mit Schadstoffen eindeutig höher als bei der Vergleichsgruppe im ländlichen Borken.

Ministerin Höhn dazu: "Die Ergebnisse dieser Studie lassen Rückschlüsse auf andere industrielle Hot Spots in Nordrhein-Westfalen zu. Die Produktionsbedingungen sind zwar überall anders und die Zusammensetzung der freigesetzten Schadstoffe kann stark variieren, ich gehe aber davon aus, dass wir bei ähnlichen Untersuchungen an Anlagen wie in Duisburg oder Dortmund immer zu dem selben Ergebnis kommen, nämlich dass die Belastung der Anwohner in unmittelbarer Nähe der Produktionsstätte am höchsten ist. Vor dem Hintergrund unserer Studie zeigt sich einmal mehr, dass Umweltchutz vorbeugender Gesundheitschutz ist. Dies gilt besonders bei Substanzen, die im Verdacht stehen, Krebs erregend zu sein."

Während das Stahlwerk in Dortmund inzwischen stillgelegt ist und die alte Kokerei im Norden von Duisburg durch eine neue ersetzt wurde, gibt es vor allem im Duisburger Süden noch deutlich erhöhte Luftbelastungen. In Duisburg gibt es schon seit 1997 einen Sonder-Luftreinhalteplan, durch den in den letzten Jahren unter anderem bereits die Dioxinbelastung in der Luft im Süden Duisburgs um 95 % gesenkt werden konnte. Im Duisburger Norden greift neben diesem Luftreinhalteplan zusätzlich noch eine freiwillige Vereinbarung zwischen dem Umweltministerium und Thyssen Krupp Stahl, die 21 Einzelmaßnahmen zur Verminderung der Emissionen enthält, von denen 19 bereits umgesetzt sind.

Umweltministerin Bärbel Höhn: "Die Ergebnisse der Hot-Spot-Studie zeigen, dass Belastungsschwerpunkte auch in Zukunft angegangen werden müssen, um die gesundheitliche Situation der dort lebenden Menschen zu verbessern. Daher wird das Umweltministerium weiter an der Verbesserung der Luftqualität arbeiten. Die EU kommt uns dabei mit verschärften Grenzwerten für Immissionen entgegen und gibt uns mit den Luftreinhalteplänen ein gutes Instrument an die Hand, den umweltbezogenen Gesundheitsschutz weiter voranzubringen. Aber auch die Unternehmen stehen in der Pflicht, denn die Studie zeigt, dass Produktionsstätten langfristig nur dann eine Chance haben, wenn durch sie die Bevölkerung nicht übermäßig belastet wird."

Die Hot-Spot-Studie wurde im Auftrag des Umweltministeriums von der Abteilung für Hygiene, Sozial- und Umweltmedizin der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt. Eng zusammengearbeitet wurde dabei mit dem Landesumweltamt sowie den Bürgerinitiativen der betroffenen Stadtteile.

Für die Kinder und Mütter, die sich an der Studie beteiligt haben, hat das Umweltministerium zudem eine individuelle Beratung angeboten. Ihnen wurde die Möglichkeit gegeben, sich ihre persönlichem Ergebnisse erklären zu lassen und mit Umweltmedizinern über deren Bedeutung und Folgen zu sprechen. Dabei wurden sie auch über die Folgen von Mehrfachbelastungen aufgeklärt, etwa über die Zunahme von Krankheitsrisiken, wenn die Kinder zusätzlich durch Passivrauchen oder Emissionen verkehrsreicher Straßen belastet sind.

Für die Bewohner der betroffenen Stadtteile bietet das Umweltministerium demnächst noch spezielle Informationsveranstaltungen an. mu/wip

R.Kiehl: Kein weiterer Kommentar....Siehe dazu bitte die Dateien des RKI-Institutes unter www.rki-i.com, Publikationen, Materialien: Buch-Kapitel mit Powerpoint-Präsentationen, usw...

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