Landshuter,Straubinger, 5.-7.Okt 2004

Was die Welt im Innersten zusammenhält

Drei US-Physiker erhalten Nobelpreis für Erklärung fundamentaler Naturkraft

Hamburg/Stockholm (dpa) Das Herzstück der Materie heißt Quark. Quarks sind die fundamentalen Bausteine aller Atomkerne, benannt nach schemenhaften Wesen aus dem Roman "Finnegan's Wake" von James Joyce. Sie werden durch eine der vier Naturkräfte in Gruppen zusammengehalten. Lange war den Physikern nicht klar, wie diese starke Kraft die Quarks so stark binden kann, daß sie immer mindestens zu zweit auftreten. Für die Erklärung, wie die Welt im Innersten zusammenhält, bekommen die US-Forscher David Gross, David Politzer und Frank Wilczek den mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro dotierten Physik-Nobelpreis 2004.

Die starke Kraft verhält sich demnach wie eine Art Gummiband: Werden Quarks auseinander gezogen, wächst die Kraft zwischen ihnen rasant an. Sind sich die Quarks dagegen sehr nahe, ignorieren sie sich nahezu. Wird das "Gummiband" zwischen den Quarks zu stark gedehnt und reißt, bilden sich an den Rißenden allein aus der frei werdenden Energie sofort neue Quarks, die mit den ursprünglichen neue Paare formen. Diese "asymptotische Freiheit" erklärt, warum die Elementarteilchen nie einzeln beobachtet werden konnten.

Die drei Physiker stellten fest, daß die starke Kraft bei schrumpfenden Abständen kleiner und kleiner wird. "Damit war es möglich, bewährte Rechenmethoden einzusetzen und präzise Vorhersagen für Experimente zu machen", betont Robert Klanner, Forschungsdirektor am Hamburger Teilchenforschungszentrum DESY, wo wesentliche Teile dieser Theorie überprüft wurden. "Das war eine fundamentale Erkenntnis. Die Welt wäre ohne diese Eigenschaft der Natur so grundsätzlich anders, daß es uns gar nicht geben würde."

Mit der erfolgreichen Beschreibung dieser Wechselwirkung zwischen den Quarks vervollständigten die Forscher nach dem Urteil des Nobelkomitees das Standardmodell der Physik. "Unser Verständnis der Welt um uns herum ist durch die jetzt belohnten Arbeiten wesentlich vertieft worden", sagt der Komiteevorsitzende Sune Sandberg. Darüber hinaus gelten die Erkenntnisse als wichtiger Schritt zu einer einheitlichen Theorie der Naturkräfte, einer "Weltformel".

Im Juni 1973 hatten Gross und Wilczek sowie Politzer in zwei unabhängigen Artikeln im Fachblatt "Physical Review Letters" ihre Ergebnisse veröffentlicht. Wilczek und Politzer waren damals noch Doktoranden. Heute arbeitet Gross an der Universität von Kalifornien in Santa Barbara, Politzer am Califomia Institute of Technology (Caltech) in Pasadena und Wilczek am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge.

 Der "Todeskuss" in der Körperzelle                                   
Chemie-Nobelpreis für Arbeiten zum Eiweißabbau für Amerikaner und Israelis

Stockholm. (dpa) Zwei Israelis und ein Amerikaner erhalten für ihre Erkenntnisse zum lebenswichtigen Eiweißabbau im Körper den Chemie-Nobelpreis 2004. Damit geht erstmals ein wissenschaftlicher Nobelpreis nach Israel. Die Institutskollegen Aaron Ciechanover (57) und Avram Hershko (67) aus Haifa sowie der US-Amerikaner Irwin Rose (78) haben einen der wichtigsten Prozesse in der Zelle entschlüsselt. Das teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Mittwoch in Stockholm mit.

Der gestörte Abbau bestimmter Eiweiße (Proteine) spielt eine Rolle bei Gebärmutterhalskrebs, der Lungenkrankheit Mukoviszidose (Zystische Fibrose) und weiteren Leiden. Die Arbeiten könnten daher zu neuen Medikamenten führen.

Ciechanover freute sich vor allem für seinen Heimatstaat. "Israel ist ein Land mit sehr großen Problemen. Der Preis ist eine gewaltige Anerkennung", sagte er in einem für Journalisten zugänglichen Telefonat mit der Schwedischen Akademie der Wissenschaften. Er habe stets in seinem Heimatland gearbeitet und diesem auch alle wissenschaftlichen Errungenschaften zu verdanken.

Der Vorsitzende des Stockholmer Chemie-Nobelkomitees, Häkan Wennerström, hob die Leistung der Preisträger als "fundamentale Grundlagenforschung mit Langzeitwirkung" hervor. "Man wird die Konsequenzen nicht heute oder morgen im Alltag bemerken. Aber die drei haben die Voraussetzungen zu einem besseren Verständnis vieler wichtiger Krankheiten geschaffen", sagte Wennerström der dpa.

Der Mensch hat mehrere hunderttausend verschiedene Proteine. Sie dienen etwa als Bausubstanz, Botenstoffe, Enzyme oder zur Abwehr von Bakterien. Wird ein Protein nicht mehr benötigt, bekommt es in der Körperzelle den "Todeskuss", wie die Nobelstiftung schreibt. Genauer: Die Zelle hängt die Markierungssubstanz Ubiquitin wie einen Adressaufkleber an das alte Protein. Mit diesem Aufkleber versehen landet es im zelleigenen Müllverwerter (Proteasom), wo es zerhäckselt wird. Kurz vor der Zerstörung wird Ubiquitin wieder abgehängt, damit es erneut genutzt werden kann.

Ciechanover und Hershko arbeiten beide am Israel Institute of Technology (Technion) in Haifa. Sie hatten den Adressaufkleber entdeckt, der sich später als Ubiquitin herausstellte. Rose von der Universität von Kalifornien in Irvine hatte entscheidende Vorarbeiten dazu geleistet. Die drei Forscher beschrieben ihre Ergebnisse in zwei Arbeiten von 1980. In den Folgejahren entdeckten sie noch weitere Details zum Abbau von Proteinen.

Prof. Frauke Melchior, Arbeitsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München, bezeichnete die Zuerkennung als hochverdient. "Ubiquitin ist für eine riesengroße Anzahl zellulärer Prozesse enorm wichtig. Ciechanover und Hershko zusammen haben das eigentliche Prinzip und Konzept entdeckt." Beide seien sehr charismatisch und hervorragende Biochemiker.

"Feines Näschen" im menschlichen Gehirn unterscheidet 10000 Gerüche

Medizin-Nobelpreis geht an Amerikaner Richard Axel und Linda BuckStockholm

(AP) Für ihre Verdienste um die Erforschung des Geruchssinns erhalten die Amerikaner Richard Axel und Linda B.Buck den diesjährigen Nobelpreis für Medizin. Die beiden Forscher hätten das Rätsel gelöst, wie der Mensch rund 10 000 verschiedene Gerüche unterscheiden und sich daran erinnern kann,begründete das Nobel-Komitee des Karolinska-Instituts in Stockholmam Montag seine Entscheidung. Der mit zehn Millionen Kronen (rund 1,1Millionen Euro) dotierte Preis wird am 10.Dezember verliehen, am Todestag des Stifters Alfred Nobel.

In einer Serie wegbereitender Studien fanden Axel und Buck laut Nobel-Komitee heraus, wie das olfaktorische System des Menschen funktioniert. Sie hätten eine große Gruppe von rund 1000 Genen - das sind fast drei Prozent der menschlichen Gene - entdeckt, aus denen sich ebenso viele Arten von Geruchsrezeptoren ergeben. Auf diese Rezeptoren in der Nasenschleimhaut stoßen schließlich die Geruchsmoleküle aus der Atemluft.

Der Schluss, dass jede Rezeptorenzelle genau einem Gen zugeordnet ist, war laut Nobel-Komitee überraschend. Axel und Buck hätten dabei in ihrer Forschung nicht Halt gemacht und weiter die Verarbeitung der Geruchsreize im Hirn untersucht. Die allgemeine Grundlage, die die beiden für das Geruchssystem gefunden hätten, scheine zudem auch auf andere Bereiche der Wahrnehmung übertragbar zu sein.

Der 58-jährige Axel ist Wissenschaftler am Howard Hughes Medical Institute der Columbia Universität in New York. Die ein Jahr jüngere Buck forscht am Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle. Im vergangenen Jahr hatten der Amerikaner Paul C. Lauterbur und der Brite Peter Mansfield den Nobelpreis für ihre bahnbrechende Forschung zur Entwicklung der Magnetresonanztomographie erhalten

Den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie soll nach dem Willen des Stifters Alfred Nobel alljährlich derjenige erhalten, dessen Forschung in diesem Bereich "der Menschheit den größten Nutzen gebracht" hat. Die Ehrung für die medizinische Forschung ist eine von fünf, mit denen der 1896 verstorbene schwedische Chemiker und Industrielle über seinen Tod hinaus Einsatz zu Gunsten der Mitmenschen fördern wollte.

Nobel, der mit seiner Erfindung des Sprengstoffs Dynamit im Jahr 1867 zu Reichtum gelangte, verfügte in seinem Testament den Aufbau einer Stiftung für jene, die in Chemie, Physik, Medizin, Literatur und bei der Völkerverständigung jeweils "im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen gebracht haben". Die Bestimmung in Nobels Testament über das "verflossene Jahr" ließ sich allerdings nicht halten, da sich der Wert von Entdeckungen bisweilen spät zeigt. Die Nobel-Stiftung gab sich dazu Statuten, die die schwedische Regierung 1900 ratifizierte. Auch erst später erkennbare Verdienste sind danach nobelpreiswürdig.

1968 stiftete die Schwedische Reichsbank im Einvernehmen mit der Nobel-Stiftung einen Preis für Wirtschaftswissenschaften, der 1969 erstmals verliehen wurde. Die Verleihung der Nobelpreise erfolgt alljährlich am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters.

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