VDI nachrichten -26. November 2004 - Nr. 4825

Forschung und Anwendung: Michael Forsting arbeitet in Essen mit einem interdisziplinären Team daran, die Magnetresonanz-Tomographie zum perfekten Ganzkörperscreening weiterzuentwickeln

Von der Locke bis zur Socke-in Farbe und in Echtzeit

Mediziner sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Ob großes Auditorium oder Vieraugengespräch: Es ist sehr unterhaltsam, dem Radiologen Michael Forsting zuzuhören, obwohl es wirklich nicht um lustige Dinge geht, sondern um Darmkrebs oder Hirnaneurysmen. Mit einem Team aus Physikern, Ingenieuren und Medizinern arbeitet der Professor am Universitätsklinikum Essen daran, die Magnetresonanz-Tomographie zum perfekten Ganzkörperscreening weiterzuentwickeln. Der gesamte Körper von der Locke bis zur Socke - in 3D und Farbe und in Echtzeit auf dem Bildschirm.

Mir macht die Arbeit Spaß: Das ist der Punkt!", beantwortet Michael Forsting die Frage, wie und mit welcher Motivation er eigentlich sein riesiges Arbeitspensum bewältigt. Von 7 Uhr morgens bis meist 23 Uhr in der Klinik, dann noch Vorträge vorbereiten, Forschungsanträge bearbeiten oder mal an einem weiteren Buchkapitel schreiben. Zu mehr als einem gelegentlichen Tennismatch und einer Laufrunde um den Baldeneysee am Wochenende reicht es da nicht.

"Wir sind aber auch ein Riesenladen. Wir machen 240 000 Untersuchungen im Jahr, schleusen hier fast 1000 Patienten am Tag durch", berichtet der 43-Jährige, der vor sieben Jahren, in einem für Mediziner sehr jungen Alter, den Ruf auf seine jetzige Professur erhielt: "Dies ist für Deutschland eine ganz ungewöhnliche Auszeichnung. Bislang hat ein Neuroradiologe noch nie einen Lehrstuhl für Radiologie erhalten".

Michael Forsting arbeitet aber auch sehr viel "chirurgisch". Seine Spezialität sind mikroinvasive Operationen am Gehirn, bei denen über die Leiste eine Sonde eingeführt wird, um so ohne Öffnung der Schädeldecke etwa Aneurysmen, krankhafte, örtliche begrenzte Ausbuchtungen von Blutgefäßen, entfernen zu können. Eine erfolgreiche Methode, die auch in der Fachwelt noch vor wenigen Jahren nicht für möglich gehalten wurde Als Radiologe hat Michael Forsting die Anfänge der Magnetresonanz-Tomographie (MRT) erlebt und sich seitdem immer für die Weiterentwicklung des Verfahrens aus Medizinersicht interessiert. Die MRT ist ein bildgebendes Diagnoseverfahren, bei dem ein Magnetfeld hoher Feldstärke genutzt wird sowie Radiowellen von geringer Intensität. Durch Rechenoperationen eines angeschlossenen Computers werden die zahlreichen Messungen der Wasser- und Fettanteile des Gewebes zu einem Schichtbild (Tomogramm) zusammengesetzt. So wird beispielsweise die scharfe Abgrenzung von Tumoren, Ödemen und Blutungen gegenüber gesundem Gewebe möglich.

In der klinischen Routine ist MRT inzwischen Standard, wird überwiegend eingesetzt, um Hirn- Herz- und Gefäßerkrankungen genau diagnostizieren zu können. Im Uniklinikum Essen gibt es über 10 000 Untersuchungen im Jahr, inzwischen ist bereits das vierte Gerät im Einsatz. Für die Patienten ist die MRT völlig schmerzlos und wirklich leicht zu ertragen. Ein großer Vorteil beispielsweise bei der Darmkrebsvorsorge, denn die alternative Darmspiegelung schreckt einfach zu viele Menschen aus den Risikogruppen ab.

Die diagnostischen Möglichkeiten durch MRT sind enorm gestiegen, nun werden manchmal Auffälligkeiten im Gewebe entdeckt, bei denen auch Michael Forsting manchmal denkt, dass dieses Wissen um potenzielle Gefahrenquellen im Körper die Patienten vielleicht sogar unnötig belastet.

Seit Mitte der 80er eingesetzt, sind bei der MRT Magnetfeldstärken von 1,5 bis 3 Tesla üblich, geforscht wird mit Geräten, die Stärken von 5 Tesla erreichen. "Der nächste Sprung in der MRTechnologie werden 7-Tesla-Geräte sein. Damit gelangen sie auf Zellniveau", erklärt Michael Forsting, und ist sich sicher, dass dann Alzheimer im Frühstadium zu erkennen sein wird. "Das ist unser nächstes Ziel, bei dieser drohenden Volksseuche neurodegenerativer Erkrankungen durch frühe Diagnose malige Therapiechancen zu bekommen. Deshalb bemühen wir uns gerade ein 7-Tesla-Gerät für die Forschung zu beschaffen."

Mit "wir" meint der in Heidelberg habilitierte Mediziner das aus Ärzten, Physikern und Ingenieuren bestehende Team des von ihm geleiteten Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums Essen.

Was für Bilder kriegt man eigentlich raus, wenn man einen Patienten durch die Röhre zieht, und ihn dabei die ganze Zeit scannt?, war die Überlegung vor vier Jahren. Zwei Jahre später war das Ziel Ganzkörperscreening erreicht. "MRT war immer für ein enges Untersuchungsgebiet vorgesehen - weil es früher sehr lang dauerte. Es wurde dann immer schneller, und alle wunderten sich, warum noch niemand auf die Idee kam, diese hohe Geschwindigkeit zu nutzen und einfach mehr Körper zu untersuchen", erinnert sich Michael Forsting.

Originäre Aufgabe der Ärzte sei eben, zu schauen, wie neue Technik eingesetzt werden kann, um die Lebensqualität der Patienten zu verbessern oder möglichst lange aufrechtzuerhalten. Von der Technik selbst glaubt Michael Forsting eigentlich gar keine große Ahnung zu haben, dafür sei die Zusammenarbeit im Team absolut perfekt. Gerade bei dieser "MRT-Geschichte" sei es entscheidend, quer zu denken, über den Tellerrand der eigenen Disziplin hinauszugucken. Die für ein Universitätsklinikum flachen Hierarchien schafften da beste Voraussetzungen.

Sogar eine kleine Firma, die MR-Innovation GmbH, wurde eigens gegründet, um das "Surfplattform" genannte Ganzkörperscreeningverfahren besser vermarkten zu können." So können unsere Physiker und Ingenieure auch schon mal üben, wie eine GmbH funktioniert, denn üblicherweise nutzen sie diese Plattform Medizintechnik und Universität nur, um zu promovieren oder zu habilitieren, um dann in die Industrie zu wechseln oder selbst ein kleines Unternehmen zu gründen." MANFRED BURAZEROVIC www.uni-essen.de/radiologie

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