Straubinger, 14.Dez 2004
Das Regieren soll wieder einfacher werden
Das Ziel ist klar, doch noch gibt es viele offene Fragen bei der Reform des Föderalismus
Von unserem Berliner Korrespondenten Rudi Wais

Selten war Politik komplizierter.

In der Föderalismuskommission haben alle mit allen gerungen: Der Bund mit den Ländern, die Regierung mit der Opposition, die großen Länder mit den kleinen, der Osten mit dem Westen. Am Freitag will das von Franz Müntefering und Edmund Stoiber geführte Gremium seine Vorschläge für ein besseres Zusammenspiel von Bund und Ländern vorlegen. Dank klar geregelter Zuständigkeiten soll der Bundesrat nicht mehr sechs von zehn Gesetzen zustimmen, sondern nur noch drei bis vier. Das hieße: In Deutschland könnte schneller entschieden werden.

Was sich konkret ändert, ist in großen Teilen noch unklar. Zwar haben Müntefering und Stoiber ihr Reformpaket am Wochenende weitgehend festgezurrt, die brisantesten Themen aber haben sie noch ausgeklammert: Wie frei sind die Länder künftig in der Hochschulpolitik? Was haben sie in der Europapolitik zu sagen? Erhält der Bund mehr Kompetenzen in der Umweltpolitik? Wieviel Einfluss darf das Bundeskriminalamt auf die Polizeiarbeit der Länder nehmen? Hessens Ministerpräsident Roland Koch ist daher skeptisch: "Es fehlt noch die Hälfte des Weges." Auch der Heilbronner CDU-Abgeordnete Thomas Strobl, selbst Mitglied der Kommission, hat noch so seine Zweifel: Ein fauler Kompromiss dürfe es am Freitag nicht werden, warnt er. "Wir sollten das Grundgesetz nicht verschlimmbessern."

Die Ausgangslage: Im Ziel sind sich alle Beteiligten einig: Die Politik muss transparenter, das Regieren einfacher werden. Dazu sollen die Länder bei Bundesgesetzen auf Mitsprache verzichten, im Gegenzug erhalten sie dafür mehr Spielraum in der Landespolitik. Im Moment nämlich ist die Bundesrepublik nahezu unregierbar: Da der von der Union dominierte Bundesrat 60 Prozent aller Gesetze, die der Bundestag mit rot-grüner Mehrheit verabschiedet, blockieren kann, fallen wichtige Entscheidungen häufig unter Zeitdruck in den berühmt-berüchtigten Nachtsitzungen des Vermittlungsausschusses. Umgekehrt hat der Bund sich mit den Jahren weit auf das Terrain der Länder vorgewagt - etwa bei den Ganztagesschulen oder den Elite-Universitäten. Vom sozialen Wohnungsbau über den Naturschutz bis zur Bildungspolitik: "Der Kompetenzdschungel", klagt ein Nachrichtenmagazin "hat fast alle Lebensbereiche überwuchert."

Bereits geklärte Punkte: Obwohl das komplizierte Finanzgeflecht zwischen Bund und Ländern im Kern nicht angetastet wird, ist ein Steuer-Tausch nach Informationen unserer Zeitung beschlossene Sache: Die Länder erhalten vom Bund die Einnahmen aus der Versicherungsteuer und treten dafür die Kfz-Steuer komplett ab. Damit hätte der Bund mehr Möglichkeiten in der Verkehrspolitik. Er könnte, zum Beispiel, Kfz- und Mineralölsteuer zusammenlegen öder beide Steuern senken und dafür eine Pkw-Maut einfuhren. Die Länder ihrerseits sollen in Zukunft alleine über die Besoldung ihrer Beamten, den Strafvollzug, das Messewesen, das Gaststättenrecht oder den Ladenschluss entscheiden. Außerdem erhält Berlin im Grundgesetz einen besonderen Status als Hauptstadt. Mit in die Verfassung aufgenommen wird auch ein Bekenntnis zum Stabiltätspakt der EU - als ständige Verpflichtung für die Finanzpolitik. Strafen, die Deutschland bei Überschreiten der Drei-Prozent-Marke aufgebrummt bekommt, müssen die Länder mitbezahlen.

Noch offene Fragen: Am weitesten auseinander sind beide Seiten beim Thema Universitäten. Hier pochen die Länder auf größtmögliche Autonomie und zusätzliche Kompetenzen, die rot-grünen Bundespolitiker dagegen wollen Hochschulzugang und Hochschulabschluss einheitlich regeln. Auch für die mögliche Einführung von Studiengebühren wäre Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) gerne alleine verantwortlich. Stoiber allerdings ist sich sicher: "Wir werden diese Klippe umschiffen."

Ebenfalls noch umstritten: Der Umgang mit den neuen Ländern. Ost-Politiker aus Union und SPD wollen den Solidarpakt mit ins Grundgesetz aufnehmen. Sachsen Ministerpräsident Georg Milbradt etwa schlägt vor, dass der Bund dort die bis zum Jahr 2019 zugesagten 51 Milliarden Euro garantiert. Sollte ein Finanzminister in die Versuchung geraten, beim Aufbau Ost zu sparen, würde er gegen die Verfassung verstoßen.

In Union und Koalition allerdings werden die Differenzen für überbrückbar gehalten. Am Freitag, verspricht SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter, werde die Kommission ein "fertiges Ergebnis" präsentieren, das Bundestag und Bundesrat dann mit Zwei-Drittel-Mehrheiten annehmen müssen - es wäre, sagt Stoiber, "der größte Umbau des Grundgesetzes seit 30, 40 Jahren."

Die FDP dagegen ist skeptisch. Viel zu mutlos seien Müntefering und Stoiber die Reform angegangen, klagt der Abgeordnete Ernst Burgbacher, der für die Liberalen in der Föderalismuskommission sitzt. Dass der Länderfinanzausgleich und eine Neugliederung der Länder von Anfang an ausgeschlossen waren, sei ein schwerer Fehler gewesen. "Ohne den Mut zur wirklichen Entflechtung bei den Finanzbeziehungen kann es zu keinem großen Wurf kommen."

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