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VDI, 16.April 2004

Forschung: Arbeiten erlauben Blick in neuronale Vorgänge

Nerven an Chip induktiv gekoppelt

In der Science-Fiction heißen sie "Cyborgs": Lebewesen, die direkt mit elektrischen Schaltungen gekoppelt sind. Doch so irreal derartige Visionen noch lange Zeit bleiben werden - erste Schritte in dieser Richtung sind schon getan.

Erstmals überhaupt ist es einem Münchner Max-Planck-Forscher in jüngerer Zeit gelungen, elektrische Schaltungen und einzelne biologische Zellen direkt - also ohne Umwege wie über großflächige Elektroden - elektrisch zu koppeln. Diese Arbeiten sind schon so weit vorangekommen, dass elektrische Signale zunächst von einem Chip in Nervenzellen geleitet, zu anderen Zelle weitervermittelt und am Ende wieder auf einen Chip zurückgekoppelt werden konnten.

Auch wenn seine Arbeiten nur erste Anfänge sind und die "Cyborgs" phantasievoller Autoren unendlich weit weg seien, sieht Peter Fromherz, Professor am Martinsrieder Max-Planck-Institut für Biochemie, durchaus interessante Andungsmöglichkeiten für seine Chip-Nerven-Systeme.

"Wir können auf wertvolle Erkenntnisse in Bereichen wie der Gehirn- oder auch der Arzneimittel- forschung hoffen."

Fromherz' Arbeiten, für die er kürzlich den Philip-Morris-Forschungspreis erhielt, schlagen eine Brücke zwischen bislang völlig getrennten Welten: Dienen im Computer und in der Elektronik Elektronen als Ladungsträger, so sind es in biologischer Materie Ionen. Der direkte Anschluss von Nervengewebe an eine Halbleiterschaltung scheiterte laut Fromherz bisher vor allem daran, dass bei direktem Kontakt Ströme fließen würden, die den Chip sofort zerstören, und dass die wässrige Nährlösung, in der die Zellen gehalten werden müssen, Fehlströme und Kurzschlüsse auf dem Halbleiter auslösen würden.

"Wir haben dieses Kontaktproblem dadurch gelöst, dass wir die Nervenzellen durch eine sehr dünne, isolierende Quarzschicht vom eigentlichen Chip fern halten", skizziert Fromherz den Trick, der ihn zum Erfolg führte. Dabei sei die Distanz Chip-Zelle trotz der Isolierung so gering, dass Signale mittels der elektrischen Felder der einzelnen Impulse induktiv einfach durch den Quarz hindurch übertragen werden können."Unser Chip erkennt 100-mV-Impulse der Zelle."

Bei seinen Arbeiten hat Fromherz zunächst die Nervenzellen der Großen Schlammschnecke (Lymnaea stagnalis) benutzt, die er auf den Chips mit winzigen Polymernoppen, die eine Art Zaun bilden, stabilisierte. Schon dabei bildeten sich zwischen den einzelnen Zellen so einer Versuchsanordnung Verbindungen bzw. Dendriten, die sogar das Beobachten simpler Interaktionen zwischen den Zellen ermöglichten und so das Arbeiten eines neuronalen Netzes - das der Ingenieur ja sonst vor allem aus der Informatik kennt - sichtbar werden ließen.

Inzwischen arbeitet Fromherz aber auch mit Nervengewebe aus dem so genannten Hippocampus von Rattengehirnen, wobei er seit etwa einem Jahr speziell für ihn entwickelte Chips von Infineon einsetzt. "Sie weisen auf der Kontaktfläche zu den Zellen in Abständen von je 8 m m einen Transistor auf und können somit gut die Nervenzellen kontaktieren, die ihrerseits jeweils rund 10 m m groß sind."

Chips des Münchner Halbleiter-Konzerns Infineon "ermöglichen es uns jetzt, z. B. Vorgänge beim Lernen in allen Einzelheiten zu studieren", freut sich Fromherz. "Jetzt endlich können wir genauer untersuchen, wie von außen kommende Einflüsse sich auf komplexe Nervengeflechte - statt auf einige wenige Einzelzellen - auswirken".

Als neuestes Resultat seiner Arbeiten berichtet Fromherz von Studien, bei denen nicht nur das elektrische Signal einer Nervenzelle aufgefangen wurde, sondern direkt die Arbeitsweise der

einzelnen Synapsen beobachtet werden konnte, also die Aktivitäten der biologischen Verbindungen zwischen zwei Neuronen, die die einzelnen Neuro-Impulse weiterleiten.

E. SCHMIDT www.biochem.mpg.de

 

Forschung: Chip im Gehirn soll gelähmten Menschen helfen

Schreiben mit der Kraft der Gedanken

VDI nachrichten, Düsseldorf, 16.4. 04 -

Ein US-Unternehmen plant, querschnittgelähmten Menschen einen Chip in das Gehirn zu implantieren. Damit sollen die Betroffenen in die Lage versetzt werden, einen Computer durch Denken zu steuern.

Das US-amerikanische Unternehmen Cyberkinetics plant, querschnittgelähmten Menschen einen winzigen Chip in das Gehirn zu implantieren, der es ermöglichen soll, einen Computer allein durch Denken zu steuern. Die Food and Drug Administration hat ihre Zustimmung zu diesem Versuch gegeben, wie die NewYork Times berichtet.

"Man kann Handsteuerung durch Gehirnsteuerung grundsätzlich ersetzen", sagte John P Donoghue, Gründer von Cyberkinetics und Chairman von der neurologischen Abteilung der Brown University, wo an der Umsetzung des Projekts gearbeitet wurde.

BrainGate, ein Teil der von Cyberkinetics entwickelten Implantate, soll es später Patienten mit Querschnittlähmung, Schlaganfall und seltenen Nervenerkrankungen ermöglichen, wieder zu kommunizieren und z. B. Lichtschalter zu betätigen. Auch sollen Betroffene in einer angemessenen Geschwindigkeit Schreibmaschine schreiben können.

Den vorerst fünf teilnehmenden Personen, die bis jetzt noch nicht ausgewählt wurden, sollen in einer Operation die 2 MM2 großen Chips implantiert werden. Der Schnitt wird unterhalb des Ohres vorgenommen und der Chip an der Oberfläche des Gehirns, in der Nähe der motorischen Rinde, die die Bewegung steuern soll, platziert. Elektroden, die wie Stacheln auf der Oberfläche des Chips sitzen, werden circa 1 mm in das Gehirn vorstoßen. Nach der Operation wird den Patienten ein Kabel aus dem Kopf reichen, über das sie mit einem Computer vernetzt werden.

Kritiker stellen in Frage, ob die Risiken, die mit dem Eingriff verbunden sind, das Experiment als sinnvoll scheinen lassen. Das Projekt, das 2001 in Massachusetts begonnen wurde, wurde mit 9 Mio. $ veranschlagt.

Bisher wurden Versuche an 18 Affen durchgeführt. Die Tiere sollen mit dem Chipimplantat durch Willenskraft Cursor an Computern bedient und Roboterarme bewegt haben.

Cyberkinetics plant nicht, das derzeitige Modell von BrainGate auf den Markt zu bringen, vorerst soll noch an der Verbesserung gearbeitet werden.

nyt/pte/jok www.cyberkineticsinc.com