Umwelt: Überraschende Entdeckung stellt Lehrmeinung der Wissenschaft bei Klimaschutz in Frage
Treibhaus Erde - auch Pfanzen heizen ein
VDI nachrichten, Heidelberg, 27. 1. 06, swe -

Pflanzen produzieren Methan und sind für 10 % bis 30 % der Konzentration dieses Treibhausgases in der Atmosphäre verantwortlich. Die Erkenntnis ist überraschend. Bislang glaubten Forscher, dass Methan nur unter Ausschluss von Sauerstoff, so im Boden von Sümpfen und Reisfeldern oder in Gärmägen von Wiederkäuern, entsteht. Nun fand eine Gruppe um Frank Keppier vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik heraus, dass Pflanzen selbst Methan bilden - sogar in sauerstoffreicher Umgebung.

Kepplers Entdeckung, erstmals berichtet vom Wissenschaftsmagazin Nature, ist nicht nur für Pflanzenforscher interessant. Methan ist neben CO2 das zweitwichtigste Treibhausgas. Es trägt beträchtlich zur globalen Erwärmung bei. Wenn Pflanzen einen so deutlichen Einfluss auf den Methangehalt der Atmosphäre haben, werden Klimatologen zum Beispiel die Rolle ausgedehnter Waldflächen im Laufe der Klimageschichte neu definieren müssen.

Frank Keppler und seine Kollegen wiesen die pflanzlichen Methanausdünstungen in Laborversuchen nach. Dafür züchteten sie einzelne Pflanzen unter Plexiglashauben in einer künstlichen Atmosphäre, die der natürlichen, sauerstoffreichen Luft entsprach, aber kein Methan enthielt. Da die Forscher in den Luftproben aus den Mini-Gewächshäusern dennoch Methan fanden, musste es von den Pflanzen produziert worden sein. Zumal die Methankonzentration umso höher lag, je besser die Pflanzen wuchsen. So stieg die Methanproduktion deutlich an, wenn die Pflanzen mit Sonnenlicht bestrahlt wurden. Auf welche Weise das Methan in den Pflanzen gebildet wird, ist allerdings noch unklar.

Ersten Schätzungen zufolge bilden terrestrische Pflanzen weltweit zwischen 60 Mio. t und 240 Mio. t Methan pro Jahr. Das entspricht bis zu 30 % der globalen Methanproduktion; zwei Drittel kommen aus tropischen Gebieten, dort entsteht die meiste Biomasse.

Die neuen Erkenntnisse liefern eine Erklärung für frühere, bisher rätselhafte Befunde. Forscher der Uni Heidelberg beobachteten im vergangenen Jahr per Satellit über tropischen Wäldern unerwartet hohe Methankonzentrationen, ohne deren Ursprung klären zu können. Auch die Frage, warum der Methangehalt der Atmosphäre in den letzten Jahren deutlich langsamer gestiegen ist als von Klimaforschern erwartet, lässt sich mit Blick auf Pflanzen als Methanquelle beantworten: Seit 1990 ist die Gesamtfläche tropischer Wälder durch Abholzung um mehr als ein Zehntel geschrumpft. Entsprechend niedriger fiel auch deren Beitrag zum globalen Methanhaushalt aus. Die Studie rief weltweit ein kontroverses Echo hervor. Kommentatoren in den Medien stellten die Frage, ob Aufforstungsmaßnahmen, wie sie im Kyoto-Protokoll zur Senkung des CO2-Gehaltes der Atmosphäre anerkannt sind, noch gerechtfertigt seien. Denn durch ihre Methanemissionen könnten die neuen Wälder den KIimawandel möglicherweise beschleunigen.

Dem widersprach Keppler mittlerweile und lieferte die passende Rechnung: Demnach bindet ein Wald so viel CO2 aus der Atmosphäre, dass der Methanausstoß der Pflanzen diesen Effekt nur um bis zu 4 % schmälern könnte.

Für die Klimafolgenforschung ist Kepplers Studie von großer Bedeutung. Es stellt sich die Frage: Wie stark beeinflusst der Mensch den Methanausstoß der Pflanzen. Eins scheint klar: Durch den steigenden CO2-Gehalt der Atmosphäre und die damit verbundenen höheren Temperaturen wachsen Pflanzen besser. Das steigert wiederum die Methanproduktion der Pflanzen und somit deren Treibhauswirkung. Keppler: "Diese Rückkopplungsreaktion, die letztendlich auf anthropogene Effekte zurückgeht, ist in den KIimamodellen bislang nicht berücksichtigt."

Zu den vielen offenen Fragen gehört auch, warum diese Entdeckung erst jetzt gelang. Frank Keppler erklärt die Sache mit der Beharrlichkeit von Lehrbuchweisheiten: "Nach dem bisher anerkannten Wissen durfte Methan nur unter Ausschluss von Sauerstoff entstehen. Darum hat einfach niemand genau hingesehen." LUCIAN HAAS

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