Straubinger, 14.Febr2005

"Solidarität bleibt wichtigste Grundlage"
Ex-Gesundheitsminister Horst Seehofer zu Gast bei den Bad Birnbacher Gesprächen

Bad Birnbach. (pw) Kranke sollen für Gesunde, Reiche für Arme, Junge für Alte einstehen - dies ist für den ehemaligen Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer auch in Zukunft die Grundlage der sozialen Sicherungssysteme. "Ohne den fundamentalen Gedanken der Solidarität kann man unser ganzes System nicht halten", betonte Seehofer als Gast der "Bad Birnbacher Gespräche" des Fernsehjournalisten Ruthardt Dresselt im Rottal.

Tresselt hatte sich gleich zwei als durchaus streitbar bekannte Diskutanten auf das Podium geladen. Neben Seehofer, der schon demnächst zum VdK-Bundesvorsitzenden gewählt werden soll, war auch einer der Sozialexperten der CSU-Landtagsfraktion, der Abgeordnete Konrad Kobler aus Passau, gekommen. Beide waren sich einig, dass die Christliche Soziallehre, nach Seehofers Überzeugung "die einzige Lehre, die bei uns bislang alle anderen überdauert hat", Grundlage sein sollte für den Umgang der Politik mit dem Menschen.

Voraussetzung dafür, dass sich der Staat ausreichend um seine Bürger kümmern könnte, sei allerdings, davon waren beide Politiker überzeugt, eine funktionierende Wirtschaft: "Eine erstklassige Versorgung setzt sogar zwangsweise eine erstklassige Wirtschaft voraus", betonte Seehofer. Mit Sozialabbau schaffe man keine Arbeitsplätze, sondern mache einen Standort eher noch kaputt. Leider, so Seehofer selbstkritisch, habe auch die Regierung unter Helmut Kohl lieber an den Sozialsystemen "herumgefummelt" als etwas für den Aufschwung zu tun.

Scharfe Kritik übten beide Politiker auch an den Stellenabbau-Plänen der Deutschen Bank, die trotz eines Rekordgewinns fast 6000 Stellen streichen will. "Das ist ein Anschlag auf den sozialen Frieden, der den Standort Deutschland gefährdet", so Kobler. Die Deutsche Bank spiele mit dem Feuer, das Gewalt entstehen lässt", mahnte der Sozialexperte, der auch einen mehr oder weniger offenen Appell an die Öffentlichkeit richtete: "Es ist zu überlegen, ob sich die Deutsche Bank davon beeindrucken lässt, wenn möglichst viele Menschen ihre Geschäftsbeziehungen zu diesem Institut abbrechen".

Seehofer warf den Managern der Großkonzerne vor, dass sie den Kontakt zu "normalen arbeitenden Menschen" längst verloren hätten. Längst sei der Mittelstand das Rückgrat der Wirtschaft geworden, es sei daher dringend an der Zeit, ihn von überflüssiger Bürokratie zu befreien, anstatt sich neue Wohltaten für Großunternehmen auszudenken.

Reformen, darin war man sich einig, seien dringend notwendig. "Dabei sind mir kleine Schritte lieber, wenn sie gemacht werden, als große Pläne, die in der Schublade verstauben", sagte Seehofer. Denken, Reden und Handeln müssten in der Politik endlich wieder übereinstimmen, forderte er und regte an, die Debatten über Probleme und ihre Lösungsmöglichkeiten wieder mehr im Bundestag zu führen als im Fernsehen: "Ich habe noch keine Talkshow erlebt, die Probleme lösen konnte" .

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