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VDI 25.Juni 2004

Vorhersage von Arteriosklerose und "dickem Kopf"

Mit Hilfe einer innovativen Blut-Analyse auf Basis der nuklearmagnetischen Resonanz (NMR) wollen Regensburger Gründer Patienten vor Gefäßkrankheiten warnen und überflüssige Behandlungen vermeiden helfen. Ihr Verfahren eignet sich für viele weitere Einsatzbereiche, etwa der Lebensmitteldiagnostik.

Viele Menschen fürchten Cholesterin - gilt der hydroaromatische Kohlenwasserstoff doch als Verursacher von Herz-Kreislauferkrankungen, vor allem von Arterienverkalkung. Gleichzeitig ist die Substanz zwingend nötig, um stabile Zellwände aufzubauen, Gallensäuren herzustellen oder Geschlechtshormone zu bilden.

Schädlich ist Cholesterin nur unter ganz bestimmten Bedingungen. Entscheidend ist, wie es auf seinem Weg durch den Körper verpackt wird. Allein kann sich der fettähnliche Stoff nicht mit Blut mischen. Er braucht spezielle Eiweiße, mit denen er sich verbindet. Daraus resultieren "Kügelchen" (Lipoproteine) verschiedener Art, Größe und Dichte. Kleine "Kügelchen" mit großer Dichte werden als HDL, High Density Lipoprotein, bezeichnet. Sie dienen der Gesundheit - können sie doch bereits bestehende Ablagerungen in den Arterien wieder auflösen. Gefährlich sind allein die Low Density Lipoproteine (LDL). Sie können sich in Arterienwände einlagern und so Herz-Kreislauferkrankungen verursachen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist umso größer, je kleiner ihre Größe und je höher ihre Partikelzahl ist.

Die gesamte LDL-Konzentration im Blut eines Patienten sagt also zunächst wenig aus über dessen Risikopotenzial. Ein hoher Wert kann durch viele kleine LDL verursacht werden - das ist tatsächlich gefährlich. Er kann aber auch deutlich harmloser sein - dann nämlich, wenn er durch wenige, dafür aber große LDL entstanden ist (Framingham Offspring Study). "Bisher war die Partikelanzahl und Größe nicht zu akzeptablen Preisen zu ermitteln", erklärt Dr. Fritz Huber. Das Ergebnis sei fatal: "Viele Patienten mit hohen LDLWerten - die aber primär auf großen Partikeln beruhen - wurden unnötigerweise behandelt und mussten ihre Lebensgewohnheiten ändern. Und Menschen mit einem normalen LDL-Wert - der sich aber aus vielen kleinen Partikeln ableitet - ahnen nichts von ihrem Risiko. "Abhilfe schafft hier der LipoFit Test. Huber entwickelte ihn gemeinsam mit Dr. Werner Kremer und Prof. Hans Robert Kalbitzer. Basierend auf der Idee startete das Trio die LipoFit Analytic GmbH, eine Ausgründung der Universität Regensburg. Grundlage ihres Verfahrens ist die nuklearmagnetische Resonanz Spektroskopie (NMR), die auch in Kernspintomographen genutzt wird. "Unsere ,Röhre' ist aber sehr viel kleiner, das Magnetfeld dafür wesentlich stärker", erklärt Huber. "Hinein muss bei uns auch nicht der ganze Mensch, sondern nur eine Blutprobe." Das Magnetfeld sorge dafür, dass die im Lebenssaft enthaltenen Wasserstoffkeme sich ausrichten. "Mit Radiowellen bringen wir sie dann wieder durcheinander. Wird diese Störquelle abgeschaltet, taumeln die Kerne zurück in ihre Gleichgewichtslage. Ihr Verhalten dabei ist abhängig von der chemischen Umgebung in der sie gebunden sind. Unsere Software verwertet das Signal, das diese Bewegung aussendet, und verrät uns, wie viele LDL sich im Blut befinden, und vor allem wie groß sie sind. Aufgrund dieser Daten ist dann eine viel genauere Aussage derüber möglich, ob eine Behandlung nötig ist."

Den Markt beackern wollen die Gründer in drei Stufen und über einen Zeitraum von fünf Jahren. "Zunächst werden wir Auftragsuntersuchungen selbst durchführen. Sobald sich das Verfahren etabliert hat, sollen in Europa verschiedene Testcenter in Kooperationen mit Kliniken eröffnet werden. Zuletzt könnten dank der bereits bestehenden Verbindung zum weltgrößten Spektrometerhersteller Bruker BioSpin GmbH Geräte in höherer Stückzahl hergestellt und das Verfahren lizenziert werden." Der Kapitalbedarf sei dank dieser Strategie gering. "Wir kommen bisher mit Mitteln aus dem Flügge-Programm des bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Forschung aus." Es sichert Gründern für die Dauer von ein bis zwei Jahren eine Vergütung in Höhe einer halben BAT IIa-Stelle und gewährt ihnen das Recht zur Nutzung hochschuleigener Labore.

"Nachdem wir bei den Businessplan-Wettbewerben Nordbayern und Science4Life jeweils zu den Siegerteams zählten, kamen bereits einige Venture Capitalists auf uns zu und legten Angebote vor", so der 35-Jährige.

Das Interesse der Finanzierer ist verständlich, eignet sich die LipoFit-Technik doch für zahlreiche weitere Gebiete. "Ein Beispiel ist die Lebensmittelanalytik. Wir können beispielsweise sagen, ob nach dem Genuss einer Flasche Wein mit Kopfschmerzen zu rechnen ist - unsere Technik spürt Fuselalkohole schnell und präzise auf." Milch könne daraufhin untersucht werden, ob die Kuh nur mit Gras oder auch etwa mit Fischmehl gefuttert wurde.

Auch für die Pharmabranche sei das Verfahren interessant. "Nur die NMR Spektroskopie kann die Struktur von kleineren Proteinen in ihrer natürlichen Umgebung aufklären. Wir können also zeigen, wie neue Wirkstoffe aussehen bzw. aussehen sollten."

Zunächst aber will LipoFit vor allem (potenziellen) Herz-Kreislaufpatienten helfen. Allein diese Aufgabe ist gewaltig: In Industrienationen sterben rund 25 % der Menschen an einschlägigen Problemen. STEFAN ASCHE