21.Juli 2005

Köhler löst das Parlament auf:Neuwahlen am 18.September?

Mittelbayerische Zeitung, 23./24.07.2005
Unvorbereitet erwischt
VON GERD OTTO, MZ
gotto@mz.donau.de

Natürlich ist die Verfassung ein hohes Gut, letzten Ende sogar mehr als das: Ohne ein solches Grundgesetz kann Demokratie nicht funktionieren! Dass die Parteien seit Donnerstag so tun, als wüßten sie, wie die Bundesverfassungsrichter, also die höchste Instanz unseres Staates, die umstrittene Vertrauensfrage des Kanzlers und damit die vom Bundespräsidenten bestätigte Neuwahl zum Bundestag beurteilen, sollte man ihnen dennoch nicht ankreiden. Kritik würdig erscheint vielmehr, daß sie sich seit über 20 Jahre nicht darum kümmern, was Karlsruhe beim letzten Rüffel in puncto Parlamentsauflösung schon 1983 angemahnt hatte. Wir können nur hoffen, daß sich die Verfassungsrichter nicht als nachtragend erweisen.

Und so tun wir allesamt mal so, als würde am 18. September gewählt - ein Zustand, der keineswegs beklagenswert sein muss. Denn nur unter dem Druck des Gewinnenmüssens, der Existenzangst also, sehen sich die Politiker offenbar bemüßigt, wirklich nach Konzepten zu suchen und den Souverän, den Bürger von der Richtigkeit, ja der Notwendigkeit der ins Auge gefaßten Maßnahmen zu überzeugen. Dabei sollte der Dialog mit dem Wähler doch eigentlich permanent stattfinden.

Wäre dies so, dann könnte man nicht überrascht werden, daß sich am eigenen Rand neue Gruppierungen entwickeln wie die Linkspartei oder auch vom "Coup" des amtierenden Kanzlers, nicht erst in einem Jahr, sondern noch heuer den Wähler um Rat zu fragen, sprich um seine Stimme zu bitten. Denn konzeptionell Neues oder gar Umwerfendes kam tatsächlich nicht zutage, als die CSU und ihre große Schwester CDU nun einen Blick auf ihr Gegen Modell erlaubten. Dabei hatten Kritiker immer wieder angemahnt, daß die Union vorbereitet sein müsse, wenn die Wende wirklich geschafft werden soll. In Wahrheit waren die viel zitierten Schubläden aber leer.

Die Union hat es ziemlich unvorbereitet erwischt, so daß die Oppositionellen nicht sehr viel Revolutionäres bieten können. Ein solches Umdenken mit entsprechend konkreten Maßnahmen aber wäre dringend erforderlich, will man unter den Farben Schwarz-Gelb nicht das quasi fortführen, was Rot-Grün begonnen hat, oder gar den Vereinfachern auf ganz Linksaußen das Terrain überlassen.

Es geht ja nicht nur um mehr Gerechtigkeit, also um das Verteilen vermeintlich irgendwo vorhandenen Vermögens, so sehr Solidarität auch und gerade in einem künftigen Gesellschaftsentwurf ihren Platz haben muß. Der Platz 5 von Horst Seehofer auf der CSU-Liste macht deutlich, daß auch die Delegierten der Christsozialen durchaus ein Gespür dafür haben.

Stärker als bisher jedoch müssen wir uns bewußt werden, wie sich die Welt vom nationalökonomischen Ansatz zur Globalisierung verändert hat, und daraus die Konsequenzen ziehen. Es ist eine Illusion zu glauben, wir könnten uns noch entscheiden, ob wir überhaupt mitspielen wollen. Umso wichtiger erscheint die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit. Mit homöopathischen Dosen bei der Senkung der Lohnnebenkosten gelingt dies nicht. Hier muss endlich geklotzt werden, um Langzeitarbeitslosen wirklich zu helfen.

R.Kiehl: ...mein Kommentar zu der Listenaufstellung der CSU, und hier im besonderen der Oberpfälzer-CSU folgt in den nächsten Tagen...

 

23.Juli 2005

Union will mehr Chancen für Agrar-Gentechnik

Berlin. (dpa) Die Union will bei einem Wahlsieg im September die Chancen für mehr Gentechnik in der Landwirtschaft verbessern und das rot-grüne Gentechnikgesetz kippen. Der Anbau genveränderter Pflanzen werde sonst zum "unkalkulierbaren Wirtschaftsrisiko", sagte die VizeVorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Gerda Hasselfeldt (CSU), in einem Interview.

Die Union will auch die Regeln zur Haltung von Legehennen verändern. Als Ersatz für die von 2007 an verbotene Käfighaltung sollten die etwas größeren Volieren für Hühner zugelassen werden, sagte Hasselfeldt.

Komm.R.Kiehl: ...siehe dazu die Dateien und Gutachten unter www.rki-i.com, Publikationen 4

 

...Arbeitsloser bietet Niere im Internet an

Viersen. (dpa) Ein 54 Jahre alter Arbeitsloser hat im Internet eine seiner Nieren für 400 000 Euro angeboten. Das Auktionshaus Ebay habe die Versteigerung beendet und die Polizei eingeschaltet, berichtete ein Polizeisprecher am Freitag im nordrheinwestfälischen Viersen. Gegen den Langzeitarbeitslosen wurde Anzeige wegen des Verstoßes gegen das Transplantationsgesetz erstattet. Im Polizeiverhör gestand der Familienvater vom Niederrhein den Vorwurf.

Komm.R.Kiehl: ...soweit sind wir schon mit Hartz IV, Al-II...; mein ausführlicher Kommentar folgt. Ich selbst werde als Al-II-Empfänger bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen, um diese Sauerei zu beenden...

...und gleichzeitig perverserweise...:

Die Gehälter steigen an:

39 815 Euro im Schnitt

WIESBADEN (ap). Das Gros der Arbeitnehmer mit einem Vollzeitjob hat vergangenes Jahr in Deutschland brutto durchschnittlich 39 815 Euro verdient. Das waren 2,4 Prozent mehr als im Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt berichtete. Die Spanne reichte von rund 13 000 Euro bei Arbeiterinnen in der Ledererzeugung in Ostdeutschland bis zu fast 70 000 Euro bei Angestellten in der Mineralölverarbeitung in den alten Ländern. Beschäftigte im Osten verdienen im Schnitt immer noch weniger als im Westen, Frauen weniger als Männer. Daraus könne aber nicht geschlossen werden, dass Frauen im gleichen Unternehmen für die gleiche Tätigkeit unterschiedlich bezahlt würden, erklärte das Bundesamt. Als Beispiel wurden Unterschiede im Anforderungsniveau genannt.

Komm.R.Kiehl: Während die Zahl der Vollzeitjobs mit mehr Verdienst weiter fällt, steigt die Zahl derer, die keine Arbeit haben: Im Moment dürften dies ca. 9 Millionen sein! ...nicht eingerechnet diejenigen von diesen Abhängigen...Irgendwo ist unser System nicht mehr in Ordnung: ...siehe die weiteren Kommentare dazu unter www.rki-i.com, Publikationen 3,4...und muß total saniert werden: Neu anfangen und nicht nur herumdoktern....weiteres folgt...

 

16.Juli 05

Stolpe schichtet um:

Mehr Geld für die Bahn....wirklich???

Berlin. (dpa) Die rot-grüne Bundesregierung will den Abbau der Verkehrsinvestitionen in den kommenden Jahren abschwächen. Dabei will Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) die erhöhten Mittel besonders von 2008 an zu Gunsten der Schiene, aber zu Lasten der Fernstraßen umschichten. Das geht aus Einzelheiten der zwischen Stolpe und Finanzminister Hans Eichel (SPD) vereinbarten Finanzplanung für den Bau- und Verkehrsbereich hervor.

Kein weiterer Kommentar... 

Straubinger, 23.Juli 2005

POLITISCHE LESERBRIEFE
PISA-Erfolg auf Kosten vieler Verlierer
Zum Artikel:" Schwindel hat zweifache Bedeutung" vom 16.7.05.

Herr OSTD Josef Kraus ist ein unabhängig denkender Kopf von altbayerischer Geradlinigkeit. Herr Kraus hat vor den Geisterfahrern in der neueren bayerischen Bildungspolitik nicht gekuscht und ist der Schleimabsonderung gänzlich unverdächtig. Er ist also beileibe kein Massenphänomen in der bayerischen Schulhierarchie und verdient schon deswegen hohen Respekt. Dennoch lassen mich einige seiner Bemerkungen im Interview vom 16. Juli zu den PISA-Länderergebnissen einigermaßen ratlos zurück. Dort äußert sich Kraus zustimmend zu der Darstellung: "Migrantenkinder sind in Sachen Bildung Risikogruppen( ... )". Mit Verlaub, diese Formulierung ist menschlich wie pädagogisch unmöglich. Risiken wird man versuchen, zu minimieren und nach Möglichkeit auszuschalten. Pech gehabt, liebe Jelena, lieber Turgut, ihr PISA-Bremser! Ihr überfordert nun mal unser Schulsystem, das für euch nicht gedacht ist. Und schon gleich nicht für euch gedacht ist "das Flaggschiff des bayerischen und deutschen Schulsystems, nämlich das Gymnasium".

Ich meine, in den zitierten Formulierungen äußert sich überdeutlich die vom bayerischen Triumphalismus verdeckte, aber von PISA sehr wohl offen gelegte Schattenseite des bayerischen Spitzen-Rankings. Das gegliederte bayerische Schulsystem ist in der PISA-Rangliste erfolgreich auf Kosten vieler Verlierer. Pech gehabt haben dabei auch der Hansl und das Sopherl. Sie sind zwar Urbayern, aber ihr Vater ist Facharbeiter und ihre Mutter Fachverkäuferin. Damit haben sie bei gleicher Intelligenz und Kompetenz eine 6,2-mal geringere Chance, ein Gymnasium zu besuchen, als ein Kind aus der akademischen Oberschicht. Bayern galt beim ersten PISA-Test als das Bundesland mit der härtesten sozialen Selektion in Deutschland. (Die neuen PISA-Sozialdaten erscheinen erst im Spätherbst). Das heißt, wer in der Sozialstruktur unten angesiedelt ist, der bleibt in aller Regel auch im gegliederten Schulsystem unten.

Dieses spiegelt also das in Deutschland eingefleischte Standesdenken wider, welches in PISA-Siegerländern wie Finnland, den Niederlanden oder Kanada weitaus weniger ausgeprägt ist. Die beiden letzteren Nationen beweisen übrigens, dass Migrantenkinder keine PISA Bremser sind, wenn man ihnen mit Schul- und Vorschuleinrichtungen entgegenkommt, die auf Integration und Förderung setzen.

Wir aber treiben die Selektion so toll, dass wir den Zugang zum bayerischen Abitur niedrig halten, um anschließend pro Jahr rund 4 000 Akademiker aus anderen Bundesländern zu importieren. Es ist im Übrigen typisch deutsch gedacht, wenn einem angesichts der finnischen PISA-Spitzenstellung vor allem einfällt, dass "dort kaum mehr als ein Prozent der Schüler Migranten sind".

Im Unterschied zu Herrn Kraus halte ich Finnland auch in pädagogischer Hinsicht für ein interessantes Reiseland. Ich habe dort mehrmals den kleinen karelischen Ort Kesälahti an der russischen Grenze besucht, wo nun tatsächlich einiges an Immigration aus Russland stattfindet. Wäre dem nicht so, so müssten viele finnische Landwirte in der Region angesichts der grassierenden Landflucht - zölibatär leben. Ich war nun bass erstaunt, als mir die Grundschulrektorin in Kesälahti versicherte, wie gut man mit den Migrantenkindern und ihren Eltern zurechtkäme, dass man sie als strebsame unternehmerische Leute schätze und dass man auch die sprachliche Integration gut im Griff habe. Wie anders tönt es da in Straubing und Bogen hinsichtlich der Spätaussiedler aus Kasachstan! An den finnischen Schulen ist PISA praktisch ein unbekannter Begriff und es fehlt jeglicher Triumphalismus. Wie anders bei uns in Bayern!

Alfons K i t z i n g e r, Gymnasiallehrer, Rachelstraße 4, 94327 Bogen

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