Straubinger, 23.Febr2006
In der Muttermilch sind immer mehr Schadstoffe
Gestillte Kinder stärker belastet als Flaschenkinder

In der Muttermilch werden immer mehr Schadstoffe gefunden. Über 300 Industriechemikalien ließen sich nachweisen, erklärte die Umweltorganisation Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) am Dienstag in Berlin.

Während die Belastung mit giftigen Substanzen wie PCB, DDT und Dioxinen auf Grund von Verboten zurückgehe, würden immer mehr neue gefährliche Stoffgruppen wie Weichmacher, Flammschutzmittel und Duftstoffe entdeckt. Die Organisation forderte eine Reform der europäischen Chemikalienpolitik. Die BUND-Analyse basiert auf einer Zusammenfassung aktueller Untersuchungen hauptsächlich in Deutschland und Europa. Noch im Alter von neun bis elf Jahren seien gestillte Kinder zu 20 Prozent höher belastet als Kinder gleichen Alters, die mit der Flasche ernährt wurden, sagte BUND-Chemieexpertin Patricia Cameron. Für bestimmte Chemikalien, etwa Duftstoffe, gebe es noch nicht einmal Grenzwerte.

Trotz der Belastungen in der Muttermilch spricht sich der BUND für das Stillen aus. "Wir schließen uns der Empfehlung der Nationalen Stillkommission an", sagte die BUND-Vorsitzende Angelika Zahrnt. Schadstoffe hätten aber in der Muttermilch nichts zu suchen. "Das Reinheitsgebot muss auch für Muttermilch gelten", sagte Zahrnt. (AP)

Forschungen zur Lungenreifung
Kortison soll als Wirkstoff abgelöst werden

Bei einer drohenden Frühgeburt sollen künftig neue Wirkstoffe die Lungenreifung des Kindes bereits während der Schwangerschaft beschleunigen. Bisher versuchte man diesen Effekt mit Kortison zu erzielen, was jedoch nicht immer erfolgreich war und zum Teil schwere Nebenwirkungen beim Neugeborenen verursachte, wie die Experten der Universität und des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie mitteilten. Wenn die Lunge Frühgeborener bei der Geburt noch unreif ist, fallen den Angaben zufolge die Lungenbläschen nach der Geburt häufig in sich zusammen. Der Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid zwischen Blut und Atemluft werde dadurch erschwert oder gar unmöglich gemacht. Die derzeitige Behandlung solcher "Frühchen" beschränke sich auf die künstliche Beatmung und die Anwendung stabilisierender Substanzen im Beatmungsschlauch. Bisher sei noch unklar, wie Kortison in die molekularen Prozesse der Lungenreifung eingreife.

Deshalb wollen die Wissenschaftler untersuchen, wie die Lungenentwicklung im Embryo durch die Gene gesteuert wird und was das Kortison in diesem molekularen Prozesse bewirkt. Fernziel der Verbundforschung ist die Entwicklung von Wirkstoffen, die zwar die Lungenentwicklung gezielt fördert, nicht aber die Nebenwirkungen des Kortisons aufwiesen, wie die Universität mitteilte.

In die Entwicklung von Medikamenten sollen auch Erkenntnisse aus der Forschung an der Fruchtfliege "Drosophila" einfließen. Dazu würden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den molekularen Mechanismen der Tracheen- beziehungsweise Lungenreifung bei Insekten und auch Säugetieren herausgearbeitet. (AP)

 

DIE WELT, 21.Febr2006
Arznei gegen Hyperaktivität soll Infarktrisiko steigern

Berlin - US-Herzspezialisten haben die amerikanische Zulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) aufgefordert, Patienten auf Herzrisiken bei der Einnahme von Medikamenten gegen das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS) hinzuweisen. Gemeint sind Medikamente mit den Wirkstoffen Amphetamin, Dextroamphetamin und Methylphenidat.

In den USA werden diese Medikamente mittlerweile täglich von 2,5 Millionen Kindern und 1,5 Millionen Erwachsenen geschluckt. Jetzt stehen sie im Verdacht, 25 plötzliche Todesfälle und 54 nicht tödliche Herzerkrankungen ausgelöst zu haben. Die FDA erkennt zwar keinen Zusammenhang zwischen der Medikamenteneinnahme und den Zwischenfällen. Die Herzspezialisten beharren jedoch auf einem erhöhten Risiko für Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall, das mit der Einnahme des Medikamentes einhergehe. Die FDA will jetzt ein weiteres Gutachterteam aus Kinderärzten und Psychologen hinzuziehen.

Die ADHS-Medikamente erfreuen sich auch hierzulande wachsender Beliebtheit. Einer Statistik des Berliner Robert-Koch-Instituts zufolge rückte das Novartis-Präparat Ritalin (Wirkstoff Methylphenidat) in Deutschland vom Verordnungsrang Nummer 2230 im Jahr 1990 auf Rang Nummer 120 im Jahr 2000. Die Zahl der Tagesdosen stieg in zehn Jahren von 0,2 auf 13,5 Millionen. Die Bundesopiumstelle wies eine Konsumsteigerung von Ritalin und vergleichbaren Präparaten um 270 Prozent für den Zeitraum 1997 bis 2000 aus. Bvl

R.Kiehl:...Man macht die gesamte Bevölkerung zu Drogenabhängigen, anstatt Alternativen - wie meine Arbeit, siehe Publikationsliste und "zum RKI-Institute (Start-Seite)" zu unterstützen: Ein Beweis mehr, daß freie Wissenschaft und Forschung fast nicht mehr existiert, sondern nur noch wirtschaftliche Interessen zählen! Eine Pharma-Pille bringt eben mehr als natürliche Stoffe oder Psychotherapie...Ein Vertreter einer großen Pharmafirma sagte mir einmal "uns bringt eine natürliche Therapie rein gar nichts, wir müssen Pillen verkaufen..., welchen Wirkstoff können Sie uns anbieten"? Haben Sie einen Wirkstoff, den wir verkaufen können, unterstützen wir Ihre Arbeit, sonst nicht...

 

DIE WELT, 20.Febr2006
Medikamente aus dem Meer
Gift der Kegelschnecke als Schmerzmittel - Wirkstoff aus Manteltierchen gegen Krebs - 20 Substanzen in der klinischen Prüfung
VON NICOLA KUHRT..............................................................................

Frederick - Die kleine Kegelschnekke Conus magus ist ein echter Star. Ihr Gift, für Fische absolut tödlich, ist der erste Wirkstoff aus dem Meer, der es bis zum Medikament geschafft hat. Unter dem Handelsnamen Prialt ist der synthetische Nachbau seit kurzem auf dem Markt. Daß dem neuartigen Schmerzmittel noch viele weitere Arzneien direkt aus den 'liefen des Meeres folgen werden, davon sind Naturstofforscher überzeugt."Wir haben erst an der Oberfläche gekratzt", sagt David Newman vom National Cancer Institute in Frederick (Maryland). Seit vielen Jahren wird dort intensiv untersucht, was man mit den Substanzen tun kann, die in Schwämmen, Algen oder Muscheln stecken. 15 000 marine Wirkstoffe hat man bisher weltweit entdeckt, rund 80 Prozent von ihnen zeigen eine Wirkung gegen Krebs. Andere Zellgifte und Substanzen sind antibakteriell, antiviral oder entzündungshemmend. Viele Substanzen stammen aus Schwämmen. Diese Meeresbewohner leben meist festverankert an Felsen. Sie können nicht fliehen und müssen sich also anders vor Freßfeinden und gegen - Algenbewuchs schützen - daher hat sie die Natur gleich mit einem ganzen Arsenal äußerst wirksamer Gifte und Abwehrstoff e ausgestattet.

Das nächste Mittel, das aus dem Meeresfundus auf den Markt kommen könnte, ist Yondelis, ein aus dem Manteltierchen Ectainascidia turbinata gewonnenes Mittel. Es stoppt das Tumorwachstum. Das Medikament des spanischen Unternehmens Pharmamar durchläuft gerade die letzte klinische Prüfungsphase. In der EU und den USA ist es bereits als "Arzneimittel gegen eine seltene Krankheit" anerkannt worden (sogenannter Orphan-Status). Bei besonders seltenen Fällen von Eierstockkrebs ist es schon in der Anwendung.

Weitere 20 marine Wirkstoffe werden derzeit weltweit klinisch geprüft und könnten in den nächsten Jahren zugelassen werden. Als vielversprechend gilt etwa die Substanz E7389, gewonnen aus der in einem Schwamm entdeckten Substanz Halichondrin B. In Studien zeigt das Mittel, entwickelt vom japanischen Unternehmen Eisai, eine effektive Wirkung gegen Brustkrebs. Aus Deutschland kommt. das Sorbicillacton, das in präklinischen Studien seine Wirkung gegen Leukämiezellen zeigte. Entwickelt wird es am Kompetenzzentrum "Biotecmarin", in dem Forscher aus sechs deutschen Universitäten zusammenarbeiten. Entdeckt hatte man das Anti-Krebs-Mittel in einem Pilz der aus dem Mittelmeerschwamm Ircinia fasciculata isoliert werden konnte. Außerdem arbeitet Biotecmarin mit dem Häuschenschwamm. In ihm entdeckten die Forscher einen Stoff, der jene Blutgefäße kappt, die Tumoren am Leben erhalten.

Leider reicht es aber nicht aus, die Substanz nur zu kennen, aus der ein Medikament werden soll. "Die Krux an den marinen Stoffen ist der Nachschub", sagt Biologe Peter Proksch von Biotecmarin. Beispiel: Das Moostierchen Bugula neritina. Es enthält eine sehr effektive Substanz, die gegen Krebs hilft. Eine Tonne dieses seltenen Gewächses mußte geerntet werden, um daraus 100 Milligramm der heilenden Substanz zu erhalten. Das ist weder ökologisch noch wirtschaftlich sinnvoll.

Die Wissenschaftler versuchen daher effektiver an die Schätze der Meeresbewohner zu gelangen. Ein Ansatz, der neben der Aquakultur und der Synthese im Labor immer stärker favorisiert wird, ist die biotechnische Produktion. An dieser Variante arbeitet etwa Jörn Piel, Professor für Organische Chemie an der Universität Bonn. Grundlage der Arbeit ist das Bakterium des Steinschwamms Theonella swinhoei, für das eine Anti-Tumor-Aktivität nachgewiesen wurde. Der Wirkstoff, Onnamid genannt, läßt sich bisher nur in geringen Mengen aus dem Schwamm gewinnen, da das Bakterium selbst nicht kultivierbar ist. Der Gruppe um Jörn Piel ist es gelungen, die Gene, die für die Onnamid-Produktion verantwortlich sind, zu identifizieren und zu klonieren. Somit lassen sich diese in andere Bakterien einsetzen, die dann den Wirkstoff in gewünschter Menge produzieren könnten. An der Übertragung der Gen-Information arbeitet Piel derzeit, in wenigen Monaten werden erste Ergebnisse erwartet. Noch gilt dieser hoffnungsvolle Ansatz allerdings nur bei den Mikroorganismen als möglich, bei denen die Gene, welche die wichtigen Wirkstoffe kodieren, nebeneinander auf dem Chromosom vorliegen.

Bis sich die Meeresapotheke richtig füllt, ist noch viel Forschung notwendig, sagt auch Peter Proksch und fordert ein bißchen mehr Geduld für sein Fach. "Quellen auf dem Land werden bereits seit zwei Jahrhunderten intensiv nach Substanzen erforscht, das Meer erst seit rund 30 Jahren."

Marine Arzneimittelforschung in Deutschland

In Deutschland wird die Suche nach marinen Wirkstoffen seit rund zehn Jahren intensiver betrieben. Mit rund 22 Millionen Euro unterstützte das Bundesforschungsministerium seit 1998 insgesamt 59 Einzelprojekte wie Biotecmarin, 14 Millionen kamen aus der Industrie dazu. Eine weitere Förderung gilt nun aber als unwahrscheinlich, was viele der beteiligten Forscher als kurzsichtig kritisieren. "Die Arbeit ist sehr zeitaufwendig", sagt Walter Michaelis vom Institut für Biogeochemie und Meereschemie der Universität Hamburg. Er ist Koordinator des Forschungsprojekts Bosman, bei dem sechs Uni-Teams und zwei Industriepartner Schwämme und Mikroorganismen aus norwegischen Gewässern untersucht haben. 20 potentielle Wirkstoffe wurden ausgemacht, die nun genauer untersucht werden sollten. "Dazu fehlen jetzt aber die Mittel", so Michaelis. Drei Jahre lang haben die Pharmakologin Ulrike Lindequist und der Mikrobiologe Frieder Schauer von den Universitäten Rostock und Greifswald über 300 Algen, Schnekken, Muscheln und Würmer aus der Ostsee und dem Roten Meer auf ihren Gehalt aktiver Biosubstanzen untersucht. Ergebnis des mit drei Millionen Euro von der EU geförderten Projekts: eine Creme aus Algenwirkstoffen, die der Hautalterung entgegenwirkt und ein bei der Miesmuschel abgeschauter Proteinkleber, der innere Verletzungen und Operationswunden künftig besser heilen lassen soll. Die Haftkraft des kopierten Muschel-Leims konnte dabei durch Beimischung von Enzymen, gewonnen aus Pilzen des Zinnoberschwamms, deutlich erhöht werden. Besonders die in den Pilzen entdeckten Enzyme seien vielversprechend, so Schauer. Man könnte sie etwa an Penicillin koppeln und so neue Antibiotika synthetisieren, die gegen resistente Bakterien wieder wirksam sind.

Auch in Schleswig-Holstein will man verstärkt mit Substanzen aus der Tiefsee forschen. In Kiel entsteht das "Zentrum für marine Wirkstoff-Forschung". Dafür stellt das Land zwei Millionen Euro bereit. Erforscht werden sollen Potentiale mariner Wirkstoffe und vor allem, wie man diese schnell in den Markt bringen kann. Angegliedert an das Leibniz-Institut für Meereswissenschaften IFM-Geomar in Kiel, sollen hier bis zu 15 Forscher arbeiten. nik

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