Straubinger, 10.Juni 2005

Horst Seehofer:
"Wir brauchen das Vertrauen der kleinen Leute"
Gespräch mit dem VdK- Vorsitzenden Bayerns über Sozialpolitik und Wahlkampf
Von Hannes Burger

Das " S " in der CSU, die soziale Komponente, sei für die Union enorm wichtig, sagt der bayerische VdK-Vorsitzende und CSU-Vize Horst Seehofer im Gespräch mit unserer Zeitung. "Wir müssen das Vertrauen der Arbeitnehmer und überhaupt der kleinen Leute erhalten. Wenn wir sie enttäuschen, bekommen wir für die Union im Bund keine Regierungsmehrheit und in Bayern keine absolute Mehrheit mehr." Seehofer, der sich nach seinem Rücktritt als sozialpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag eine Weile zurückgehalten hat, trat am Mittwoch - wie berichtet - erstmals in seiner neuen Funktion als Chef des Sozialverbandes VdK in Bayern vor die Presse. Dabei ging es vorrangig um die Rentner. Seehofer lehnt namens des VdK die Erhöhung des Krankenversicherungsbeitrags auch für Rentner zum 1. Juli 2005 als verfassungswidrig ab und rief zum Widerspruch auf, "weil damit das Krankengeld finanziert werden soll, das die Rentner objektiv nicht erhalten können."

Der Ingolstädter Bundestagsabgeordnete scheint im Wahlkampf wieder richtig aufzuleben. Im Hintergrundgespräch in München sprüht er wieder geradezu vor Kampfgeist und Optimismus. Prompt wurde ihm von einigen schlecht informierten Medien der Vorwurf, gemacht, er strebe eine Verfassungsklage und Widerspruchs-Aktion gegen seine eigene Gesundheitsreform an, auf die er sich 2003 mit Gesundheitsministerin Ulla Schmidt verständigt hatte, um die Arbeitgeber von den Lohnnebenkosten für das Krankengeld zu entlasten. Seehofer schüttelt den Kopf und sagt: "Das ist völliger Unsinn. Diese gesetzliche Regelung, auch die Rentner für das Krankengeld zu belasten, war nicht Bestandteil der Gesundheitsreform. Diesem Konzept habe ich wie die gesamte Opposition im Bundestag nicht zugestimmt - aufgrund der Addition von Belastungen für Rentner; auch VdK-Präsident Hirrlinger hat es von Anfang an abgelehnt. Die Rentner müssen ja aufgrund eines anderen Gesetzes bereits den vollen Beitrag zur Pflegeversicherung zahlen. Darum habe ich gesagt: Dies alles ist einfach zuviel, jetzt Hände weg von der Rente! "

Einen Konflikt zwischen seinen Funktionen als VdK-Vorsitzender und stellvertretender CSU-Vorsitzender kann Seehofer nicht erkennen: "Die sozialen Ziele sind identisch und einen Interessenkonflikt gäbe es nur mit einem Regierungsamt. Dann müsste ich beim VdK aufhören."

Sein Verhältnis zu Parteichef Edmund Stoiber bezeichnet Seehofer als "sehr gut", was aber nicht für alle in der Parteiführung gilt. In der in Bayern aktuellen Frage, ob die Hilfe zur ambulanten und stationären Pflege bei den sieben Bezirken konzentriert oder auf 96 Landkreise und kreisfreie Städte verzettelt werden soll, steht der Sozialverband VdK wie alle großen Wohlfahrtsverbände auf der Seite der Bezirke. Seehofers Argument: "Die Fachkompetenz und der notwendige überörtliche Ausgleich bei den Einrichtungen sprechen für die Bezirke. Bei einer Verlagerung auf die Kommunen würden zwar die Bezirksumlagen niedriger, aber die Kosten insgesamt deutlich höher."

Trotz seiner Kontroverse über das gemeinsame Gesundheitskonzept der Union sieht Seehofer auch mit CDU-Chefin Angela Merkel das Tischtuch durchaus nicht zerschnitten: "Wir reden miteinander und frozzeln uns gelegentlich."

Für den Fall, dass sie ihn noch im Bereich Gesundheits- oder Sozialpolitik ins Kabinett holen wolle, stehe er zur Verfügung: "Aber nur, wenn ich Spielraum für die Ausgestaltung erhalte.

Die Glaubwürdigkeit bei den Bürgern ist mir auf jeden Fall wichtiger als jeder Kabinettsposten!" In allen Details, wie das Gesundheitskonzept der Union auf den Parteitagen von CDU und CSU beschlossen wurde, könne er es nicht mittragen: "Wenn ich deshalb zuerst zurückgetreten bin, kann ich es nicht jetzt samt diesen Details unterschreiben. Ich werde aber nicht dagegen Wahlkampf machen, sondern für den Fall der Regierungsmehrheit um vertretbare Kompromisse und Korrekturen kämpfen."

Den Eckpfeilern des Gesundheitskonzeptes, so wie sie Wolfgang Zöller jetzt aus dem "Sozialpolitischen Arbeitskreis der CSU für das Wahlprogramm vorgeschlagen hat, könne er durchaus zustimmen, sagt Seehofer: "Im Falle eines Wahlsiegs müssen wir uns ja ohnehin in der Koalition mit der FDP auf ein Regierungsprogramm einigen. Darum sollte man ins Wahlprogramm der Union nur die Grundsätze der Gesundheitsreform schreiben, aber für deren konkrete Ausgestaltung einen Spielraum lassen!"

"Wir akzeptieren auch im VdK die notwendige Entlastung der Lohnnebenkosten und unterstützen nicht die rot-grüne Augenauswischerei mit der Bürgerversicherung. Wir wollen das Prämienmodell, aber mit sozialer Staffelung gemäß Stoibers Satz: Wer viel verdient, zahlt höhere Beiträge, wer wenig verdient, zahlt niedere. Auch 31 Millionen Zuschussempfänger sind nicht vorstellbar."

Auch das von der Union mitgetragene Hartz-IV-Konzept hält Seehofer für korrekturbedürftig: "Wir brauchen nicht unbedingt mehr Geld dafür, aber wir müssen da einiges gesellschaftspolitisch umkehren, was allen Arbeitnehmern Angst macht: nämlich im Alter seine Existenz und soziale Absicherung zu verlieren. Für die Rente wie für die Arbeitslosen-Versicherung muss wieder gelten: länger einzahlen, bevor man etwas herauskriegt; Ältere, die länger einbezahlt haben, müssen im Schnitt mehr oder länger etwas bezahlt bekommen und Jüngere dafür weniger." Bei den gesundheits- und gesellschaftspolitischen Reformen rechnet Seehofer auch mit Unterstützung aus der CDU - zum Beispiel aus Nordrhein-Westfalen: "Jürgen Rüttgers war darin mit uns immer einer Meinung. Der ist jetzt nach der gewonnenen Wahl wieder freier vom Druck aus der Bundeszentrale der CDU."

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