Straubinger, 24.03.06
EU-Staaten streiten über gemeinsame Energiepolitik
Egoismen dominieren auf dem Frühjahrsgipfel in Brüssel - Bundeskanzlerin Merkel ist gegen die Abschottung nationaler Märkte in Europa - Chirac sorgt für einen Eklat

Brüssel. (dpa/AP) Auf die dramatisch gestiegenen Öl- und Gaspreise finden die Mitgliedstaaten der Europäischen Union keine gemeinsame Antwort. Wie sich zu Beginn des EU-Frühjahrsgipfels am Donnerstagabend in Brüssel zeigte, scheitert eine gemeinsame EU-Politik weiter an nationalen Egoismen. Zentrale Forderungen der EU-Kommission, auch wegen der großen Abhängigkeit von Lieferanten wie Russland gemeinsam in der Energiepolitik zu handeln, stießen auch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Ablehnung.

Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi musste eine Schlappe einstecken, da eine von ihm vorgeschlagene Erklärung gegen nationale Hürden bei Fusionen auf dem Energiemarkt keine Unterstützung fand. Berlusconi ist verärgert, über den Versuch Frankreichs, den Kauf des französischen Energieunternehmens Suez durch den italienischen Konkurrenten ENEL zu verhindern.

Auch wenn sich Deutschland nicht hinter die italienische Initiative stellte, sprach sich Merkel gegen die Abschottung der nationalen Energiemärkte in Europa aus. Am Rande eines Treffens konservativer und christlich orientierter Spitzenpolitiker bei Brüssel sagte sie, auf dem Energiemarkt müsse es möglich sein, "europäische Champions" zu bilden. Der deutsche Konzern E.ON versucht derzeit, den spanischen Konkurrenten Endesa zu kaufen. Die spanische Regierung stellt sich dagegen.

Merkel wies in der Sitzung auch auf Missstände in den europäischen Stromnetzen hin. So sei es nicht immer möglich, Strom länderübergreifend zu liefern, um eventuelle Engpässe auszugleichen. "Die Energienetze sind aber der Blutkreislauf der Industrienationen", sagte sie.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Josep Borrell, plädierte für mehr Wettbewerb auf Europas Energiemärkten zu Gunsten der Verbraucher. Eine gemeinsame Energiepolitik sei genauso erforderlich wie in den 50er Jahren eine gemeinsame EU-Agrarpolitik, sagte Borrell nach dem traditionellen Treffen mit der Gipfelrunde.

Luxemburgs Premierminister Juncker wandte sich gegen einen "französischen Patriotismus" in dieser Frage. Dies werde keine Zukunft haben. Es müsse in Energiefragen eine europäische Außenpolitik geben. Merkel sollte am Abend auf Bitten von Österreichs Kanzler, dem EU-Ratspräsidenten Wolfgang Schüssel, einen Grundsatzvortrag zu dem Thema Energie halten.

Weiteres zentrales Thema des Treffens waren die gemeinsamen Anstrengungen, für mehr Wachstum und Beschäftigung zu sorgen. Nach Einschätzung von Schüssel können in der EU pro Jahr zwei Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden, wenn die 25 Mitgliedsländer ihren Etat Forschung und Bildung von bisher zwei auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufstocken würden. Sollte die Gipfelrunde dem zustimmen, könnten so jährlich Mittel in Höhe von 100 Milliarden Euro frei gemacht werden, sagte er.

Auf dem EU-Gipfel ist es derweil am Donnerstagabend beim Vortrag des Präsidenten der europäischen Arbeitgeber zu einem Eklat gekommen. Der Franzose Ernest-Antoine Seilliere präsentierte seinen Beitrag in englischer Sprache, woraufhin die französische Delegation angeführt von Staatspräsident Jacques Chirac aus Protest den Saal verließ, wie Teilnehmerkreise berichteten. Außenminister Douste-Blazy und Wirtschafts- und Finanzminister Breton folgten dem Präsidenten. Erst nachdem Seilliere seinen Vortrag beendet hatte, kamen sie zurück. In Delegationskreisen hieß es, Chirac habe nur ein Zeichen für die französische Sprache setzen wollen.

R.Kiehl: ...die europäische Sprache ist englisch, Herr Präsident des förderalistischen Staates der EU = Frankreich..,..............Fraternity, Egality, Liberte...........

Einbürgerung soll einheitlich geregelt werden
Aber weiter Streit um Fragebögen - Die sechs größten EU-Staaten streben Integrationsvertrag an

Berlin/Heiligendamm. (AP/dpa) Im Streit um das Verfahren zur Einbürgerung von Ausländern zeichnet sich eine bundeseinheitliche Lösung ab. Allerdings gibt es nach wie vor Streit, wie Wissen und Gewissen künftiger Deutscher Staatsbürger überprüft werden sollten. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ließ jedoch erkennen, dass die Pläne Hessens und Baden-Württembergs, hierfür einen Fragebögen einzuführen, für ihn nicht die einzige Lösung darstellen.

Schäuble nannte es vielmehr vordringlich, dass es zu einer bundeseinheitlichen Regelung kommt. Diese könne dann Tests oder Kurse oder einen Gesprächsleitfaden vorsehen.

Wichtig sei, dass die Einbürgerungswilligen bereit seien, sich in Deutschland zu integrieren und seine Ordnung zu akzeptieren, und dass sie Ahnung von dem Land hätten. Sonst sei ein friedliches und tolerantes Zusammenleben nicht möglich. Auch der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck, sprach sich für eine bundeseinheitliehe Regelung aus. Den Wissenstest für Ausländer lehnte er jedoch ab.

Der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) deutete ebenfalls die Bereitschaft seiner Partei an, ein bundeseinheitliches Einbürgerungsverfahren auf den Weg zu bringen. Hierzu müssten Unionsparteien und SPD eine einvernehmliche Regelung finden.

Nach den Worten des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiher wäre das amerikanische Modell eine Möglichkeit. Wenn jemand Deutscher werden wolle, sei das nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine gesellschaftliche Frage. "Wer bei uns leben will, muss sich zu unseren Grundsätzen, zu unserer Identität und unserer Geschichte bekennen." Länder wie die USA seien mit Tests und Prüfungen gut gefahren.

Auf europäischer Ebene peilen die sechs größten EU-Staaten zusätzlich zu möglichen Einbürgerungstests einen Integrationsvertrag für alle Einwanderer an. Die Innenminister der EU-Staaten beschlossen bei einem Treffen im Ostseebad Heiligendamm die Einrichtung einer Expertengruppe, die einen entsprechenden französischen Vorschlag prüfen und Inhalte erarbeiten soll. In dem Vertrag könnten die Rechte und Pflichten von Zuwanderern festgeschrieben werden, sagte Schäuble.

Zudem wollen die Innenminister der großen EU-Länder die Außengrenzen der Union sicherer machen und den Terrorismus stärker bekämpfen. Gemeinsame Errnittlungsteams mit Fahndern der so genannten G6-Staaten sollen Menschenschmugglern an Europas Grenzen künftig das Handwerk legen. Die Innenminister vereinbarten dazu eine Verknüpfung ihrer nationalen Zentren zum Kampf gegen illegale Einwanderung.

Wegen der unveränderten Bedrohung müsse die Bekämpfung des intemationalen Terrorismus' mit aller Intensität fortgesetzt werden, betonten die Innenminister. Dazu sollen Fähnder in den Terrorabwehrzentren der Partnerländer hospitieren, um den Erfahrungsaustausch zu verbessern. Eine wichtige Rolle dabei spiele auch Interpol und die Analyse von Informationen aus dem Internet.

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