VDI nachrichten, 22.Okt 2004

Diaqnostik: Früherkennung von Nierenerkrankungen durch neues Analyse-
Verfahren erspart Entnahme von Gewebeproben
Protein-Profil soll die Früherkennung von Erkrankungen erheblich vereinfachen

Mit einem neuen Verfahren zur Früherkennung von Nierenerkrankungen will ein Hannoveraner Unternehmen die Entnahme von Nierengewebe überflüssig machen. Für das diagnostische Pattern reicht eine Urinprobe, deren Protein-Profil mit denen verschiedener Krankheitsbilder verglichen wird.

Bis zum Jahr 2010 wird nach Angaben des Deutschen Diabetiker Verbands die Zahl der Diabetiker, vor allem vom Typ II, in Deutschland von sechs auf zehn Mio. Patienten steigen. Gerade bei dieser Zivilisationskrankheit, die mit Übergewicht, falscher Ernährung und Bewegungsarmut im Zusammenhang steht, spielt die Früherkennung -auch der Folgeerkrankungen des Diabetes - eine wichtige Rolle.

Ein neuer Ansatz zur Früherkennung von Nierenerkrankungen ist das diagnostische Pattern des Labors DiaPat in Hannover. Die beiden Professoren Hermann Haller und Harald Mischak von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben das neue Diagnose-Verfahren entwickelt, das viele Nierenbiopsien (Entnahme von Nierengewebe) mit zweitägigem Krankenhaus-Aufenthalt und operativem Eingriff überflüssig machen soll.

Die Logistik für den Test ist recht einfach: Der behandelnde Hausarzt erhält kostenlos kleine Fläschchen mit einer kryokonservierenden Flüssigkeit. Vom Patienten wird nur der Urin beim Hausarzt abgegeben, der seinerseits lediglich zum Telefonhörer greift, um die tiefgekühlte Urinprobe abholen zu lassen. Das ganze funktioniert auch über Ländergrenzen hinweg.

Nach vier bis fünf Tagen liefert das DiaPat-Labor dem Arzt die Resultate des patentierten und präzisen diagnostischen Patterns, das auch zwischen verschiedenen Nierenerkrankungen wie z. B. der diabetischen Nephropathie und der so genannten Glomerulonephritis unterscheiden kann. Dabei kann der Patient noch völlig schmerz- und symptomfrei sein.

Wichtige Einsatzfelder für das Urinanalyse-Verfahren sehen die Entwickler in der Früherkennung einer diabetischen Nephropathie oder anderer Nierenerkrankungen. "Diese Erkrankungen können mit diesem Verfahren etwa fünf bis zehn Jahre vor der Organschädigung diagnostiziert werden", erklärt DiaPat-Geschäftsführer Christian Heuer. "Für die gesundheitliche Entwicklung eines neuen Diabetes-Patienten ist eine solche Zeitspanne für Therapiemaßnahmen sehr wertvoll", untermauert Heuer den medizinischen Zweck seines Labors.

Schließlich können mit dem Verfahren auch Komplikationen nach Tansplantationen von Nieren oder Stammzehen ohne invasive Methoden erkannt werden. Auch die Wirkung neuer bzw. verabreichter Medikamente lässt sich damit testen.

Binnen 45 Minuten werden die angelieferten Urinproben kapillar-elektrophoretisch getrennt und anschließend online in einem Massenspektrometer analysiert. Die entstandenen Protein-Profile werden mit denen in einer Datenbank verglichen und entsprechenden Krankheitsbildern zugeordnet. Bei pathologischen Prozessen treten Veränderungen in der Konzentration von Proteinen auf, die als Botenstoffe fungieren. Solche quantitativen Veränderungen äußern sich entweder als ursächliche oder symptomatische Erkrankungen.

Vor allem bei Diabetikern und ihren Folgeerkrankungen wie der diabetischen Nephropathie sieht Christian Heuer ein großes Potenzial für das diagnostische Pattern. Zumal nach zwei bis fünf Jahren der Diabetes-Diagnosestellung noch Eiweißausschüttung, Blutdruck und Nierenfunktion unauffällig sein können.

Auch zur Früherkennung anderer schwerer Nephropathien liefert das DiaPat-Verfahren eine wertvolle Unterstützung für den Arzt, der sonst seine Diagnose über eine stationär durchgeführte Gewebeentnahme aus der Niere stellen müsste, was nicht ganz ohne Risiko ist.

Auf der diesjährigen Hannover-Messe wurde das Urin-Analyseverfahren bereits mit dem mit 15000 € dotierten Kooperationspreis des Landes Niedersachsen ausgezeichnet.

In wenigen Jahren wollen die Schöpfer des Verfahrens die neue Proteom-Analyse auch für Morbus Alzheimer, Multiple Sklerose, Schizophrenie und Krebserkrankungen diagnostisch nutzbar gemacht haben.

RICHARD E. SCHNEIDER ZU www.diapat.de

Lexikon

Medizinische Fachbegriffe

Nephrologle:Das Wort leitet sich von der altgriechischen Bezeichnung der Niere "nephros" - ab. Im Lateinischen heißt die Niere "ren", daher heißt die Wanderniere in der Fachsprache "Ren mobilis", und zur Niere gehörende bzw. durch die Nieren bedingte Phänomene und Krankheiten werden als "renal" bezeichnet. Die Nieren zählen zu den lebensnotwendigen Organen des Menschen, wie auch Herz, Lunge, Leber und Bauchspeicheldrüse.

Nierenbiopsie:Punktion der Niere, um eine Gewebeprobe zu entnehmen. Wird meist unter Ultraschallkontrolle durchgeführt.

Diabetische Nephropathie: Nierenschädigung als Spätfolge von Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit).

Glomerulonephritis:Die Glomerulonephritis ist die wesentlichste und häufigste Erkrankung der Nieren. Sie ist gekennzeichnet durch eine Entzündung der Glomeruli, der Nierenkörnerchen, welche sich in der Nierenrinde befinden. mww/jok

zurück